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Verkehrssicherheit

Young and wild? Junge Arbeitnehmer:innen im Straßenverkehr

Jugendliche haben ein hohes Risiko, im Straßenverkehr zu verunfallen. Die Gründe dafür sind vielfältig. In der Prävention von Arbeits- und Wegunfällen spielt eine frühe Bewusstseinsbildung eine zentrale Rolle. Das AUVA-Mobilitätsprogramm „trafficsafety4you“ bringt jugendtypische Probleme in praxisorientierten Modulen direkt in den Unterricht.

jugendliche Autofahrerin hält ihr Smartphone mit der Navigation in der Hand
© Adobe Stock / Svitlana

Für 15–24-Jährige sind Straßenverkehrsunfälle die häufigste Todesursache. Auch bei den Unfällen mit Personenschäden ist diese Altersgruppe deutlich überrepräsentiert. 15–24-Jährige haben im Vergleich zum Durchschnitt ein mehr als doppelt so hohes Risiko, im Zuge eines Verkehrsunfalles verletzt zu werden (siehe Abbildung 1 auf Seite 16).

Die Gründe dafür sind vielfältig. Neben der noch nicht voll entwickelten Gehirnreife spielen unter anderem auch mangelnde Verkehrserfahrung sowie entwicklungsbedingt erhöhte Risikobereitschaft eine Rolle. Noch nicht bei allen jugendlichen Fahranfänger:innen hat sich die Verkehrsreife hinreichend entwickelt (vgl. Schützhofer, 2017). Mangelnde Verkehrsreife äußert sich beispielsweise in unzureichender Gefahrenwahrnehmung und / oder nicht adäquater Gefahreneinschätzung und / oder nicht hinreichendem Gefahrencoping – Letzteres, weil die Betreffenden entweder nicht gewusst haben, welche die beste Gefahrenreaktion in einer bestimmten Verkehrssituation wäre, oder sich der:die Jugendliche wider besseres Wissen gegen diese entschieden hat.  

Alkohol, Drogen, Unachtsamkeit 

Während es hinsichtlich alkoholisierter Straßenverkehrsteilnahme bei einem Großteil der Zielgruppe ein gutes Problembewusstsein und in diesem Sinne auch eine gute Gefahreneinschätzung gibt, zeigen sich in der Praxis insbesondere in Bezug auf cannabisbeeinträchtigte Straßenverkehrsteilnahme Verharmlosungstendenzen aufgrund von Informationsdefiziten. Während der Anteil jugendlicher Fahranfänger:innen, welche bei Verkehrskontrollen alkoholisiert am Steuer angetroffen werden, infolge der zahlreichen Präventionsbemühungen der letzten Jahrzehnte deutlich gesunken ist, steigt jener der drogenbeeinträchtigten stark an. 

Statistik zeigt Verletzte und Getötete nach Altersklassen, Details im Text
Abbildung 1: Verletzte und Getötete nach Altersklassen, Statistik Austria 2021

Stark gewachsen ist des Weiteren der Anteil jener Fahrer:innen, die aufgrund von Unachtsamkeit, beispielsweise durch Tagträumen oder Ablenkung durch äußere Quellen wie das Smartphone verunfallen. Laut Einschätzung der Exekutivorgane waren Unachtsamkeit und Ablenkung 2022 die Hauptunfallursache bei Unfällen mit Personenschaden in Österreich (vgl. Statistik Austria, 2023). Zahlreiche Studien zeigen, dass vor allem bei aktiven Verkehrsmodi ein diesbezügliches Problembewusstsein noch stark verbesserungsbedürftig ist (z. B. Kühnelt-Leddihn, Bauer, Braun & Hofer, 2013). Für motorisierte Verkehrsteilnahmearten kann festgehalten werden, dass die Ablenkung durch digitale Medien bei jüngeren Fahrern:Fahrerinnen häufiger ist als bei älteren. Jüngere sind auch eher bereit, während der Fahrt zu texten (z. B. Kreußlein, Schleinitz & Krems, 2020).

