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Arbeitnehmerschutz

Ohne Schweiß kein Preis?

Hohe Schweißproduktion bei der Arbeit wird meist als Indiz für körperliche Leistung verstanden. Ein Zuviel deutet aber nur auf mangelnde Kühlleistung des Körpers hin. Um den Körper effizient bei der Kühlung zu unterstützen, gibt es physiologische Richtlinien und technische Möglichkeiten, die es zu nutzen gilt.

Warnwesten
Mit zunehmendem Flüssigkeitsverlust bei Arbeit in Hitzeexposition steigt das Unfallrisiko deutlich an. Lombardini

Friedrich Schiller schrieb einst in seinem „Lied von der Glocke“: „Von der Stirne heiß, rinnen muss der Schweiß …“ Muss er das überhaupt? Im Zuge von Hitze und körperlicher Belastung wird Flüssigkeit vom Körperkern an die Hautoberfläche gebracht, wo sie verdunsten kann und dadurch den Körper kühlt. Die Flüssigkeit bzw. der Schweiß sind essenziell notwendig, um die Körperkerntemperatur regulieren zu können. Entscheidend für die Kühlung ist ein Feuchtigkeitsfilm an der Hautoberfläche, der verdunsten kann. Sobald jedoch so viel Schweiß gebildet wird, dass er von der Hautoberfläche abtropft, ist das einer Verschwendung gleichzusetzen. Schon bei einem Flüssigkeitsverlust von mehr als zwei Prozent der Körpermasse in Form von Schweiß kann es zu Einschränkungen der körperlichen und mentalen Leistungsfähigkeit, der optischen Wachsamkeit, der visuellen Erinnerung sowie zu Gleichgewichtsstörungen kommen. Der Schluss liegt daher nahe, dass mit zunehmendem Flüssigkeitsverlust bei Arbeit in Hitzeexposition das Unfallrisiko deutlich ansteigt.

Auswirkungen des Schweißverlustes

Der Körper besteht zu rund 75 Prozent aus Wasser. Kommt es zu einem Flüssigkeitsverlust durch Höhenluft, Kälte, Durchfall etc., verändert sich das Verhältnis von festen zu flüssigen Anteilen im Blut nicht. Erfährt der Körper einen Flüssigkeitsverlust durch Schwitzen, so wird der Flüssigkeitsanteil des Bluts geringer. In diesem Fall ändert sich die Zusammensetzung des Bluts und damit die Osmolarität. Als Folge kommt es zu einer Flüssigkeitsbewegung aus dem Gewebe zurück ins Blut, wodurch sich das „flüssig-fest“-Verhältnis auch im Gewebe verändert. Das kann zu Krämpfen führen. Neben dem Flüssigkeitsverlust kommt es auch zu einem Verlust an Elektrolyten – im Wesentlichen an Natrium. Dieser Verlust ist während der Belastung möglichst frühzeitig auszugleichen, am besten durch Getränke, um die erwähnten Effekte zu verzögern bzw. zu verhindern. Nach einer Arbeit von Bob Crane (1960) kommt es zu einer beschleunigten Wasseraufnahme im Darm, wenn die Getränke unter anderem mit Glukose und Natrium angereichert werden. Diese Erkenntnisse führten zur Entwicklung der Sportgetränke. 

Ein Mangel an Natrium kann auch zur seltenen, aber gefährlichen Hyponatriämie führen. Beginnend mit leichten Symptomen wie Kopfweh und Schwindel, kann die zeitnahe zusätzliche Aufnahme von mehreren Litern Wasser zu Folgesymptomen wie Herzstillstand, Lungenödem, Gehirnödem und damit zum Tod führen. Entsprechend niedrige Blutplasmakonzentrationen (< 125 mmol/l Natrium) werden bei einem 70 kg schweren Mann schon bei einer Wasserzufuhr von 5 Litern innerhalb einer Stunde erreicht (vgl. Baker/Jeukendrup, 2014). Man spricht hier auch von einer Wasservergiftung.

