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Krebs als Berufskrankheit

Lungenröntgen
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Die Diagnose Krebs trifft die meisten Menschen unvorbereitet; zur Angst um die Gesundheit kommt oft auch die Sorge um die finanzielle Absicherung. Der Wissensstand, unter welchen Bedingungen eine Krebserkrankung als Berufskrankheit anerkannt wird und welche Ansprüche sich daraus ableiten, ist unter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern meist gering. Verbreitete Irrtümer haben zu hohe Erwartungen zur Folge oder aber tragen dazu bei, dass eine Berufskrankheit nicht als solche erkannt wird, weil auf länger zurückliegende Auslöser vergessen wurde. Die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber kann Betroffene durch fundierte Informationen unterstützen.

Sollte der Verdacht bestehen, dass eine Krebserkrankung durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden ist, muss die behandelnde Ärztin bzw. der Arzt die Erkrankung an den zuständigen Unfallversicherungsträger melden. Wenn z. B. im Rahmen einer arbeitsmedizinischen Untersuchung im Betrieb eine Krebserkrankung durch den derzeitigen oder einen früheren Beruf vermutet wird, ist die Ärztin bzw. der Arzt oder die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber verpflichtet, Meldung zu erstatten. Dafür dienen die von der AUVA erstellten Formulare „Ärztliche Meldung einer Berufskrankheit“ bzw. „Meldung einer Berufskrankheit durch das Unternehmen“, die auf der Website der AUVA (www.auva.at/bk-meldung) zum Herunterladen zur Verfügung stehen. Eine Meldung durch die bzw. den Betroffenen selbst oder durch eine Interessenvertretung ist ebenfalls möglich.

Meldung ist Voraussetzung

Die Meldung ist die Voraussetzung, aber keine Garantie dafür, dass eine Krebserkrankung als Berufskrankheit anerkannt wird. Die Bedingungen für die Anerkennung als Berufskrankheit hat der Gesetzgeber in § 177 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) geregelt. In Anlage 1 sind die Erkrankungen aufgelistet, die zum Teil nur in bestimmten, zum Teil in allen Branchen als Berufskrankheiten gelten. Auch Erkrankungen, die nicht in Anlage 1 angeführt sind, können über die sogenannte Generalklausel als Berufskrankheit anerkannt werden.

„In der Liste sind 53 Berufskrankheiten aufgezählt. Durch die Generalklausel kann jede Krebserkrankung als Berufskrankheit anerkannt werden, wenn die folgenden drei Bedingungen erfüllt sind: 1. Es gibt gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zur krebserzeugenden Wirkung des Stoffes oder der Strahlung. 2. Es wird festgestellt, dass die Krankheit ausschließlich oder überwiegend durch die Verwendung schädigender Stoffe oder Strahlen am Arbeitsplatz entstanden ist. 3. Die Zustimmung des zuständigen Ministeriums liegt vor. Eine Rentenleistung wird in diesem Fall jedoch erst ab einer 50-prozentigen Minderung der Erwerbsfähigkeit gewährt“, erklärt der Arbeitsmediziner Dr. Gilbert Engin-Deniz von der AUVA-Landesstelle Wien.

Pleuramesotheliom an erster Stelle

Das durch Asbest verursachte Pleuramesotheliom (BK 27b) steht bei der Anerkennung als Berufskrankheit unter den in Anlage 1 aufgelisteten Krebserkrankungen mit Abstand an erster Stelle. Es handelt sich dabei um bösartige Neubildungen, die meist das Rippenfell, manchmal auch den Herzbeutel oder das Bauchfell befallen. Diese kommen in der Allgemeinbevölkerung extrem selten vor. Da bereits eine kurze Asbestexposition ausreicht, wird das Pleuramesotheliom auch bei kurzzeitigem beruflichen Kontakt mit Asbest als Berufskrankheit anerkannt.

