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Gesundheitsbedingte Fehlzeiten in Österreich – der Fehlzeitenreport 2017

Krankschreibung
Fotolia/nmann77

Herausgegeben wird der Fehlzeitenreport 2017 vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung im Auftrag von Bundesarbeitskammer, Wirtschaftskammer Österreich und Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.

Dauer des Krankenstandes

Die unselbständig Beschäftigten waren im Jahr 2016 durchschnittlich 12,5 Tage im Krankenstand und damit um 1,3 Prozent weniger als 2015 (12,7 Tage). Als Krankenstandstage werden Kalendertage gezählt, die Statistik unterscheidet nicht zwischen Arbeits- bzw. Werktagen und Sonn- oder Feiertagen. Demnach ist die Summe der ausgewiesenen Krankenstandstage größer als die der effektiv verloren gegangenen Arbeitstage. Die Daten des Hauptverbandes eignen sich aufgrund ihrer Vollständigkeit sehr gut für einen Gesamtüberblick. Im Jahr 2016 waren 3,24 Mio. unselbständig Beschäftigte in der Statistik erfasst, das entspricht einem Anteil von 92 Prozent der unselbständig aktiv Beschäftigten in Österreich. Dazu zählen nach dem ASVG neben den Arbeiterinnen und Arbeitern sowie Angestellten auch die Vertragsbediensteten der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter. In der Krankenstandsstatistik sind allerdings die pragmatisierten Bediensteten der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen und der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter sowie die Versicherten der Krankenfürsorgeanstalten ausgenommen. Ebenso nicht erfasst werden Personen mit geringfügiger Beschäftigung sowie freien Dienstverträgen.

Betrachtet man das Krankenstandsniveau langfristig über die Zeit, ist es derzeit vergleichsweise niedrig. Die krankheitsbedingten Fehlzeiten erreichten im Jahre 1980 ihren Höchstwert (17,4 Krankenstandstage pro Kopf). 1990 weist die Statistik durchschnittlich 15,2 Tage pro Kopf aus, 2000 waren es noch 14,4 Tage. In den letzten Jahren schwankte die Zahl der Krankenstandstage pro Kopf zwischen 12,0 und 13,2 (siehe Abb. 1). Kurze Krankenstände (ein bis drei Tage) sind allerdings „untererfasst“. Das liegt daran, dass Krankenstände von Arbeitnehmenden, die sich ohne Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses (ein bis drei Tage) krankmelden dürfen, nicht in die Statistik einfließen. Aus dieser Tatsache resultiert eine Untererfassung der tatsächlich eingetretenen Kurzkrankenstandsfälle und damit auch der Gesamtzahl der Krankenstandstage. Das bedeutet, dass die tatsächliche Krankenstandquote etwas höher ist als in der Statistik ausgewiesen. Aber auch ohne eine vollständige Erfassung sind Kurzkrankenstände sehr häufig: 2016 dauerten gut 40 Prozent aller erfassten Krankenstände weniger als vier Tage. Bezogen auf die Summe der Krankenstandstage stellen Kurzkrankenstände jedoch mit 8,6 Prozent einen geringen Anteil dar. Längere Krankenstände sind selten (nur 12,3 Prozent dauern länger als zwei Wochen), verursachen jedoch mit knapp 60 Prozent einen erheblichen Anteil der Fehlzeiten. Auch wenn sich der Unterschied in der Krankenstandsquote (= Krankenstandstage in Prozent des Jahresarbeitsvolumens) nach sozialrechtlicher Stellung in den letzten Jahren verringert hat, bleibt er nach wie vor deutlich ausgeprägt. Im Jahre 2016 verbrachten die Arbeiterinnen und Arbeiter laut Statistik mit 15,4 Tagen um 47 Prozent mehr Zeit im Krankenstand als Angestellte mit durchschnittlich 10,5 Krankenstandstagen. Es ist wichtig und notwendig, sich mit Krankenständen und deren Ursachen bzw. mit möglichen sinnvollen Maßnahmen auf betrieblicher, aber auch auf überbetrieblicher Ebene zu beschäftigen, da damit nicht nur persönliches Leid von Menschen und negative Folgen für ihre Erwerbskarriere verbunden sind, sondern darüber hinaus Krankenstände für Betriebe und die Volkswirtschaft insgesamt einen hohen Kostenfaktor darstellen.

