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Achtung Krebsgefahr

Krebsgefahr: drei Initiativen, ein Schwerpunkt

Die Plenarsitzung des Forums Prävention bot einen Überblick über die Aktivitäten, die anlässlich der EU-weiten Kampagne zum Schutz vor krebserzeugenden Arbeitsstoffen gesetzt werden.

Congress Innsbruck
Das Forum Prävention 2018 der AUVA fand heuer im Juni im Congress Innsbruck statt R. Reichhart

Die Vortragenden beim Forum Prävention hatten eine gute Nachricht für das interessierte Fachpublikum: Krebs, die Todesursache Nummer eins am Arbeitsplatz, ist vermeidbar. Wie man die Risiken richtig beurteilen und mit welchen Maßnahmen man sie minimieren kann, vermitteln drei Initiativen anlässlich des EU-Schwerpunkts zum Schutz vor gefährlichen Arbeitsstoffen. Bei der Plenarsitzung des Forums Prävention boten die ExpertInnen der AUVA, des Arbeitsinspektorats und der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) einen Überblick über ihre Aktivitäten.

Gefährliche Stoffe erkennen und handhaben

Dipl.-Ing. Dr. Elke Schneider von der EU-OSHA präsentierte die aktuelle zweijährige Kampagne „Gefährliche Arbeitsstoffe erkennen und handhaben“ ihrer Agentur, in der die Regierungen der Mitgliedstaaten sowie Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen aus allen EU-Ländern vertreten sind. Ziel der Kampagne 2018/19 ist es, ein Bewusstsein für die Risiken durch krebserzeugende und andere gefährliche Arbeitsstoffe zu schaffen und den Betrieben Hilfestellungen im Umgang mit diesen Substanzen zu bieten. Zu diesem Zweck werden praktische Instrumente und Fallstudien verbreitet.

Die nationale Koordination übernimmt ein „Focal Point“ als zentrale Anlaufstelle. In Österreich erfüllt die Sektion III Arbeitsrecht und Arbeitsinspektion des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit diese Funktion, unterstützt von Kampagnen- und Medienpartnern. Unternehmen jeder Größe und jeder Branche können sich als Partner beteiligen. Zu ihren Aufgaben zählen Bekanntmachen des Kampagnenmaterials, Mitwirkung an der Organisation von Veranstaltungen sowie Verwendung und Bewertung von Instrumenten für die Handhabung gefährlicher Arbeitsstoffe. Die Kampagnenpartner profitieren durch Vernetzung, durch EU-weite Werbung und erhalten Einladungen zu den Veranstaltungen der EU-OSHA.

Als Grund für die Initiierung der neuen Kampagne nennt Schneider das geringe Problembewusstsein. Viele ArbeitnehmerInnen in Europa sind gefährlichen Arbeitsstoffen ausgesetzt, glauben aber, sie seien nicht betroffen. „Sie wissen oft nicht, dass potenzielle Schädigungen nicht nur von chemischen Erzeugnissen ausgehen, die Gefahren- und Sicherheitshinweise tragen. Auch andere Stoffe, die in den unterschiedlichen Branchen verbreitet sind – von Mehl in Bäckereien bis hin zu Quarzstaub auf Baustellen – können ohne wirksames Risikomanagement gefährlich sein“, erklärte Schneider.

Die Chemikerin erläuterte, was unter gefährlichen Arbeitsstoffen zu verstehen ist: alle gasförmigen, flüssigen oder festen Stoffe, die eine Gefahr für Gesundheit und Sicherheit von ArbeitnehmerInnen darstellen. Dazu zählen Chemikalien, z. B. Farben, Kleber, Desinfektions- und Reinigungsmittel oder Pestizide, aber auch verfahrensbedingte Verunreinigungen wie Schweißrauch oder Dieselabgase und andere Verbrennungsprodukte. Zu den gefährlichen Naturstoffen gehören Asbest, Rohöl und seine Bestandteile ebenso wie Getreidestaub.

