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Sicherheit am Bau

Arbeiten auf dem Dach: Sicherheit im Fokus

In den letzten Jahren haben Unfälle im Rahmen von Dacharbeiten zugenommen. Ursachen sind Reparatur­arbeiten nach Unwettern, aber auch die vermehrte Montage von Photo­voltaik­anlagen auf Dächern. Laut AUVA-Unfallstatistik kommt es in Österreich rund einmal pro Woche zu einem derartigen Ereignis. Es ist wichtig, Arbeiten auf Dächern im Vorfeld gut zu planen, damit es bei kurzen Unachtsamkeiten nicht zu schweren Unfällen kommt.

zwei Kletterer hängen an einer Fassade, darunter sieht man eine Straße mit zahlreichen Autos, Gebäude und einen Park.
© R. Reichhart

Die häufigsten Ursachen für Abstürze sind Durchbrüche durch nicht durchbruchsichere Dachelemente wie Lichtplatten. Häufig sind diese auf Dächern mit Wellenplatten aus Faserzement verlegt. Da diese Dächer oft ohne tragfähigen Unterbau ausgeführt sind, kommt es hier auch auf den Dachflächen immer wieder zu Durchbrüchen und Abstürzen aus großer Höhe. Daher ist es wichtig, in der Planungsphase sowohl die baulichen Gegebenheiten als auch den Faktor Mensch zu berücksichtigen, um folgeschwere Unfälle zu verhindern. Dabei sind folgende Punkte zu berücksichtigen: 

  • Auf Dächern sind ab drei Meter Absturzhöhe Sicherungsmaßnahmen erforderlich. Bei geringeren Absturzhöhen dürfen nur erfahrene Arbeitende ungesichert arbeiten, denn es besteht trotzdem die Gefahr von schweren Verletzungen. 
  • Das persönliche Verhalten entscheidet über die Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) gegen Absturz, denn sie wird oft als störend empfunden.
  • Geeignete Gerüste mit Dachschutzfunktion sind erforderlich. Diese Gerüste haben eine Blende mit mindestens einem Meter Höhe und müssen stabil ausgeführt und fachgerecht montiert sein. Bei als Dachfanggerüst ausgeführten Fassadengerüsten ist zu berücksichtigen, dass der Bodenbelag den Anforderungen entspricht.

Nähere Informationen und einen Überblick über die erforderlichen Maßnahmen bietet die Mappe „Siche­rheit am Bau“: baumappe.at 

Auf Flachdächern wird die Absturzgefahr oft nicht wahrgenommen, doch hier lauern ebenfalls Gefahren, etwa in Form von nicht durchbruchsicheren Lichtkuppeln und Lichtbändern. Aber auch durch spontane Handlungen kann es zu einem nicht geplanten Aufenthalt direkt an der Absturzkante kommen. Schon ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit reicht aus, um einen Absturz herbeizuführen. 

Gefahrenquellen: Asbest, Aufstiegs­hilfen

Bis in die 90er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde Asbest häufig in Faserzement für Dachplatten, Dachwellplatten oder Dachpfannen sowie Dämm- oder Isoliermaterial verbaut. Asbestfasern führen nach dem Einatmen erst nach vielen Jahren zu schweren Erkrankungen der Atemwege und Lunge, die kaum behandelbar sind. Die seit 1990 verbotenen asbesthaltigen Baumaterialien gefährden die Gesundheit der Bauarbeiter:innen und der Hausbewohner:innen. Beim Abbruch sind daher besondere Schutzmaßnahmen erforderlich.