Rauchen hat im Unterschied zu anderen Krebserkrankungen keinen Einfluss auf das Risiko, an einem Pleuramesotheliom zu erkranken. Die Latenzzeit beträgt 20 bis 50 Jahre oder mehr; viele Betroffene sind daher bereits in Pension, wenn die Erkrankung ausbricht. Das Erstsymptom ist meist Atemnot, die durch eine Flüssigkeitsansammlung im Brustkorb verursacht wird. Auch bei Früherkennung haben Erkrankte trotz Behandlung eine ungünstige Prognose mit einer mittleren Überlebenszeit von nur ein bis eineinhalb Jahren.

Asbest ist ein natürlich vorkommendes Mineral. Es wurde aufgrund seiner technisch günstigen Eigenschaften früher in vielen Bereichen eingesetzt. Daher können auch Personen von durch Asbestfasern verursachte Krebserkrankungen betroffen sein, bei denen der berufliche Zusammenhang nicht leicht zu erkennen ist. Dazu zählen ehemalige Feuerwehrmänner oder Hochofenarbeiter, die asbesthaltige Hitzeschutzkleidung getragen haben. Schweißer verwendeten Asbestmatten zur Abdeckung von Schweißnähten, Bodenleger arbeiteten mit asbesthaltigen Bodenbelägen, Maler mit asbesthaltigen Farben.

Prim. Dr. Barbara Machan, Ärztliche Leiterin der Abteilung für Berufskrankheiten und Arbeitsmedizin an der Rehabilitationsklinik Tobelbad, nennt das Beispiel einer 64-jährigen Frau, die an einem Pleuramesotheliom erkrankte. Recherchen in alten Versicherungsunterlagen ergaben, dass sie in den 1960er-Jahren sechs Monate lang als Sacknäherin Asbesttransportsäcke in das Format von Kartoffelsäcken umgenäht hatte. Das Pleuramesotheliom wurde als Berufskrankheit BK 27b anerkannt. Keine Anerkennung gibt es, wenn der Kontakt mit Asbest nicht im Rahmen der versicherten Tätigkeit erfolgt ist – etwa wenn die Ehefrau eines Asbestarbeiters bei der Reinigung der Berufskleidung ihres Mannes Asbestfasern eingeatmet hat.

Asbest und Rauchen: exponentielles Risiko

Asbestlungenkrebs (BK 27c) ist die zweithäufigste als Berufskrankheit anerkannte Krebsart. „Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Stand besteht eine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung – das heißt, eine geringe Asbestexposition führt zu einer moderaten Erhöhung des Lungenkrebsrisikos, eine hohe Exposition bedeutet ein hohes Risiko“, erklärt Dr. Sandra Wonisch, die bis März 2019 als Fachärztin für Arbeitsmedizin an der Rehabilitationsklinik Tobelbad tätig war. Damit bösartige Neubildungen der Lunge durch Asbest als Berufskrankheit anerkannt werden, müssen bestimmte Voraussetzungen, wie im Röntgen sichtbare Asbestplaques, ein feingeweblicher Nachweis einer Asbestose oder 20 Faserjahre, gegeben sein. Ein Faserjahr entspricht einem Jahr Tätigkeit bei einer bestimmten Belastung mit Asbestfasern. Ist die Belastung höher, können 20 Faserjahre auch in weniger als 20 Jahren erworben werden.

Die Latenzzeit bei Asbestlungenkrebs beträgt bis zu 40 Jahre. „Raucher haben ein deutlich überadditives Risiko, an dieser Krebsart zu erkranken“, betont Wonisch. Es handelt sich dabei um eine sogenannte Synkanzerogenese von Tabakrauch und Asbestfasern, also um die Verstärkung der krebserzeugenden Wirkung durch gleichzeitiges oder aufeinanderfolgendes Einwirken der beiden Stoffe. Raucherentwöhnung spielt daher eine wichtige Rolle, da das Risiko, an Asbestlungenkrebs zu erkranken, nach Beendigung des Nikotinkonsums sinkt.