Schwerwiegende Folgen

Sind ArbeitnehmerInnen diesen Stoffen über eine längere Zeitspanne ausgesetzt und reichern sich schädliche Substanzen im Körper an, kann das zu Schädigungen und zur Entstehung von Krebs führen. Bereits eine kurzfristige Exposition hat mitunter schwerwiegende Folgen. Um den bestehenden rechtlichen Rahmen auszuweiten, hat die Europäische Kommission vorgeschlagen, die Exposition von ArbeitnehmerInnen gegenüber fünf weiteren krebserzeugenden chemischen Stoffen zu begrenzen und sie den 21 Stoffen hinzuzufügen, deren Verwendung schon derzeit eingeschränkt ist oder für die ein Vorschlag zur Begrenzung vorliegt.

Wie verbreitet Stoffe sind, die zu einer Schädigung der Gesundheit führen könnten, zeigt eine von der EU-OSHA in Auftrag gegebene Umfrage. „In 38 Prozent aller Unternehmen sind chemische oder biologische Stoffe präsent. Großunternehmen verwenden häufig mehr als tausend chemische Produkte. Ein einzelner Arbeitnehmer kann mit hunderten verschiedener chemischer Stoffe in Kontakt kommen. 17 Prozent der Arbeitnehmer in der EU sagen, dass sie in mindestens einem Viertel ihrer Arbeitszeit chemische Produkte oder Stoffe handhaben oder Hautkontakt mit ihnen haben. 15 Prozent atmen Rauch, Dämpfe, Pulver oder Staub ein“, fasste Schneider die Ergebnisse der Erhebung zusammen.

Um die konkrete Belastung zu bestimmen, der ArbeitnehmerInnen in einem Betrieb ausgesetzt sind, muss eine Evaluierung durchgeführt werden. Die EU-OSHA stellt die Instrumente zur Durchführung der Risikobewertung zur Verfügung. In diese sollten alle Gruppen – Arbeitgeber, Führungskräfte, Arbeitsschutzbeauftragte und ArbeitnehmerInnen – eingebunden sein. „Es müssen auch außergewöhnliche Arbeitssituationen wie Wartung oder Reparatur berücksichtigt werden“, so Schneider. Nach Vorfällen ist eine Überarbeitung und Aktualisierung notwendig. Der Arbeitgeber hat die Pflicht, die ArbeitnehmerInnen über die Ergebnisse der Evaluierung zu informieren und in der Anwendung von Präventionsmaßnahmen zu schulen.

In die Risikobewertung muss auch einbezogen werden, dass es besonders gefährdete Gruppen von ArbeitnehmerInnen gibt. Dazu gehören LeiharbeitnehmerInnen, SubauftragnehmerInnen, Reinigungskräfte, MigrantInnen, nicht geschulte oder unerfahrene MitarbeiterInnen. Jüngeren fehlt oft das Bewusstsein für bestimmte Gefahren, etwa durch Asbest – ein Stoff, der schon seit 1990 verboten ist. Frauen tragen ein höheres Risiko. Sie arbeiten häufig im Dienstleistungssektor, etwa im Gastgewerbe oder als Reinigungskräfte, wo oft nicht bedacht wird, dass ein Kontakt mit gesundheitsschädigenden Stoffen besteht.

Gefahren ermitteln, bewerten, bekämpfen

Damit kein Risiko übersehen wird, empfiehlt die EU-OSHA bei der Handhabung von gefährlichen Arbeitsstoffen ein Vorgehen in drei Schritten. Der erste, Ermittlung der Gefahren, beinhaltet laut Schneider die folgenden Maßnahmen: „Erstellen Sie eine Liste der Stoffe bzw. chemischen Produkte, die am Arbeitsplatz verwendet und erzeugt werden. Sammeln Sie Informationen über die Schäden, die sie verursachen können, und wie es zu diesen kommen kann, etwa anhand von Kennzeichen und Sicherheitsdatenblättern. Prüfen Sie, ob Karzinogene oder Mutagene verwendet werden, die strengeren Regeln unterliegen.“

In einem zweiten Schritt wird die Exposition bewertet. Nun geht es darum, zu ermitteln, wer Gefahren ausgesetzt ist, wobei man auf Reinigungs- und Wartungskräfte nicht vergessen darf. Neben Art, Intensität, Länge und Häufigkeit des Kontakts mit gefährlichen Stoffen müssen auch kombinierte Expositionen und gleichzeitig bestehende andere Gefahren, z. B. Brandrisiken, erhoben werden. Als dritter Schritt ist die Festlegung von Maßnahmen an der Reihe. Dafür wird anhand einer Gefahrenliste ein Maßnahmenplan inklusive der für seine Durchführung zuständigen Personen erstellt.