Wärmebild vorher
Lombardini
Wärmebild nachher
Lombardini

Die Wärmebildkamera zeigt deutlich auf, wo ein Hitzestau auftritt (linkes Bild: vor dem Anlegen einer Kühlweste, rechtes: nach dem Anlegen)

Empfehlungen

Im Durchschnitt beträgt die Konzentration von Natrium circa 950 mg pro Liter Schweiß. Messergebnisse von Natriumkonzentration im Schweiß zeigen jedoch Unterschiede von 204 mg/l bis 2.129 mg/l (vgl. Precision Hydration, 2016). Genaue Empfehlungen für die Zufuhr von Natrium über Getränke sind schwierig, da die Natriumkonzentration im Schweiß stark genetisch bedingt ist. Sie kann bei Bedarf jedoch individuell bestimmt werden. Allgemein kann festgehalten werden, dass natriumarme Flüssigkeiten bei körperlich beanspruchender Tätigkeit unter Hitze­exposition zur Versorgung nicht geeignet sind. Die Verträglichkeit von Hitze und Belastung kann genetisch bedingt stark variieren. Der Fitnesszustand einer Person ist dabei nicht entscheidend. Trotzdem kommt es zur individuellen Akklimatisation bei Hitze. 

Neben der Konzentration von Schweiß kommt es auf die Menge des Flüssigkeitsverlusts pro Zeiteinheit an. Der Flüssigkeitsverlust wird, neben den Einflussfaktoren von körperlicher Belastung und Hitze, vor allem durch die Größe der Körperoberfläche bestimmt. Das heißt: Große, schwere Personen verlieren aufgrund der größeren Hautoberfläche auch größere Mengen an Schweiß als kleine. Laut European Food Safety Authority werden für den Mann 2,5 Liter und für die Frau 2 Liter an nichtalkoholischen Flüssigkeiten pro Tag empfohlen. Bei Aktivität, Hitze oder auch Höhenlage sind die Mengen entsprechend nach oben zu korrigieren. Im Arbeitskontext besteht jedoch keine Aufforderung, die aufgenommenen Flüssigkeitsmengen zu messen. Vielmehr zeigen Studienergebnisse (vgl. Baker/Jeukendrup, 2014), dass bei Angebot von Getränken mit entsprechendem Geschmack, Textur, Temperatur und Nachgeschmack von den einzelnen Personen intuitiv ausreichende Mengen aufgenommen werden.

Hitze loswerden, aber wie? Vorhandene Methoden

Um entstehende Hitze im Körper loszuwerden, spielt, wie erwähnt, der Flüssigkeitshaushalt im Körper eine wesentliche Rolle. Die Wärmeabfuhr kann physikalisch, aber auch von außen erfolgen. So werden in der Praxis bereits Textilien in Form von Westen, Kappen, Arm- oder Beinkühlern zum Einsatz gebracht, die Wasser speichern und den Verdunstungseffekt – ähnlich jenem an der Hautoberfläche – nutzen. Durch den Kontakt zwischen Kühltextil und Haut wird dieser ebenso Wärmeenergie entzogen und der Körper gekühlt. 

Eine weitere altbewährte Methode zur Körperkühlung ist die Verwendung eines Ventilators. Dadurch wird die vorbeistreichende Luftmenge erhöht, die Verdunstungsgeschwindigkeit an der Hautoberfläche steigt, und es kommt zum Kühleffekt. Um diesen Kühleffekt individuell an den Arbeitsplatz anpassen zu können, werden Gebläse mit integriertem Akku-Anschluss in die Kühltextilien eingearbeitet. Andere, in der Bauform sehr leichte Westen werden mit Anschlussmöglichkeiten an die Druckluft versehen und finden bereits Anwendung in der Praxis. 