Auch bei dem folgenden von Machan beschriebenen Beispiel eines 1953 geborenen Mannes handelt es sich um einen ehemaligen Raucher: Nach Abschluss der Lehre zum Kfz-Mechaniker arbeitete er als Reparaturschlosser und Schweißer. In den 1960er- und 1970er-Jahren waren bei diesen Tätigkeiten zum Teil hohe Belastungen durch Asbest gegeben, das unter anderem zur Beschichtung von Bremsbelägen, in Isolierungen, Hitzeschutzkleidung und -abdeckungen verwendet wurde. Ab 2011 nahm der Mann am Asbest-Nachsorgeprogramm der AUVA teil. Dieses beinhaltet neben anderen Angeboten wie Raucherentwöhnungsmaßnahmen regelmäßige computertomografische Untersuchungen der Lunge mit Niedrigdosis-CT bei Hochrisikopatienten zur Früherkennung von Lungenkrebs in heilbaren Frühstadien. „Als Zufallsbefund wurde im Rahmen des Screenings ein suspekter Rundherd diagnostiziert, die weitere Abklärung ergab ein Adenokarzinom des rechten Lungenoberlappens. Der Tumor konnte erfolgreich entfernt werden. Bis jetzt ist kein Rezidiv [Anm. d. Red.: Rückfall] aufgetreten“, so Machan. Aufgrund der hohen Asbeststaubexposition wurde die Tumorerkrankung als Berufskrankheit BK 27c anerkannt.

Auch bösartige Neubildungen des Kehlkopfes durch Asbest (BK 27d) finden sich in der Berufskrankheiten-Liste. Mit Pleuramesotheliom, Lungen- und Kehlkopfkrebs ist Asbest für über 86 Prozent aller als Berufskrankheit anerkannten Krebsfälle verantwortlich. Obwohl Asbest in Österreich bereits 1990 verboten wurde, muss aufgrund der langen Latenzzeiten mit einem weiteren Anstieg der Fallzahlen gerechnet werden.

Hartholzstaub verursacht Nasenkrebs

Der Staub von Hartholz steht an zweiter Stelle unter den Stoffen, die Krebs als Berufskrankheit zur Folge haben. Bei Beschäftigten holzbearbeitender und -verarbeitender Betriebe sind Adenokarzinome der Nasenhaupt- und Nasennebenhöhlen durch Staub von Hartholz (BK 45) als Berufskrankheit anerkannt. Erste Anzeichen sind unspezifische Symptome, die auch bei einem grippalen Infekt auftreten können: Behinderung der Nasenatmung, vermehrte Sekretabsonderung und leichtes Nasenbluten. „Diese Krebsart kommt in der nicht exponierten Normalbevölkerung sehr selten vor, daher ist keine bestimmte Dauer der Exposition Voraussetzung für die Anerkennung als Berufskrankheit“, so Engin-Deniz.

Wonisch schildert den Fall eines 54-jährigen Mannes, der seit 35 Jahren als Tischler arbeitet und dem Staub verschiedener Hölzer ausgesetzt ist. 2013 machten sich als erste Symptome seiner Erkrankung eine behinderte Nasenatmung links und minimales Nasenbluten bemerkbar. Bei einer Computertomographie wurde ein Adenokarzinom der linken Nasenhaupthöhle mit Infiltration der Schädelbasis festgestellt. Der Tumor konnte im Gesunden, ohne Fernmetastasen und Beteiligung der Lymphknoten, entfernt werden. Seither wurden keine Metastasen entdeckt. Der Mann ist nach wie vor als Tischler tätig.