Als Hilfestellung für Unternehmen hat die EU-OSHA zu der komplexen Thematik gefährliche Arbeitsstoffe verschiedene Materialien entwickelt, die auf der Kampagnen-Website abgerufen werden können. Dazu zählen die Länderversion für Österreich eines E-Tools für die wirksame Handhabung gefährlicher Stoffe am Arbeitsplatz und eine Datenbank mit fast 700 praktischen Instrumenten und Leitfäden. Die Europäischen Wochen für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit im Oktober 2018 und 2019 sowie ein Wettbewerb für gute praktische Lösungen mit Preisverleihung im November 2019 runden das Angebot ab.

Beratung und Kontrolle

Das Arbeitsinspektorat des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz unterstützt die Kampagne der EU-OSHA mit dem Beratungs- und Kontrollschwerpunkt „Kanzerogene Arbeitsstoffe“. „Die Anzahl krebsbedingter Todesfälle in der EU wird auf 80.000 pro Jahr geschätzt – das sind mehr als neun pro Stunde. Umgerechnet auf Österreich sind das jährlich 1.800“, unterstrich Dipl.-Ing. Uta Remp-Wassermayr vom Arbeitsinspektorat die Wichtigkeit vorbeugender Maßnahmen mit alarmierenden Zahlen. 90 Prozent aller arbeitsbedingten Krebserkrankungen werden als solche nicht erkannt.

Im Rahmen des Beratungs- und Kontrollschwerpunkts sind zwei Wellen an Besuchen in Unternehmen vorgesehen. Bei der ersten Welle von September 2017 bis Juli 2018 überprüften Arbeitsinspektoren 300 Unternehmen, von denen aufgrund gesetzlich verpflichtender Untersuchungen zur Gesundheitsüberwachung bekannt ist, dass sie krebserzeugende Arbeitsstoffe wie Chrom(VI)-Verbindungen, Nickel oder Benzol verwenden. Die Ergebnisse zeigen, dass einige Maßnahmen zur Reduktion des Krebsrisikos von den meisten Betrieben umgesetzt werden, in manchen Bereichen aber Beratungsbedarf besteht.

„Die Kennzeichnung krebserzeugender Stoffe funktioniert recht gut“, äußerte sich Remp-Wassermayr zufrieden; nur in vier Prozent der untersuchten Betriebe kam es zu Beanstandungen. Informationen zu krebserzeugenden Stoffen und eine Unterweisung bei der Handhabung gab es in 98 Prozent der Unternehmen, in 85 Prozent waren die dabei vermittelten Inhalte ausreichend. Ein Hinweis auf das z. B. bei Schweißern wichtige Rauchverbot fehlte zum Teil. In Summe schnitten die Betriebe bei Rauch-, Ess- und Trinkverbot gut ab. 94 Prozent der Unternehmen hatten mindestens eine Maßnahme zur Verringerung krebserzeugender Stoffe gesetzt.

Spezielle Arbeitskleidung war fast immer vorhanden und wurde meist von der privaten Kleidung getrennt aufbewahrt, aber in fast einem Drittel der Betriebe nicht getrennt gereinigt. Ebenfalls in je rund einem Drittel der Unternehmen gab es Schwierigkeiten bei der richtigen Einschätzung der Expositionshöhe bzw. bei der Erstellung oder Verwendung von Betriebsanweisungen. Noch häufiger fehlten Verzeichnisse von gefährlichen Arbeitsstoffen und von ArbeitnehmerInnen, die mit diesen in Kontakt kommen. „Das Bewusstsein, krebserzeugende Stoffe zu ersetzen, ist oft nicht vorhanden“, kommentierte Remp-Wassermayr den mit 47 Prozent schlechtesten Wert für die Prüfung einer möglichen Substitution.

