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Krebserzeugende Arbeitsstoffe

Krebserzeugende Arbeitsstoffe: Ergebnisse des Schwerpunkts der Arbeitsinspektion

Fast 640 heimische Betriebe wurden von den Arbeitsinspektorinnen und -inspektoren zwischen Mitte 2017 und Mitte 2019 in zwei Wellen besucht, um sie verstärkt zum Thema krebserzeugende Arbeitsstoffe zu beraten und die Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften zu kontrollieren. Nun wurde Bilanz gezogen.

Arbeiter führt Inspekteur während Arbeitsinspektion herum
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Das Thema krebserzeugende Stoffe bei der Arbeit trifft viele – sei es, weil sie selbst mit diesen Stoffen arbeiten und ein Erkrankungsrisiko haben oder weil jemand aus der Familie oder dem Freundeskreis an arbeitsbedingtem Krebs erkrankt ist. Betroffen sind mehr Personen, als man denkt, da von den circa 20.000 Krebstoten jedes Jahr in Österreich ungefähr 1.800 auf arbeitsbedingten Krebs zurückzuführen sind. Demgegenüber stehen die offiziellen Zahlen von „nur“ etwa 120 anerkannten arbeitsbedingten Krebstoten. Woher kommt diese Differenz? Leider ist die Dunkelziffer sehr hoch, da Krebs meist erst Jahrzehnte nach einer Exposition auftritt, oft sogar erst im Ruhestand. Auch wird in der ärztlichen Anamnese nicht immer über mögliche Auslöser nachgefragt, und nicht alle krebserzeugenden Stoffe waren früher auch als solche bekannt. Umso wichtiger ist es, Bewusstsein zu schaffen und Maßnahmen zu setzen, um Exposition und somit die Zahl der arbeitsbedingten Krebserkrankungen in Zukunft stark zu senken. 

Zwei Wellen – ein Ziel

Um dieses Ziel zu erreichen, wurden seit 2017 auf europäischer und auch auf österreichischer Ebene viele Aktivitäten zum Thema krebserzeugende Arbeitsstoffe, nicht zuletzt durch die Arbeitsinspektion, gesetzt. Zwischen Mitte 2017 und Mitte 2019 wurden fast 640 Betriebe von Arbeitsinspektorinnen und -inspektoren besucht, um sie verstärkt zum Thema krebserzeugende Arbeitsstoffe zu beraten und die Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften zu kontrollieren. 

Der Schwerpunkt teilte sich dabei in zwei Wellen mit jeweils gleich vielen besuchten Betrieben. In der ersten Welle wurden ausschließlich Betriebe besucht, bei denen aufgrund von Untersuchungspflichten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eindeutig war, dass krebserzeugende Arbeitsstoffe verwendet werden. In der zweiten Welle wurden schwerpunktmäßig Branchen gewählt, bei denen die Wahrscheinlichkeit, dass krebserzeugende Arbeitsstoffe verwendet werden, sehr hoch ist, es aber aufgrund der verwendeten Arbeitsstoffe keine Untersuchungspflichten gibt. 

Dabei wurden auch viele der Info-Materialien des AUVA-Präventionsschwerpunktes „Gib Acht, Krebsgefahr!“ verwendet, und es fanden auch gemeinsame Informationsveranstaltungen von AUVA und Arbeitsinspektion statt. 

Kooperation, umfassende Information von Betroffenen sowie Fortbildung von Expertinnen und Experten sind einige der vielen qualitativen Ergebnisse des Schwerpunktes. Weitere Ergebnisse wie Checklisten für Betriebe, Good-Practice-Beispiele und Vorlagen für Arbeitsstoffverzeichnisse finden sich auf der Website der Arbeitsinspektion www.arbeitsinspektion.gv.at unter dem Stichwort „krebserzeugende Arbeitsstoffe“. 

Die Ergebnisse im Detail

Zusammengefasst hat der Schwerpunkt Folgendes ergeben:

  • Zu 51 Prozent werden Richtwerte eingehalten, in 39 Prozent der Fälle ist unbekannt, ob diese eingehalten werden, und in zehn Prozent werden Richtwerte überschritten.
  • Durchschnittlich sind je Arbeitsstätte 16 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegenüber krebserzeugenden Arbeitsstoffen exponiert.
  • Eine Unterweisung erfolgte in 94 Prozent der Fälle, in 73 Prozent war diese ausreichend. 
  • Arbeitskleidung wird in 83 Prozent der Fälle getrennt aufbewahrt und in 72 Prozent der Fälle durch den Arbeitgeber gereinigt.
  • Das Verzeichnis der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer war in den Betrieben der zweiten Welle (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Untersuchungspflichten) zu 38 Prozent da und nur zu 31 Prozent vollständig.