Blasenkrebs durch aromatische Amine

Alle anderen Arbeitsstoffe, die als Berufskrankheit anerkannte Krebserkrankungen zur Folge haben können, liegen an den Fallzahlen gemessen deutlich hinter Asbest und Holzstaub. Weit abgeschlagen an dritter Stelle, noch vor Lungenkrebs durch Chrom (BK 8), rangieren Krebs oder andere Neubildungen sowie Schleimhautveränderungen der Harnwege durch aromatische Amine (BK 18). Früher waren aromatische Amine in Farbstoffen für Textilien, Leder, Holz und Kosmetika enthalten. Die Aufnahme erfolgt über die Haut und inhalativ; die Latenzzeit beträgt zehn bis über 40 Jahre.

Zu den Betroffenen zählt auch ein 75-jähriger Mann, der in den 1960er-Jahren als Maler beim Streichen von Ziegeln gegenüber Farbmischungen auf Basis von aromatischen Aminen exponiert war. Als Folge seiner langjährigen Beschäftigung in einem Eternit verarbeitenden Betrieb leidet er an Asbestose, einer durch die eingeatmeten Asbestfasern verursachten Staublungenerkrankung. 2016 wurde zusätzlich ein Harnblasenkarzinom festgestellt, das aufgrund der früheren Belastung durch aromatische Amine als Berufskrankheit BK 18 anerkannt wurde. Der Mann wurde operiert und ist seither rezidivfrei.

Quarzstaub: neu in der BK-Liste

Die letzte Erweiterung der österreichische Berufskrankheiten-Liste liegt bereits sechs Jahre zurück: Mit der ASVG-Novelle 2012 wurden mit 1.1.2013 unter anderem bösartige Neubildungen der Lunge durch die Einwirkung von kristallinem Siliziumdioxid bei Silikose als BK 26c in die Liste aufgenommen. „Bei Vorliegen einer Silikose besteht ein zwei- bis zweieinhalbfaches Lungenkrebsrisiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Quarzstaub verursacht oxidativen Stress im Gewebe. Der Körper kann das Siliziumdioxid nicht mehr loswerden, was einen chronischen Entzündungsprozess zur Folge hat“, erklärt Dr. Sandra Wonisch.

Sie beschreibt den Fall eines 66-jährigen Mannes, der 45 Jahre lang als Maschinist im Stollen quarzstaubexponiert war. 2012 stellte man bei ihm ein Adenokarzinom der Lunge ohne Beteiligung der Lymphknoten und Fernmetastasen fest, das als Berufskrankheit BK 26c anerkannt wurde. Nach einer Chemotherapie erfolgte die teilweise Entfernung des rechten Lungenflügels. Ein nach drei Jahren erneut aufgetretenes Adenokarzinom wurde zuerst mit Chemotherapie, dann mit Immuntherapie behandelt. Derzeit ist die Größe des Tumors stabil.

Anerkennung über die Generalklausel

Bevor Lungenkrebs durch kristallines Siliziumdioxid bei Silikose in die Berufskrankheiten-Liste aufgenommen wurde, konnte bei einigen Betroffenen ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Erkrankung nachgewiesen werden; diese wurde über die Generalklausel als Berufskrankheit anerkannt. Höhere Chancen für eine Anerkennung über die Generalklausel gibt es bei jenen Krebserkrankungen, die sich bereits in der mit über 80 Einträgen wesentlich umfangreicheren deutschen Berufskrankheiten-Liste finden.