Bei Umgebungsbedingungen, bei denen die Abgabe von Flüssigkeit erschwert wird (z. B. hohe Luftfeuchtigkeit oder PSA in Form eines Schutzanzuges), eignen sich alternative Systeme besser. Sogenannte „Phase Change Cooler“ (PCC) funktionieren vom Prinzip ähnlich wie Cool-Packs aus dem Gefrierschrank. Der Vorteil: Nach erfolgter Aktivierung weisen diese PCC eine definierte Temperatur auf, die zur Kühlung in der Weste über einen längeren Zeitraum genutzt werden kann. Trotz der kühlenden Elemente kommt es zu keinen lokalen Erfrierungserscheinungen auf der Haut.

Auch die chemische Forschung hat in den letzten Jahren ihren Beitrag zur besseren Körperkühlung geleistet. Spezielle Sprays wurden entwickelt, die sich zur Verwendung auf Textilien aller Art eignen und durch Verdunstung starke Kühleffekte generieren.

Welches Medium für welchen Einsatz?

Die Wahl der Methode hängt in erster Linie von den Umgebungsbedingungen des Arbeitsplatzes ab. So werden Kühlmedien, für deren Aktivierung Tiefkühlgeräte erforderlich sind, auf Straßenbaustellen und im Forst schwieriger Anwendung finden als Evaporationskühler (Textilien mit dem Prinzip der Wasserverdunstung), für die pro Weste ca. ein Liter Wasser für eine Kühlung über mehrere Stunden ausreicht. Um das Wasser gut speichern zu können, sind spezielle Gewebe/Granulate notwendig, die daher eine entsprechende Pflege der Textilien erfordern. Je nach Hersteller können auch nur Handwäsche oder spezielle Reinigungsmittel erlaubt sein. Eine entsprechende Logistik, um nach der Reinigung gleichbleibende Kühlleistungen gewährleisten zu können, ist betrieblich notwendig, um Schäden an den Kühltextilien zu vermeiden.

Bei hoher Luftfeuchtigkeit können Kühltechniken mit erhöhtem Luftstrom gut eingesetzt werden. Diese sind aber räumlich an Druckluft oder technisch an Akkumulatoren gebunden. Je nach Hitzeexposition empfiehlt es sich, unterschiedliche Applikationen einzusetzen. Je größer die Körperoberfläche, die gekühlt wird, desto besser der Effekt. In Produktionsbetrieben und am Bau eignen sich Westen und Kopfkühlung (Helm-Inlays), an Straßenbaustellen oder für Dachdecker werden aufgrund der durchzuführenden Tätigkeiten von den Herstellern Waden- bzw. Unterarmkühler empfohlen. Trotz aller technischen und physiologischen Vorteile der Kühlmedien darf auf den „Faktor Mensch“ nicht vergessen werden. So kann ein und dasselbe Produkt zu Aussagen wie „Das beste Produkt überhaupt“ oder „Völlig unnötig“ führen. Daher ist es essenziell, die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv in den Auswahlprozess mit einzubeziehen, um die Tragebereitschaft zu erhöhen.

Ausblick

Die Notwendigkeit von individuellen Kühltechniken wird künftig immer mehr an Bedeutung gewinnen und zu weiteren technischen Entwicklungen führen. Insbesondere an Outdoor-Arbeitsplätzen wird damit den Entwicklungen des Klimas aus Sicht des Arbeitnehmerschutzes Rechnung getragen.

QUELLENANGABEN:

  • Baker, L. & Jeukendrup, A. (2014). Optimal Composition of Fluid-Replacement Beverages. In Comprehensive Physiology, 4, S. 575–620.
  • Blow, A. How to estimate how much sodium you lose in your sweat. https://www.precisionhydration.com/blogs/hydration_advice/how-to-estimate-sweat-salt-loss (abgerufen 15.02.2017)

Zusammenfassung

Insbesondere bei Outdoor-Arbeitsplätzen muss nach Alternativen gesucht werden, um dem Klimawandel durch entsprechende Körperkühlung im Sinne des Arbeitnehmerschutzes Rechnung zu tragen. Verschiedene individuelle Kühltechniken stehen bereits zur Verfügung, Fachleute rechnen damit, dass ihre Zahl weiter steigen wird


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