Müdigkeit und Fahrtauglichkeit

Eine stark unterschätzte Unfallgefahr mit anzunehmender hoher Dunkelziffer ist Müdigkeit am Steuer. Aus zahlreichen Studien geht hervor, dass Schläfrigkeit bei rund 20 % aller Verkehrsunfälle eine Rolle spielt (für eine Übersicht vgl. Söllner, Schützhofer & Soukup, 2022). In einer Tiefenstudie von Stefan, Risser, Fessl, Gatscha und Weissensteiner (2008) wurde der Anteil von tödlichen Unfällen aufgrund von Sekundenschlaf bzw. Übermüdung bei mindestens 8 % im gesamten Straßennetz und 16 % auf Autobahnen und Schnellstraßen angegeben. Müdigkeit stellt im Straßenverkehr somit ein ernstzunehmendes Verkehrssicherheitsrisiko dar. 

Blickbewegungsbereich aus der Sicht einer bzw. eines Motoradfahrer:in, die hinter einem Auto herfährt. In diesem ersten Bild ist der Sichtbereich deutlich weiter und breiter, als im zweiten Bild.
© sicher unterwegs - Verkehrspsychologische Untersuchungen GmbH
Blickbewegungsbereich aus der Sicht einer bzw. eines Motoradfahrer:in, die hinter einem Auto herfährt. In diesem zweiten Bild ist der Sichtbereich deutlich eingeschränkter als im ersten Bild.
© sicher unterwegs - Verkehrspsychologische Untersuchungen GmbH

Blickbewegungsbereich im Vergleich: ausgeschlafen (links) versus müde (rechts).

Besondere Situation Jugendlicher

Um zu verstehen, warum vor allem jugendliche Arbeitnehmer:innen und Lehrlinge besonders gefährdet sind, ist es zuallererst wichtig, zwischen Schläfrigkeit und Müdigkeit zu unterscheiden. Erstere ist im Regelfall in der Tageszeit bzw. einem damit verbundenen Schlafentzug begründet. Ein Beispiel hierfür wäre langes Ausgehen bis in die frühen Morgenstunden oder eine durchgelernte Nacht. Müdigkeit kann im Unterschied dazu auch aus einer Aufgabe resultieren, weil diese über- oder unterbeansprucht. Hohe mentale Beanspruchung etwa durch hohe Verkehrsdichte resultiert genauso in Ermüdung wie Unterbeanspruchung beispielsweise durch monotone Streckenführung auf der Autobahn. Während man Schläfrigkeit nur mit Schlaf begegnen kann, helfen bei Müdigkeit Pausen oder ein Power-Nap. Koffeinhaltige Getränke wirken maximal sehr kurzfristig. Musikhören, frische Luft, essen etc. haben keinen nachweislich positiven Effekt auf Müdigkeit.

Jugendliche benötigen im Unterschied zu Erwachsenen durchschnittlich 9 bis 10 Stunden Schlaf pro Nacht (Carskadon, 2011). Tatsächlich schlafen sie laut Studien aus verschiedenen Ländern quer über den Globus aber deutlich weniger, sodass viele unter chronischem Schlafmangel leiden, was sich nicht nur auf die schulischen und beruflichen Leistungen negativ auswirkt, sondern auch auf die Verkehrssicherheit (für einen Überblick vgl. Söllner et al., 2022). Dementsprechend zeigen Daten aus den Vereinigten Staaten, dass junge Fahranfänger:innen besonders häufig in Schläfrigkeitsunfälle verwickelt sind und dass in Staaten, wo die Highschool später beginnt, Jugendliche in signifikant weniger Unfälle involviert sind (z. B. Vorona et al., 2014). Besonders kritisch wird es, wenn weniger als fünf Stunden geschlafen wurde.