In der deutschen, nicht aber in der österreichischen Berufskrankheiten-Liste enthalten sind bösartige Tumoren der Harnblase durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). Machan erinnert sich an einen Fall, bei dem bei einer durch PAK verursachten Krebserkrankung die Generalklausel zur Anwendung gekommen ist: „Ein 62-jähriger Mann war viele Jahre lang in der Kfz-Wartung tätig. Dabei hatte er intensiven Hautkontakt mit PAK-haltigem Altöl und teerhaltigem Unterbodenschutz. 2017 entdeckte man bei ihm einen bösartigen Tumor der Harnblase, der durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe verursacht worden war.“

Lungenkrebs durch PAK sollte nach Ansicht der Ärztin auch in die österreichische Liste der Berufskrankheiten aufgenommen werden, ebenso wie bösartige Tumoren der Lunge, die durch gleichzeitiges oder aufeinanderfolgendes Einwirken von PAK und Asbest verursacht worden sind. Weitere „Kandidaten“ für die Berufskrankheiten-Liste sind Eierstockkrebs durch Asbest und Lungenkrebs durch Passivrauch bei Personen, die selbst nie geraucht haben. Weißer Hautkrebs durch intensive und langjährige UV-Strahlung – etwa bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die sich beruflich viel im Freien aufhalten – gilt in Deutschland ebenso als Berufskrankheit; in Österreich nicht, allerdings ist eine Anerkennung über die Generalklausel möglich.

Arbeitsbedingte Erkrankung oder Berufskrankheit?

Hat eine an Krebs erkrankte Person am Arbeitsplatz Kontakt mit krebserzeugenden Stoffen, ist die Enttäuschung oft groß, wenn die Erkrankung nicht als Berufskrankheit anerkannt wird. Der Unterschied zwischen einer Berufskrankheit und einer arbeitsbedingten – auch als arbeitsassoziiert bezeichneten – Erkrankung: Berufskrankheiten sind ein kleiner Teil der arbeitsassoziierten Erkrankungen. Die Berufskrankheiten-Liste erfasst nicht alle in Zusammenhang mit dem Beruf stehenden Erkrankungen, sie wird durch Novellen an die jeweiligen neuen medizinischen Erkenntnisse angepasst.

Für die Aufnahme in die Berufskrankheiten-Liste muss das relative Risiko einer Erkrankung doppelt so hoch sein wie in der Allgemeinbevölkerung. Das erklärt auch, warum extrem seltene Krebserkrankungen wie das Pleuramesotheliom durch Asbest oder das Adenokarzinom der Nasenhaupt- und Nasennebenhöhlen durch Holzstaub immer als Berufskrankheiten gelten. Bei Krebserkrankungen, für die auch in der Allgemeinbevölkerung ein hohes Risiko besteht – z. B. Lungenkrebs bei Rauchern – ist die Abgrenzung zu den beruflichen Risiken und die Entscheidung über eine Aufnahme in die Berufskrankheiten-Liste oft schwierig. Sie erfordert umfassende wissenschaftliche Prüfungen mit Bewertung entsprechender epidemiologischer Studien. Die tatsächliche Anerkennung als Berufskrankheit ist erst ab Erreichen einer gewissen beruflichen Exposition möglich, z. B. nach 20 Asbestfaserjahren bei Asbestlungenkrebs.

Wie hoch die Wahrscheinlichkeit im Einzelfall ist, dass Krebs als Berufskrankheit anerkannt wird, hängt auch von der Patientin bzw. dem Patienten selbst ab. Betroffene müssen die behandelnde Ärztin bzw. den Arzt auf die berufsbedingte Exposition gegenüber krebserzeugenden Stoffen hinweisen. „Oft erkundigt sich der Arzt zwar, woran die Eltern gestorben sind und welche Kinderkrankheiten der Patient gehabt hat, aber nicht, was er gearbeitet hat. Und wenn der Arzt danach fragt, muss er den Zusammenhang zwischen Beruf und Krebserkrankung auch erkennen“, spricht Arbeitsmediziner Engin-Deniz ein verbreitetes Problem an.

Wichtig ist, nicht nur die Branche anzugeben, sondern auch die konkreten Tätigkeiten und Arbeitsstoffe. Handelt es sich dabei um noch in Verwendung befindliche gefährliche Arbeitsstoffe, sind die relevanten Informationen im Unternehmen vorhanden. Schwieriger wird es bei länger zurückliegenden Beschäftigungsverhältnissen. Die Aufzeichnungen können verloren gegangen sein, vielleicht existiert auch die Firma nicht mehr, oder der Stoff war früher nicht als krebserzeugend eingestuft.