Portrait Mag. Marie Jelenko
Mag. Marie Jelenko, AUVA-Hauptstelle R. Reichhart
Portrait Dipl.-Ing. Uta Remp-Wassermayr
Dipl.-Ing. Uta Remp-Wassermayr, Arbeitsinspektorat R. Reichhart
Portrait Dipl.-Ing. Dr. Elke Schneider
Dipl.-Ing. Dr. Elke Schneider, EUOSHA R. Reichhart
Portrait Dr. Silvia Springer
Dr. Silvia Springer, AUVA-Hauptstelle R. Reichhart

Seit Juli 2018 besuchen Arbeitsinspektoren in einer zweiten Welle 300 Betriebe, bei denen keine Untersuchungspflicht durch die Arbeitsinspektion besteht. Die Auswahl erfolgte auf Basis der bei der ersten Welle gewonnenen Erkenntnisse über Stoffe, Arbeitsverfahren und Branchen. Ob die Beratung im Zuge der beiden Wellen zu Verbesserungen führt, soll eine Erfolgskontrolle zeigen. „Ein Ziel des Beratungs- und Kontrollschwerpunkts ist der Austausch von guten praktischen Lösungen“, betonte Remp-Wassermayr.

Vorbildliche Beispiele für den Umgang mit kanzerogenen Arbeitsstoffen werden aufbereitet und in der Folge allen interessierten Unternehmen zur Verfügung gestellt.

Vorbildliche Unternehmen

Drei Unternehmen, die bereits gute Lösungen entwickelt und umgesetzt haben, präsentierte Remp-Wassermayr in ihrem Vortrag. he-Technik Eisenführer, ein Unternehmen im Bereich der Metallverarbeitung, konnte die Belastung der Atemluft mit Staub und Schweißrauch durch richtige Positionierung der Absaugung stark herabsetzen. Die Absaugvorrichtungen bei Schleif- und Polierarbeiten wurden individuell an die Werkstücke angepasst. Da es zu keiner nennenswerten Einschränkung im Arbeitsprozess selbst kommt, ist die Akzeptanz bei den Arbeitnehmern für die Verwendung der Absaugung hoch.

Eine Reduktion der Schadstoffbelastung zum Teil bis unter die Bestimmungsgrenze konnte die Team Styria GmbH am Standort Kapfenberg in der Metallverarbeitung erzielen. Von den 81 Beschäftigten sind 64 der Exposition mit kanzerogenen Arbeitsstoffen in Form von Schweißrauch und Chrom(VI)- bzw. Nickelstaub ausgesetzt. Verbesserungen ergaben sich durch eine Reihe von Maßnahmen, darunter den Ersatz der mobilen Absaugungen durch eine Kombination von stationärer Absauganlage und mechanischen Lüftungsmaßnahmen, die Verwendung eines zusätzlichen Atemschutzes mit umluftunabhängigen Schweißhelmen in stark belasteten Bereichen sowie separate Spinde für Arbeits- und Privatkleidung.

Bei der Urtel Diamantwerkzeuge GmbH werden vorgepresste kobalthältige Blöcke händisch zwischen Graphitplatten gelegt, um diese zu sintern. Obwohl die Belastung der Raumluft für Cobalt und Gesamtstaub unter den Grenzwerten lag, ergab die Untersuchung von Harnproben der Mitarbeiter mehrmals stark erhöhte Werte. Nach Ausschöpfung aller technischen Möglichkeiten setzte das Unternehmen mit Erfolg verstärkt auf Arbeitshygiene, etwa mehrmals tägliches Wechseln von Handschuhen und Unterarmstulpen, gründliche Reinigung der Hände vor Pausen und Verwendung von Einmalhandtüchern anstelle eines Händetrockners.

Gib Acht, Krebsgefahr!