Grafik: Entwicklung der Krankenstandstage und der Versicherten sowie der Krankenstandstage je versicherte Person
Abb. 1: Entwicklung der Krankenstandstage und der Versicherten sowie der Krankenstandstage je versicherte Person Österreich Q: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, WIFO-Berechnungen. Anmerkung: Durch die Umstellung der Versicherten

Ursachen für den Rückgang von Krankenständen

Der langfristige Rückgang lässt sich nach den Autoren nicht durch einen einzelnen Faktor erklären. Eindeutig positiv zur Entwicklung haben, so Leoni und Schwinger, die Reduktion der Arbeitsunfälle und die Verschiebung der Wirtschaftsstruktur in Richtung Dienstleistungen beigetragen. Aber auch andere langfristige Trends wie die Erhöhung der Teilzeitbeschäftigung und die Zunahme von atypischen Beschäftigungsverhältnissen dürften die Krankenstandsquote gedämpft haben. Deren deutlicher Anstieg in der Statistik „Arbeitslosigkeit“ weist darauf hin, dass vor allem ältere Personen mit gesundheitlichen Problemen bei Arbeitsplatzverlust große Schwierigkeiten haben, in das aktive Erwerbsleben zurückzukehren.

Ursachen für Krankenstände

Auch die Ursachen der Krankenstände haben sich im Laufe der Zeit verändert. Heute dominieren vor allem Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems und des Atemsystems; sie verursachen zusammen rund 50 Prozent der Krankenstandsfälle und 42 Prozent aller Krankenstandstage. Der Anteil der Verletzungen an den Krankenstandsdiagnosen nahm dagegen in den vergangenen Jahrzehnten deutlich ab. Waren es 1994 noch fast 23 Prozent, so lag der Anteil 2016 bei rund 16 Prozent. Weitere Diagnosegruppen, die besonders häufige bzw. viele Krankenstandstage verursachen, sind psychische und Verhaltensstörungen sowie bestimmte infektiöse und parasitäre Krankheiten (siehe Abb. 2). Die unterschiedlichen Diagnosegruppen unterschieden sich jedoch sehr stark hinsichtlich der Länge von Krankenständen; die durchschnittliche Krankenstandsdauer von 9,8 Tagen je Fall gibt nur ein undeutliches Bild des Krankheitsgeschehens wieder. Besonders kurz fallen infektiöse und parasitäre Krankheiten (4,2 Tage), Krankheiten des Atmungssystems (5,4 Tage) sowie Krankheiten des Verdauungssystems (7,5 Tage) aus. Von den häufigeren Krankheitstypen liegen die Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems (15,8 Tage), Verletzungen und Vergiftungen (19,4 Tage) und vor allem die psychischen und Verhaltensstörungen (37,2 Tage) über dem Gesamtdurchschnitt.

Psychische Erkrankungen

Erstmals seit zehn Jahren kam es zu keinem weiteren Anstieg der Zahl der psychischen Erkrankungen in der Statistik. Seit Mitte der 1990er-Jahre hat sich die Zahl der Krankenstandstage infolge psychischer Erkrankungen, ausgehend von einem niedrigen Niveau, fast verdreifacht. Die tatsächliche Bedeutung von psychischen Problemen für das gesundheitliche Wohlbefinden lässt sich nach den Autorinnen und Autoren nur schwer aus diesen Zahlen ablesen. Einerseits hat sich die Bereitschaft von Ärztinnen und Ärzten verändert, gesundheitliche Probleme dem psychischen Bereich zuzuschreiben. Andererseits werden Krankenstände, die mitunter eine psychische Ursache haben, aufgrund ihrer Symptomatik bei der Diagnoseerfassung anderen Krankheitsgruppen zugeschrieben. Die große Bedeutung von psychischen Belastungen und Erkrankungen für die Arbeitswelt lässt sich nach Leoni und Schwinger durch andere Quellen bestätigen. Befragungen haben wiederholt aufgezeigt, dass Depression, Stress und Angsterkrankungen zu den gesundheitlichen Problemen zählen, die am häufigsten von Beschäftigten im Zusammenhang mit ihrer Erwerbstätigkeit erwähnt werden. Die Folgen von psychischen Problemen wirken sich häufig langfristig aus, und so sind psychische Erkrankungen die häufigste Ursache von Neuzugängen in die Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeitspension.