Lange Latenzzeiten

Insbesondere bei sehr langen Latenzzeiten denkt die bzw. der Erkrankte oft gar nicht daran, dass die Ursache in einer vor Jahrzehnten ausgeübten Tätigkeit liegen könnte. Wie lange es dauert, bis man nach dem Kontakt mit einem Stoff erkrankt, ist sehr unterschiedlich. „Bei wenigen Stoffen wie Benzol tritt Krebs sehr schnell auf, bei Asbest oft erst nach 40 Jahren oder später“, nennt Engin-Deniz die Latenzzeiten von zwei in der Berufskrankheiten-Liste angeführten Stoffen. Häufig ist die bzw. der Betroffene schon in Pension, wenn die Diagnose „Krebs“ gestellt wird.

Nach der Meldung des Verdachts auf eine Berufskrankheit wird ein Feststellungsverfahren eingeleitet. Im Rahmen dieses Verfahrens holt die AUVA medizinische Befunde ein und veranlasst notwendige Untersuchungen. Falls erforderlich, erhebt der Unfallverhütungsdienst die tatsächliche Exposition, die im Rahmen der versicherten Tätigkeit stattgefunden hat. Abschließend wird ein medizinisches Gutachten erstellt und geprüft. Auf dieser Grundlage entscheidet die AUVA gemäß den gesetzlichen Vorgaben über die Anerkennung als Berufskrankheit. Im Fall einer Ablehnung kann die bzw. der Betroffene Einspruch erheben. Bei einem positiven Bescheid erhält die bzw. der Erkrankte Unterstützung, etwa eine Versehrtenrente. „Bei hundertprozentiger Minderung der Erwerbsfähigkeit kann es sich dabei um recht hohe Beträge handeln, die den Betroffenen in dieser schwierigen Situation zumindest in finanzieller Hinsicht das Leben erleichtern“, so Machan. Betroffene haben Anspruch auf Angebote der stationären medizinischen Rehabilitation, z. B. in der Abteilung für Berufskrankheiten der AUVA-Rehabilitationsklinik in Tobelbad, ebenso wie auf Versorgung mit Hilfsmitteln, beispielsweise Sauerstofflangzeittherapiesysteme oder Atemtrainingsgeräte zur Verbesserung der Sekretmobilisation. Dazu kommen Maßnahmen der sozialen Rehabilitation wie ein behindertengerechter Umbau der Wohnung.

FAQ zu krebserzeugenden Arbeitsstoffen: Die AUVA antwortet!

Im Rahmen des AUVA-Präventionsschwerpunktes "Gib Acht, Krebsgefahr!" beantworten AUVA-Expertinnen und Experten in jeder Ausgabe von "Sichere Arbeit" bis Ende 2020 häufig gestellte Leserfragen zum Thema krebserzeugende Arbeitsstoffe.

Haben auch Sie Fragen? Dann senden Sie uns diese an FAQkrebsgefahr@auva.at!

Wie können künftig Grenzwerte, welche ja auf einen 8-Stunden-Tag bezogen sind, vor dem Hintergrund des 12-Stunden-Tages beurteilt werden? Was bedeutet das für die Evaluierung?

Das Zentral-Arbeitsinspektorat hat im Februar 2019 einen Erlass zur Anpassung von Grenzwerten herausgegeben, der sich genau mit diesem Thema auseinandersetzt. Er enthält auch Berechnungsmodelle, wie Grenzwerte auf 12-Stunden-Tage angepasst werden können.

Was ist der Unterschied zwischen MAK- und TRK-Wert?