Sowohl in der ersten als auch in der zweiten Welle wusste nur jeweils die Hälfte der besuchten Betriebe, dass die Exposition ihrer Beschäftigten gegenüber krebserzeugenden Arbeitsstoffen unter dem Richtwert liegt. Da aber alle Maßnahmen, wie ausreichende Absaugung oder weitere Hygienemaßnahmen, vom Wissen um die Höhe der Exposition abhängen, ist es wesentlich, diese zu kennen. In der zweiten Welle wussten elf Prozent der Betriebe vorher nicht, dass sie krebserzeugende Arbeitsstoffe verwenden. 

Neben dem Nichtwissen um die Höhe der Exposition gibt es auch das Nichtwissen um die Zahl der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. So war in fast zehn Prozent der Betriebe nicht bekannt, wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer exponiert sind, besonders häufig in Krankenhäusern mit 20 Prozent. Oft ist es sogar im gleichen Krankenhaus von Abteilung zu Abteilung unterschiedlich, ob man weiß, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter exponiert sind. Dabei haben Krankenhäuser meist viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die gegenüber Zytostatika, chirurgischen Rauchen oder auch Formaldehyd exponiert sind. Alle anderen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber (sonstige AG) wissen „nur“ in 7,5 Prozent der Fälle nicht, wie viele Personen krebserzeugenden Arbeitsstoffen ausgesetzt sind.

Positive Auswirkungen auf den zweiten Blick erkennbar

Manche positiven Ergebnisse des Schwerpunktes sind nicht auf den ersten Blick erkennbar. So wurden in zehn Prozent der Betriebe der zweiten Welle keine krebserzeugenden Arbeitsstoffe vorgefunden. Dies sind teilweise Good-Practice-Beispiele, wie man krebserzeugende Arbeitsstoffe durch weniger gefährliche Stoffe ersetzen kann. Einiges davon verlangt enge Koordination mit anderen Betrieben. Ein Beispiel ist die Koordination zwischen Krankenhäusern oder Tierärztinnen und Tierärzten sowie Laboratorien, die die Histologie durchführen. In diesen Fällen kann Formaldehyd bei der Konservierung von gewissen Gewebeproben durch Alkohol ersetzt werden, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Labors darauf geschult sind.

Sobald die Problematik bewusst war, konnten oft durch einfache Maßnahmen erhebliche Verbesserungen erzielt werden: So wurden in einem Betrieb unnötig große Arbeitstische verkleinert, die Absaugungen umfassen nun den gesamten Arbeitsbereich. Im Idealfall konnte der krebserzeugende Arbeitsstoff völlig ersetzt werden, zum Beispiel durch Einsatz von Elektro- anstelle von Dieselstaplern.

Abschluss der Inspektion mit einem Handschlag
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Was besagen TRK-Werte?

Für die meisten krebserzeugenden Stoffe kann kein sicherer Grenzwert, bei dessen Unterschreitung keine Krebsgefahr besteht, angegeben werden. Man behilft sich mit Technischen Richtkonzentrationen (TRK-Werten). Diese sind allerdings mit einem teilweise hohen Krebsrisiko verbunden. Da die Einhaltung des TRK-Wertes nicht vor einer Krebserkrankung schützt, kommt dem Ersatz krebserzeugender Stoffe bzw. den technischen Maßnahmen höchste Bedeutung zu. Auch bei Einhaltung des TRK-Wertes besteht ein Krebsrisiko. Daher muss diese Konzentration möglichst weit unterschritten werden (Minimierungsgebot nach § 43 ASchG).

Diagramm der ersten Welle
Gut die Hälfte der Betriebe der ersten Welle wissen, dass sie Grenzwerte (GW) einhalten.
Diagramm der zweiten Welle
Fast die Hälfte der Betriebe der zweiten Welle wissen nicht um die Höhe der Exposition.
Diagramm Anzahl an exponierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
Anzahl an exponierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer während der ersten und zweiten Welle

Zusammenfassung

Die Autorin berichtet über die Erfahrungen, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitsinspektion bei rund 640 Betriebsbesuchen zum Thema krebserzeugende Arbeitsstoffe sammeln konnten. Eine zentrale Aussage: Besondere Bedeutung kommt dem Wissen des Betriebes darüber zu, wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in welchem Ausmaß exponiert sind.


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