Bei Arbeiten auf Dächern kommen oft Leitern zum Einsatz, um das Dach zu erreichen. Die Verwendung hat nach der Bedienungsanleitung des:der Herstellers:Herstellerin sowie einschlägiger Vorschriften zu erfolgen. Auch Hubarbeitsbühnen bieten eine sichere Möglichkeit, um in der Höhe zu arbeiten, sind aber nicht oder nur in Sonderfällen unter Berücksichtigung genau definierter Voraussetzungen als Aufstiegshilfe geeignet. Eine spezielle Unterweisung und innerbetriebliche Fahrbewilligung sind erforderlich. Eine praktische Ausbildung in einer Ausbildungsstätte wird empfohlen und von der AUVA angeboten.

ein Kletterer lässt sich gerade über eine Dachkante hinunter, im Hintergrund sieht man die Stadt
Auf Dächern sind ab drei Meter Absturzhöhe Sicherungs­maßnahmen erforderlich. Bei geringeren Absturzhöhen dürfen nur erfahrene Arbeitende ungesichert arbeiten, denn es besteht trotzdem die Gefahr von schweren Verletzungen © R. Reichhart

Absturzsicherungen: Unterschiedliche Branchen sind betroffen

Der Absturz von Flachdächern aufgrund durchbrechender Lichtkuppeln oder Dachelemente, der Sturz vom Dachrand oder das Durchbrechen von Dachflächen sind Unfälle, die häufig mit besonders schweren Verletzungen oder dem Tod einhergehen. Auch Arbeiten auf Hubarbeitsbühnen, in Arbeitskörben, an Aufzügen oder Transportbühnen, mit Fassadenbefahranlagen und Leitern, oder auch Arbeiten im Bereich von Silos oder Kläranlagen zählen zu den Tätigkeiten, die mit großer Absturzgefahr verbunden sind. Denn: Überall kann Unachtsamkeit zur Folge haben, dass ein Mensch mehr als einen Meter in die Tiefe stürzt. Das zeigt, dass nicht nur Dach- oder Bauarbeiter:innen betroffen sein können, sondern zum Beispiel auch Mitarbeitende im Bereich der Instandhaltung oder – seit Kurzem besonders häufig – Klimatechniker:innen und Monteure: Monteurinnen bei der Montage oder Wartung von Photovoltaikanlagen. Daher ist die Evaluierung von Absturzsicherungen für ganz unterschiedliche Branchen zu beachten, in denen Arbeiten in der Höhe – wenn auch nur manchmal – durchgeführt werden. 

Gemeinsam mit den Landesinnungen der Dachdecker:innen, Spengler:innen, Holzbauer:innen und Glaser:innen in den Bundesländern Wien, Niederösterreich und dem Burgenland bietet die AUVA Praxistrainings und Lehrgänge für Sicherheit bei Arbeiten auf dem Dach an. Ab heuer stehen die Kurse in den drei Bundesländern auch für Elektriker:innen zur Verfügung. Die Kursinhalte verbinden Theorie mit praktischer Erfahrung und alltagsgeprüften Techniken, da häufig unter Zeitdruck gearbeitet werden muss und dabei oft die Sicherheit auf der Strecke bleibt. Neben Basislehrgängen sind Aufbaukurse ebenso verfügbar wie eigene Lehrgänge für Führungskräfte. 

Vorgeschriebene Schutz- und Sicherungs­maßnahmen 

Ein Absturz liegt dann vor, wenn die betroffene Person auf eine tiefer gelegene, tragfähige Fläche fällt und dabei ein Höhenunterschied von mehr als einem Meter vorliegt. Meist ist die Ursache fehlendes Risikobewusstsein: Es gibt zu wenige oder keine Schutzmaßnahmen, obwohl die Festlegung und Planung von geeigneten Schutzmaßnahmen sowie Sicherungsmaßnahmen für Arbeiten in der Höhe gesetzlich vorgeschrieben sind. 