Bezogen auf das Fahrverhalten zeigen sich bei Müdigkeit insbesondere gravierende Probleme beim Spurhalten, beim Reaktionsverhalten, bei der Daueraufmerksamkeit und im Blickverhalten. Abbildung 2 zeigt den mit einer Eyetracking-Kamera festgehaltenen stark eingeschränkten Blickbewegungsbereich nach einer durchwachten Nacht im Vergleich zu einem ausgeruhten und fitten Leistungszustand. Es wird leicht erkennbar, dass hier eine rasche Gefahrenerkennung und -reaktion nicht möglich sind.

 Um hier entgegenwirken zu können, bietet das verkehrspsychologische Institut „sicher unterwegs“ in Kooperation mit der AUVA das evaluierte Präventionsprogramm „trafficsafety4you“ für 14–18-jährige Jugendliche und junge Fahranfänger:innen an, das interaktiv die wesentlichen Unfallursachen adressiert. Es stehen vier Module (Alkohol, Drogen und Medikamente, Ablenkung sowie Müdigkeit und Fahrtauglichkeit) im Umfang von jeweils vier Einheiten zur Verfügung. Berufsschulen können österreichweit folgende Module buchen: Alkohol, Drogen und Medikamente, Müdigkeit und Fahrtauglichkeit. Die Kosten werden von der AUVA getragen. Nähere Informationen zum Verkehrssicherheitsprogramm trafficsafety4you gibt es auf sicherunterwegs.at

Quellen:

  • Carskadon, M. A. (2011). Sleep in adolescents: the perfect storm. Pediatric Clinics, 58(3), 637–647.
  • Kreußlein, M., Schleinitz, K. & Krems J. (2020). Häufigkeit von Ablenkung beim Autofahren. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen. Mensch und Sicherheit Heft M 297. Bergisch Gladbach: Fachverlag NW in der Carl Ed. Schünemann KG.
  • Kühnelt-Leddihn, A., Bauer, R., Braun, E. & Hofer, M. (2013). Get Smart. Smartphone Verwendung und Verkehrssicherheit bei jugendlichen FußgängerInnen und RadfahrerInnen. Endbericht. Forschungsarbeiten des österreichischen Verkehrssicherheitsfonds VSF, Lfd. Nr. 026, Wien: Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie.
  • Schützhofer, B. (2017). Verkehrsreife – Theoretische Fundierung, Entwicklung und Erprobung der Testbatterie zur Erfassung der Verkehrsreife TBVR 14+. Bonn: Kirschbaum Verlag GmbH.
  • Söllner, M., Schützhofer, B. & Soukup, B. (2022). trafficsafety4you. Modul IV Müdigkeit und Fahrtüchtigkeit. Wien: sicher unterwegs – Verkehrspsychologische Untersuchungen GmbH.
  • Stefan, C., Risser, A., Fessl, T., Gatscha, M. & Weissensteiner, W. (2008). In-Depth Analysis of Fatalities. Tiefenanalyse tödlicher Verkehrsunfälle. Forschungsarbeiten aus dem Verkehrswesen, Band 176. Wien: Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie.
  • Vorona, R. D., Szklo-Coxe, M., Lamichhane, R., Ware, J. C., McNallen, A. & Leszczyszyn, D. (2014). Adolescent crash rates and school start times in two central Virginia counties, 2009–2011: a follow-up study to a southeastern Virginia study, 2007–2008. Journal of Clinical Sleep Medicine, 10(11), 1169–1177.
  • www.statistikaustria.at

Zusammenfassung

Jugendliche Arbeitnehmer:innen und Lehrlinge sind im Straßenverkehr einem deutlich erhöhten Unfallrisiko ausgesetzt. Zu den Gründen zählen einerseits eine entwicklungspsychologisch noch mangelnde Verkehrsreife und andererseits fehlende Fahrpraxis, Informationsdefizite und mangelnde Bewusstseinsbildung.


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