Reduzierung der Arbeitsunfälle

Die Fehlzeiten infolge von Arbeitsunfällen sind in der Krankenstandsstatistik nicht abgebildet, da diese seit einigen Jahren Arbeitsunfälle nicht als gesonderte Krankenstandsursache ausweist. Der Fehlzeitenreport 2017 bezieht sich deshalb ausschließlich auf Arbeitsunfälle (von bei der AUVA versicherten unselbständig Beschäftigten), ohne auf die damit zusammenhängenden Fehlzeiten einzugehen. Arbeitsunfälle sind weiterhin rückläufig: Waren es im Jahr 1974 in Österreich je 10.000 Versicherte noch 765 Arbeitsunfälle (inkl. Wegunfälle), reduzierte sich dieser Wert bis 1995 auf etwa 600 Unfälle. In der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre kam es zu einem weiteren, deutlichen Rückgang der Unfälle, im Jahr 2000 entfielen auf 10.000 Versicherte 455 Arbeitsunfälle. Nach Schwankungen ab dem Jahre 2000 reduzierten sich die Arbeitsunfälle ab 2008 weiter und erreichten 2016 mit 321 Unfällen den tiefsten Stand seit 1974. Anders ausgedrückt: Im Jahr 1974 waren 7,6 Prozent der unselbständig Beschäftigten von einem Arbeitsunfall betroffen, im Jahre 2016 lag die Zahl bei 3,2 Prozent. Der Anteil der Wegunfälle am gesamten Unfallgeschehen ist über die Beobachtungszeit weitgehend konstant geblieben. Langfristig betrachtet sind die Wegunfälle ähnlich wie die Arbeitsunfälle im engeren Sinne zurückgegangen (siehe Abb. 3).

Grafik: Krankenstandstage nach Krankheitsgruppen Österreich
Abb. 2: Krankenstandstage nach Krankheitsgruppen Österreich, Fehlzeitenreport Abb. 1.24 (S. 49)

Die Entwicklung der Arbeitsunfälle kann auf das Zusammenspiel mehrerer Faktoren zurückgeführt werden. Hier spielt der strukturelle Wandel in der Wirtschaft eine Rolle, der den Anteil an Arbeitsplätzen mit hohem Unfallrisiko reduziert hat. Auch die Arbeitsbedingungen haben sich durch die Veränderung der Arbeitsabläufe und vor allem durch technische Neuerungen in vielerlei Hinsicht verbessert. Überdies wurde die Reduktion der Arbeitsunfälle durch gezielte Maßnahmen im Rahmen des ArbeitnehmerInnenschutzes zur Erhöhung der Sicherheit am Arbeitsplatz gefördert. Die Arbeitswelt steht heute vor anderen Herausforderungen als noch vor 50 Jahren: Die Entwicklung hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft, Digitalisierung inklusive Einführung neuer Informations- und Kommunikationstechnologie, Entgrenzung von Arbeit, Flexibilisierung von Arbeitszeiten, die Einführung neuer Produktionsverfahren, Transnationalisierung etc. haben zu anderen Gefährdungs- und Belastungssituationen geführt. Sie spiegeln sich auch im Fehlzeitengeschehen wider und stellen die Prävention, neben weiter bestehenden erhöhten Unfallrisiken in bestimmten Branchen, auch vor neue Herausforderungen. Eine davon ist der demografische Wandel (siehe Abb. 4).