Arbeitgeber:innen müssen im Rahmen ihrer Verpflichtung zur Arbeitsplatzevaluierung, die in den §§ 3 und 4 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) festgelegt ist, entsprechende Maßnahmen setzen. Auch die Reihenfolge ist eindeutig festgeschrieben: Kollektive Maßnahmen stehen vor individuellen bzw. persönlichen Schutz- und Sicherungsmaßnahmen. Konkret bedeutet das, dass bei potenziellen Absturzstellen zum Beispiel Geländer anzubringen sind. Nur wenn das nicht möglich ist, kann die Absicherung durch persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) erfolgen. Wenn PSAgA verwendet wird, sind Arbeitgeber:innen gefordert, ein entsprechendes Sicherungskonzept dafür zu erarbeiten und festzulegen. Wichtig ist, dass auch dann für eine Absturzsicherung zu sorgen ist, wenn an den möglichen Absturzstellen gerade nicht gearbeitet wird.

zwei Kletterer arbeiten an einer Fassade, einer hält sich mit einem Arm an der Fassade fest, und hält in der anderen eine Bohrmaschine, der andere Kletterer führt die Bohrmaschine
Die Schutzmaßnahmen bei Arbeiten auf Dächern sind unter anderem von der Absturzhöhe, der Dachneigung sowie dem Umfang und der Dauer der auszuführenden Arbeiten abhängig. Aber auch die Kombination von Untergrund und beispielsweise Nässe kann die Sicherheit massiv beeinträchtigen © R. Reichhart

Auch die Witterung spielt mit

Die Schutzmaßnahmen bei Arbeiten auf Dächern sind von einer Reihe von Faktoren abhängig: In erster Linie sind die mögliche Absturzhöhe, die Dachneigung sowie der Umfang und die Dauer der auszuführenden Arbeiten zu berücksichtigen. Wesentlichen Einfluss haben aber auch das Material, mit dem das Dach gedeckt ist, sowie die Witterung. Denn gerade diese Kombination von Untergrund und beispielsweise Nässe kann die Sicherheit massiv beeinträchtigen. 

Die Sicherungsmöglichkeiten bei Dacharbeiten sind vielfältig und müssen auf die auszuführenden Arbeiten abgestimmt werden. Die jeweils geltenden Vorschriften im Hinblick auf die Anbringung sind im Einzelnen zu beachten. Dachfanggerüste werden zum Beispiel eingesetzt, um Arbeitende, die auf dem Dach tätig sind, vor einem tiefen Absturz zu bewahren. Die Netze schützen aber auch Personen darunter vor herabfallenden Teilen. Sie werden üblicherweise bei Dächern verwendet, deren Neigung über 20 Grad beträgt, und können zum Beispiel bei einem Baugerüst die obere Gerüstlage bilden. Dachschutzblenden dürfen bis zu einer Dachneigung von 60 Grad verwendet werden. Fangnetze werden bei der Gefahr eines Sturzes ins Innere des Bauwerkes, zum Beispiel in Hallen, verwendet. Die Fangnetze müssen an tragfähigen Konstruktionen befestigt und möglichst unmittelbar unter dem Arbeitsplatz angebracht sein. 

PSAgA: Regelmäßig kontrollieren!

Wird mit PSAgA gearbeitet, so dürfen Schutzeinrichtungen entfallen. Das gilt aber nur, wenn geringfügige Arbeiten wie zum Beispiel Reparaturen nicht länger als einen Tag dauern. Häufig ist hier der zeitliche Aufwand für die kollektiven Schutzmaßnahmen unverhältnismäßig hoch gegenüber dem Aufwand für die durchzuführende Arbeit. Daher ist im Zuge der Gefahrenbeurteilung die Verhältnismäßigkeit des Aufwandes für die Anbringung von Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen zu den auszuführenden Arbeiten zu prüfen. Der Vergleich des Aufwandes muss im Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokument beschrieben sein.

Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz ist persönliche Schutzausrüstung zur Sicherung von Personen an einem Anschlagpunkt, einem Seilsicherungs- oder Schienensystem. Ein Absturz wird so entweder vollständig verhindert oder der:die abstürzende Arbeitnehmer:in wird aufgefangen. Bevor Arbeitnehmer:innen mit einer PSAgA an die Arbeit gehen können, ist jedoch eine Unterweisung durch eine fachkundige Person erforderlich. Hier muss den Mitarbeitenden erklärt werden, wie das richtige An- und Ablegen der Schutzausrüstung funktioniert und wie eine PSAgA ordnungsgemäß verwendet wird. Mindestens einmal jährlich sind Übungen zur Bergung und Rettung vorgeschrieben. Arbeitgeber:innen haben darauf zu achten, dass die PSAgA auch gemäß ihrer Bestimmung und den Angaben der Hersteller:innen verwendet wird. Damit die PSAgA im Fall eines Unfalls auch hält, was sie verspricht, muss sie mindestens einmal jährlich durch eine fachkundige Person geprüft werden. Das entlässt aber Mitarbeitende nicht aus der Verantwortung. Sie sind aufgefordert, bei jeder Verwendung der Schutzausrüstung eine Sichtkontrolle durchzuführen und auf offensichtliche Mängel zu achten. Auf dem Dach ist zudem das Tragen von Schuhen mit durchtrittsicheren und abrutschsicheren Sohlen verpflichtend, da die Gefahr besteht, auf Nägel zu treten. Spezielle Dachdeckerschuhe sind im Handel erhältlich.

Gurtsystem: oft eine trügerische Sicherheit vor dem „Hängetrauma“

Anschlageinrichtungen zur Befestigung von PSAgA müssen in alle Richtungen, auch auf Zug nach oben, voll belastbar sein. Dachhaken für das sichere Auflegen von Dachleitern und als Anschlagpunkte für PSAgA lassen sich ebenso wie Schlaufen aus Metall bei Ziegeldächern auch nachträglich einbauen. Wichtig ist, dass man sich trotz PSAgA nicht in Sicherheit wiegen darf, denn: „Ein Gurt schützt nicht vor dem sogenannten Hängetrauma, auch bekannt als Hängetraumasyndrom“, betont AUVA-Mediziner Dr. Gerhard Orsolits. Es kann entstehen, wenn Personen abstürzen, vom Gurtsystem aufgefangen werden, aber dort länger bewegungslos hängen. Die genauen Mechanismen sind noch nicht restlos geklärt. „Als Ursache wird davon ausgegangen, dass durch die Schwerkraft das Blut in den Beinen versackt und durch verminderte Aktivität der Muskelpumpe, zum Beispiel durch Erschöpfung, Verletzung oder Bewusstlosigkeit, nicht zurücktransportiert werden kann. Zusätzlich kommt es zu einer sogenannten ‚vasovagalen Reflexantwort‘, die eine Blutzirkulation zusätzlich behindert“, beschreibt der Mediziner und ergänzt: „Es kann schon innerhalb einer halben Stunde auftreten, zum Beispiel bei Gurten mit Anseilpunkt am Rücken, und ist unabhängig davon, wie trainiert eine Person ist. Wichtig ist, die Person möglichst rasch aus dem Gurtsystem zu befreien und Erste Hilfe zu leisten.“ Bis dahin sollen Betroffene unbedingt selbst aktiv dem Versacken des Blutes in den Beinen entgegenwirken, indem sie sich während des Hängens aktiv bewegen. Idealerweise sollten die Beine dabei gegen einen Widerstand 

bewegt werden, um die Muskelpumpe in Gang zu halten. Sofern der:die Gestürzte frei in der Luft hängt, kann er:sie hierzu eine Trittschlinge oder einen Seilkürzer verwenden. 

Ist der:die Gerettete bewusstlos und atmet, so ist die stabile Seitenlage herzustellen. Fehlen Bewusstsein und normale Atmung, so sind die üblichen Maßnahmen zur Reanimation durchzuführen. Ein Hängetrauma ist immer ein medizinischer Notfall, daher ist umgehend die Rettungskette in Gang zu setzen.

Zusammenfassung

Beim Absturz von Dachflächen handelt es sich um Unfälle, die häufig mit besonders schweren Verletzungen oder dem Tod einhergehen. Meist ist die Ursache für Abstürze das fehlende Risikobewusstsein. Wird mit persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) gearbeitet, kann ein Absturz zu einem sogenannten Hängetraumasyndrom führen. Das ist immer ein medizinischer Notfall. Die Rettungskette ist umgehend in Gang zu setzen.


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