Die Konzentration von gefährlichen Arbeitsstoffen als Gas, Dampf oder Schwebstoff in der Luft am Arbeitsplatz wird mithilfe von Grenzwerten beurteilt. In Österreich gibt es zwei verschiedene Arten von Grenzwerten: die Maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK-Wert) und die Technische Richtkonzentration (TRK-Wert). Alle Grenzwerte sind in der Grenzwerteverordnung (GKV) verbindlich festgelegt. MAK-Werte sind Schwellenwerte. Werden diese unterschritten, dann sind im Allgemeinen keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten.

TRK-Werte sind keine Schwellenwerte. Sie richten sich nach der „technischen Machbarkeit“ (also der geringstmöglichen Konzentration eines Arbeitsstoffes in der Luft, die nach dem derzeitigen Stand der Technik erreicht werden kann). Auch wenn TRK-Werte eingehalten werden, kann daher keine Aussage darüber getroffen werden, ob bzw. wie wahrscheinlich eine gesundheitliche Schädigung durch den Stoff eintritt.

TRK-Werte werden nur für jene gefährlichen Arbeitsstoffe festgesetzt, für die nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft keine toxikologisch-arbeitsmedizinisch begründeten MAK-Werte aufgestellt werden können. Das trifft auf die meisten krebserzeugenden und mutagenen Arbeitsstoffe zu.

Daher gilt für Stoffe mit MAK- und TRK-Werten lt. ASchG gleichzeitig das sogenannte Minimierungsgebot.

TRK-Werte: Arbeitgeber müssen dafür sorgen, dass TRK-Werte stets möglichst weit unterschritten werden.

MAK-Werte: Arbeitgeber müssen anstreben, MAK-Werte möglichst weit zu unterschreiten.

Mehr Informationen zu Grenzwerten finden Sie auf der Website der Arbeitsinspektion: www.arbeitsinspektion.gv.at/inspektorat/Arbeitsstoffe.

Ist nur Holzstaub von Hartholzarten krebserzeugend?

Nein, alle Stäube von Hölzern, die im Anhang V der Grenzwerteverordnung (GKV) aufgezählt sind, gelten als eindeutig krebserzeugend. Derzeit sind in dieser Liste ca. 30 Holzarten aufgezählt, wobei dies nicht nur „Harthölzer“ sind. Alle anderen Holzstäube gelten als Arbeitsstoffe mit begründetem Verdacht auf krebserzeugendes Potenzial. (GKV, Anhang IIIC)

Ist Krebs aufgrund von Passivrauchen in der Gastronomie eine Berufskrankheit? Gibt es hier Anerkennungen?

Das Passivrauchen (in der Gastronomie) ist in der österreichischen Liste der Berufskrankheiten nicht enthalten. Eine Meldung als Berufskrankheit und eine Anerkennung sind jedoch nach der sogenannten „Generalklausel“ (§ 177 Abs 2 ASVG) möglich. Bisher gibt es in Österreich keinen anerkannten Fall von Lungenkrebs aufgrund von Passivrauchen.

Die Sammlung aller Fragen und Antworten zu krebserzeugenden Arbeitsstoffen können Sie auf der Webseite zum AUVA-Präventionsschwerpunkt nachlesen: www.auva.at/krebsgefahr, Menüpunkt „Häufig gestellte Fragen (FAQ)"

Zusammenfassung

Die weitaus meisten als Berufskrankheit anerkannten Krebserkrankungen werden durch Asbest und Hartholzstäube verursacht, mit Abstand folgen Chrom, aromatische Amine und Quarzstaub. Nicht in der Berufskrankheiten-Liste aufscheinende Krebsarten können über die Generalklausel anerkannt werden, allerdings müssen dafür strenge Voraussetzungen erfüllt sein. Anhand konkreter Fallbeispiele wird erläutert, unter welchen Umständen Krebs als Berufskrankheit anerkannt wird und welche Informationen, auch zu früher ausgeübten Tätigkeiten, erforderlich sind.


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