Grafik: Unfallquoten der unselbständig Beschäftigten
Abb. 3: Unfallquoten der unselbständig Beschäftigten, Fehlzeitenreport Abb. 1.26 (S. 54)

Auswirkungen demografischer und sozialpolitischer Veränderungen

Der demografische Wandel spielt für den langfristigen Trend der Krankenstandsentwicklung eine Rolle. Aktuelle Prognosen besagen, dass sich die Erwerbsbevölkerung über alle Altersstufen in den kommenden Jahrzehnten gleichmäßiger verteilen wird, was sich insbesondere in einem höheren Anteil der über 55-Jährigen niederschlagen wird (siehe Abb. 5). Der Einfluss des steigenden Anteils Älterer am Arbeitsmarkt auf die Krankenstandsquote war schon in den vergangenen Jahren spürbar.

Abbildung: Wege moderner Präventionsarbeit
Abb. 4: Wege moderner Präventionsarbeit

Obwohl die Erwerbsbeteiligung Älterer in Österreich im internationalen Vergleich nach wie vor gering ist, zeigt sich seit 1995 eine beträchtliche Steigerung: Die Erwerbsquoten der 50- bis 64-Jährigen stiegen zwischen 1995 und 2016 von 42 auf 66 Prozent, der Anteil von Personen dieser Altersgruppe an allen Erwerbstätigen erhöhte sich im gleichen Zeitraum von 15 auf 27 Prozent. Parallel zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung ist auch die Zahl der Arbeitssuchenden gestiegen, die das 50. Lebensjahr überschritten haben. Restriktionen im Zugang zur Pension haben den Druck auf Ältere am Arbeitsmarkt erhöht. Zwar liegt die Arbeitslosenquote dieser Altersgruppe nur geringfügig über der allgemeinen Arbeitslosenquote, der Anteil der Langzeitarbeitslosen ist bei den über 50-Jährigen aber deutlich erhöht. „Für ältere Arbeitskräfte, die ihren Arbeitsplatz verlieren, sind gesundheitliche Einschränkungen auch dann, wenn sie nicht der auslösende Grund für die Arbeitslosigkeit sind, ein erschwerender Faktor bei der Rückkehr in Beschäftigung. Ältere sehen sich einerseits mit dem Imperativ einer Verlängerung des Erwerbslebens konfrontiert, andererseits mit zum Teil fehlenden Rahmenbedingungen in der Arbeitswelt und auch mit weit verbreiteten Stereotypen, Rollenbildern und Erwartungshaltungen, die einer fortgesetzten Beschäftigung entgegenwirken.“ (Leoni/Schwinger 2016, S. 62) Bestrebungen, die Erwerbsbeteiligung älterer Personen zu erhöhen, wirken sich abgesehen von der Arbeitsmarktproblematik auch dahingehend aus, dass die durchschnittliche Krankenstandsquote nach oben verschoben wird.

Grafik: Krankenstands-, Erwerbs- und Arbeitslosenquote nach Alter
Abb. 6: Krankenstands-, Erwerbs- und Arbeitslosenquote nach Alter, Österreich, 2016, Fehlzeitenreport Abb. 1.13 (S. 22)

Entwicklung der Fehlzeiten nach Altersgruppen

Gemessen in Prozent des Jahresarbeitsvolumens verlaufen die Krankenstandstage über den Erwerbsverlauf bei Männern wie Frauen in einer leichten U-Form. Sie steigen ab dem 45. Lebensjahr kontinuierlich und erreichen mit rund 7 Prozent ihren Höhepunkt bei den 60- bis 64-Jährigen. Aufgrund des sogenannten Healthy-Worker-Effekts, wonach vor allem die „Gesunden“ nach Erreichen des Pensionsantrittsalters im Erwerbsleben verbleiben, sinkt die Quote in der ältesten Kohorte deutlich ab und fällt auf das Niveau der unter 20-Jährigen (siehe Abb. 6).