Die Bereitschaft, ihre ArbeitnehmerInnen vor Krebs zu schützen, ist in den heimischen Unternehmen vorhanden, allerdings fühlen sich Arbeitgeber oft nicht ausreichend informiert. Zu Beginn ihres zweijährigen Präventionsschwerpunkts zu krebserzeugenden Arbeitsstoffen mit dem Titel „Gib Acht, Krebsgefahr!“ erhob die AUVA, was die Betriebe benötigen, um effektive Maßnahmen setzen zu können. Mag. Marie Jelenko, Projektleiterin der Kampagne, fasste in der Plenarsitzung die Statements aus den Betrieben zusammen:

Ganz oben auf der Wunschliste steht ein Leitfaden zu krebserzeugenden Stoffen, von ihnen ausgehenden Gefahren, zu Grenz- und Richtwerten sowie zu Schutzmaßnahmen. Es besteht das Bedürfnis, sich einen Überblick über die gesetzlichen Verpflichtungen, etwa zu Aufzeichnungen und Meldungen, zu verschaffen. Wichtig sind auch klare Aussagen zu Dosis und Gefährlichkeit, etwa bei Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen, was durch eine enge Zusammenarbeit der AUVA mit dem Arbeitsinspektorat gewährleistet werden soll. Weiters genannt wurden Informationen zu Ersatzarbeitsstoffen, bei der Unterweisung unterstützende Unterlagen und Hilfe bei der Risikoabschätzung vor Ort.Auf Grundlage dieser Erhebung entwickelte die AUVA konkrete Serviceangebote. „Unsere Präventionsmitarbeiter führen vor Ort kostenlose Betriebsberatungen anhand eines Betriebs-Checks durch. Wir bieten themennahe Schulungen an, die im Kampagnenzeitraum von 2018 bis 2020 nur die Hälfte kosten“, erklärte Mag. Marie Jelenko. Im September und Oktober 2018 finden in Innsbruck, Graz, Bad Ischl und Wien Informationsveranstaltungen der AUVA statt, bei denen man einen Überblick über das Thema krebserzeugende Arbeitsstoffe erhält und erfährt, welche Lösungen andere Betriebe gefunden haben.

Unterstützung der Betriebe

Im Lauf der Kampagne sind noch weitere Maßnahmen zur Unterstützung der Betriebe geplant, z. B. ab 2019 die neue Schulung für ArbeitsmedizinerInnen und Sicherheitsfachkräfte „Sicherer Umgang mit krebserzeugenden Arbeitsstoffen“. Eine Vorlage für das Verzeichnis gefährlicher Arbeitsstoffe wird derzeit überarbeitet; neu dabei sind Software-Tools, die den Betrieben dabei helfen sollen, mit dem Thema systematisch umzugehen. Eine speziell für Klein- und Kleinstbetriebe gedachte Evaluierungshilfe gefährlicher Arbeitsstoffe, der dänische „KEMIguiden“, wird an die Rahmenbedingungen in Österreich angepasst und steht demnächst auf Deutsch zur Verfügung.

Eine Reihe neuer Merkblätter zu krebserzeugenden Arbeitsstoffen wurden ebenfalls entwickelt. Die M·plus-Reihe richtet sich an Arbeitgeber, Führungs- und Präventivfachkräfte und umfasst neben einer Broschüre mit umfangreichen Basisinformationen und gesetzlichen Bestimmungen weitere Merkblätter zu einzelnen Branchen und Stoffen. Allgemein verständlich formulierte Informationen für ArbeitnehmerInnen finden sich im Merkblatt M340, das in einer Leichter-Lesen-Version erschienen ist und sich daher auch für Personen, die nicht Deutsch als Muttersprache haben, eignet. Als Einstieg in die Thematik dient der Kurzfilm „Krebserzeugende Arbeitsstoffe“ der AUVA auf YouTube (www.auva.at/youtube).

Mit Hilfe der Unterstützungsmaßnahmen und Materialien soll in einem ersten Schritt das Wissen um das Vorkommen krebserzeugender Arbeitsstoffe in den Unternehmen verbessert werden. Darauf aufbauend geht es darum, konkrete Maßnahmen zu erarbeiten und umzusetzen. Jelenko wies darauf hin, dass bei Schutzmaßnahmen die Rangfolge nach dem „STOP“-Prinzip beachtet werden muss: Substitution vor technischen und danach organisatorischen Maßnahmen. Persönlicher Schutz durch Tragen einer Schutzausrüstung sollte erst nach Ausschöpfen aller anderen Möglichkeiten in Erwägung gezogen werden.