Grafik: Bevölkerungspyramide 2016, 2030, 2060
Abb. 5: Bevölkerungspyramide 2016, 2030, 2060

Auffallend ist, dass sich die Dimensionen Häufigkeiten der Krankenstandsfälle und Dauer der einzelnen Krankenstände bezogen auf die Altersgruppen umgekehrt proportional zueinander verhalten: Während junge Personen öfters aufgrund von Krankheit oder Unfall in der Arbeit fehlen, weisen ältere Menschen eine längere Fehlzeitendauer pro Krankenstand auf (siehe Abb. 7). So ist die Dauer eines Krankenstandsfalles bei den 60- bis 64-Jährigen im Durchschnitt mit rund 20 Tagen etwa 3,5 Mal so lang wie bei unter 25-Jährigen (5,5 Tage). Laut Fehlzeitenreport kann die überdurchschnittliche Krankheitsinzidenz in jungen Jahren neben beruflichen Belastungen erstens mit gesundheitsschädigenden Verhaltensmustern junger Menschen in Österreich zusammenhängen (z. B. risikofreudiges Verhalten, hoher Tabak- und Alkoholkonsum) und zweitens auf die Arbeitsangebotslage in den ersten Erwerbsjahren zurückzuführen sein (schwache Bindung an den Betrieb, geringes Lohnniveau, wenig Verantwortung im Unternehmen) (vgl. ebd. 2016, S. 22-23). Ein mit dem Alter steigendes Gefälle punkto Krankenstand zeigt sich zwischen Menschen in Beschäftigung und Arbeitslosen. Bei Personen ab dem 50. Lebensjahr ist es besonders deutlich: Während Beschäftigte in dieser Altersgruppe rund zwei Wochen pro Jahr im Krankenstand sind, beläuft sich die Zahl bei Arbeitslosen im gleichen Alter auf über eineinhalb Monate. Diese Auseinanderentwicklung betrifft auch weitere Faktoren der Gesundheit.

Gesundheitszustand und Alter(n)

Zwar sinkt der berichtete subjektive Gesundheitszustand mit dem Alter, Erwerbsarbeit korreliert aber grundsätzlich positiv mit Gesundheit, was auch bei der Betrachtung der älteren Beschäftigten deutlich sichtbar wird: Jene in den beiden Altersgruppen 55 bis 59 Jahre und 60 bis 64 Jahre berichten häufiger über einen sehr guten und guten (72 / 69 Prozent) und seltener über einen sehr schlechten und schlechten Gesundheitszustand (4 / 6 Prozent) als Personen in den gleichen Alterssegmenten, die nicht erwerbstätig (44 / 59 Prozent bzw. 23 / 13 Prozent) oder arbeitslos (34 bzw. 30 Prozent – keine Werte für 60- bis 64-Jährige) sind (WIFO-Berechnungen auf Basis von EU-SILC 2015, vgl. Leonie/Schwinger, S. 65-66).

Grafik: Krankenstandsfälle je versicherte Person und Krankenstandstage je Fall nach Alter und Geschlecht
Abb. 7: Krankenstandsfälle je versicherte Person und Krankenstandstage je Fall nach Alter und Geschlecht, Österreich, 2016, Fehlzeitenreport Abb. 1.15 (S. 23)
Grafik: Gesundheitliche Probleme und Einschränkungen nach Erwerbsstatus
Abb. 8: Gesundheitliche Probleme und Einschränkungen nach Erwerbsstatus, Auswahl 50- bis 64-Jährige, Fehlzeitenreport Abb. 2.3 (S. 68)

Ein ähnliches Bild zeigt sich hinsichtlich der Einschränkungen im Alltag: Auch hier geben Ältere von 50 bis 64 Jahren häufiger als Jüngere an, im Alltag stark eingeschränkt zu sein (knapp über 10 Prozent). Dieser Anteil ist wiederum bei arbeitslosen Personen um ein Vielfaches höher als bei Erwerbstätigen. Insgesamt gibt es einen mit dem Alter einhergehenden Anstieg an funktionalen Einschränkungen, die Alterskurve flacht aber mit zunehmendem Alter ab und steigt in den Altersgruppen 50 bis 64 Jahre nur mehr moderat an. Rund 25 Prozent der Erwerbstätigen und 30 Prozent der Arbeitslosen in diesem Alterssegment haben Einschränkungen in Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit, gefolgt von Personen mit Einschränkungen durch depressive Symptome (rund 10 Prozent der Erwerbstätigen und 25 Prozent der Arbeitslosen) sowie jenen mit Einschränkungen im Bereich der persönlichen Versorgung sowie des Wohn- und Lebensumfelds (rund 5 Prozent der Erwerbstätigen und 15 Prozent der Arbeitslosen) (siehe Abb. 8). Diese Durchschnittswerte dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Streuung bezogen auf den Gesundheitszustand innerhalb der Altersgruppen sehr hoch ist. „Die Varianz im gesundheitlichen Zustand zwischen gleichaltrigen Individuen steigt mit dem Alter, weil die auftretenden gesundheitlichen Probleme schwerwiegender werden und somit der ‚Abstand‘ zwischen den Gesunden und den gesundheitlich Eingeschränkten zunimmt.“ (Leonie/Schwinger, S.VI)