Was ist gefährlich?

Die besten Schutzmaßnahmen greifen allerdings nicht, wenn die ArbeitnehmerInnen nicht ausreichend darüber informiert sind, von welchen Stoffen welche Gefahren ausgehen und was man tun kann, um diese zu vermeiden. Dr. Silvia Springer von der AUVA-Hauptstelle betonte, wie wichtig es für alle ArbeitnehmerInnen sei, krebserzeugende Arbeitsstoffe zu erkennen. „Zugekaufte Stoffe müssen mit dem Gefahrenpiktogramm ‚Gesundheitsgefahr‘ und einem Gefahrenhinweis, der das Wort ‚Krebs‘ enthält, gekennzeichnet sein“, so Springer. Die entsprechenden Gefahrenhinweise oder „H-Sätze“ sind: „H350 Kann Krebs erzeugen“, „H350i Kann beim Einatmen Krebs erzeugen“ und „H351 Kann vermutlich Krebs erzeugen“. Schwieriger als bei zugekauften Stoffen ist es, wenn krebserzeugende Substanzen im Arbeitsprozess als Zwischen- oder Reaktionsprodukte bzw. als Emissionen entstehen, etwa Schweißrauch, Abgase von Dieselmotoren oder Nitrosamine in Kühlschmiermitteln.

Ein Risiko besteht auch durch Abfallprodukte wie Metallspäne, Holzstaub oder Lösemittelgemische. In medizinischen Einrichtungen zählen Bakterien, Pilze und Viren zu den Gefahrenquellen. Dass selbst an Arbeitsplätzen, an denen man es nicht vermuten würde, ein Krebsrisiko z. B. durch Reinigungsmittel bestehen kann, erläuterte Springer anhand eines Beispiels: In einem Kindergarten war die Luft wegen eines Putzmittels mit Formaldehyd belastet.

Die AUVA möchte mit ihrem Präventionsschwerpunkt daher alle Unternehmen ansprechen, auch wenn der Fokus auf den besonders gefährdeten Branchen liegt. Zusätzlich zu dieser Primärprävention soll eine bessere Sekundärprävention angeregt werden, bei der es um Früherkennung einer Krebserkrankung geht. Zielgruppe sind Ärzte bzw. Ärztinnen und KrankenhausmitarbeiterInnen, die berufsbedingte Krebserkrankungen häufiger melden, wenn ihnen der Zusammenhang zwischen Arbeit und bestimmten Krebserkrankungen bewusst ist.

Wie erfolgreich die AUVA mit ihrem Präventionsschwerpunkt ist, wird eine abschließende Evaluation klären. Dabei werden Ergebnisse auf drei Ebenen untersucht: Beratungs- und Schulungskompetenz der Multiplikatoren, Wissen und Kompetenz der betrieblichen Kontaktpersonen im Umgang mit krebserzeugenden Arbeitsstoffen sowie Maßnahmen, um die Exposition gegenüber krebserzeugenden Arbeitsstoffen zu reduzieren. Beurteilt werden neben Veränderungen in den Betrieben auch die jeweiligen förderlichen bzw. hinderlichen Rahmenbedingungen. Die weitere Entwicklung wird zeigen, ob das Ziel, die Zahl der beruflichen Krebserkrankungen und -toten langfristig zu reduzieren, erreicht worden ist.

Zusammenfassung

Bei der Plenarsitzung des Forums Prävention wurden die aktuellen Initiativen zum Schutz vor krebserzeugenden Arbeitsstoffen präsentiert. Auf europäischer Ebene befasst sich die Kampagne der EU-OSHA „Gefährliche Arbeitsstoffe erkennen und handhaben“ mit diesem Thema. Das Arbeitsinspektorat unterstützt die Kampagne mit seinem Beratungs- und Kontrollschwerpunkt „Kanzerogene Arbeitsstoffe“. Konkrete Hilfestellung für Betriebe bietet die AUVA mit ihrem Präventionsschwerpunkt „Gib Acht, Krebsgefahr!“.


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