Differenziertes Altern

Der angeführte Befund der Streuung innerhalb von Altersgruppen gilt nicht nur für den Bereich der Gesundheit, sondern noch stärker für die Frage der Leistungsfähigkeit und Produktivität. Gesamtgesellschaftlich lassen sich keine Anhaltspunkte für negative Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Produktivitätsentwicklung finden. Auf Ebene der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zeigen sich in den meisten Studien lediglich geringe Produktivitätsunterschiede im Alter von 40 bis 60 Jahren, die nur unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeit und der Bildung von Erfahrungswissen sinnvoll interpretierbar sind. Aus diesem Grund verweisen die Autoren des Fehlzeitenreports auf das Modell des „differenzierten Alterns“, wonach Altern nicht als Abbauprozess begriffen werden darf, sondern als Prozess der Ausdifferenzierung von Stärken und Schwächen. Dabei gibt es sowohl mit dem Alter abnehmende (z. B. Seh- und Hörvermögen) und gleichbleibende (z. B. Informationsaufnahme und -verarbeitung) als auch zunehmende Fähigkeiten (z. B. Erfahrung, Genauigkeit und Zuverlässigkeit).

Alter(n) und Prävention

Um Gesundheit und Produktivität über den Erwerbsverlauf zu erhalten und zu fördern, heißt es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzubinden und aktiv gestaltend mit den Potenzialen von Alter(n), unterschiedlichen Lebensphasen und verschiedenen Generationen umzugehen. Hier bieten sich umfassende Möglichkeiten in folgenden Handlungsfeldern:

  • Unternehmens- und Führungskultur (z. B. Wertschätzung von Vielfalt sowie Abbau von Stereotypen und Vorurteilen gegenüber verschiedenen Altersgruppen
  • Personalpolitik (z. B. Aufnahmekriterien und -verfahren)
  • Wissensmanagement (z. B. Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen unterschiedlichen Generationen)
  • Qualifizierung, Kompetenz und Personalentwicklung (z. B. horizontale und vertikale Karrierewege)
  • Gesundheitsmanagement (z. B. Koordination aller Sicherheits- und Gesundheitsaktivitäten auf verhältnis- sowie verhaltensbezogener Ebene, wie etwa ArbeitnehmerInnenschutz, Betriebliche Gesundheitsförderung, Betriebliche Wiedereingliederung)
  • Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung (z. B. Arbeitszeitmodelle, Job- und Top-Sharing, ergonomisch gestaltete Arbeitsplätze)  

Insbesondere die beiden letztgenannten Handlungsfelder sind eng verbunden mit den Präventionsaufgaben der Arbeitsmedizin, der Sicherheitstechnik, der Arbeitspsychologie sowie der Betriebssoziologie und angewiesen auf deren Expertise. Um den demografischen Wandel in Betrieben umfassend, bewusst und aktiv zu gestalten, empfiehlt sich eine enge Zusammenarbeit der Präventivdienste mit der Geschäftsleitung, mit für Personal- und Personalentwicklung zuständigen Personen im Unternehmen sowie mit der Belegschaftsvertretung.

Literatur:

  • Thomas Leoni und Johanna Schwinger: Fehlzeitenreport 2017. Krankheits- und unfallbedingte Fehlzeiten in Österreich. Die alter(n)sgerechte Arbeitswelt. Wien 2017

Zusammenfassung

Der Fehlzeitenreport 2017 gibt einen Überblick über die gesundheitsbedingten Fehlzeiten in Österreich im Jahr 2016. Ein Schwerpunkt des aktuellen Reports liegt auf der alternsgerechten Arbeitswelt.


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