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Nanotechnologie

Sicherer Umgang mit synthetischen Nanomaterialien am Arbeitsplatz

Die Herstellung und die Verwendung von synthetischen Nanomaterialien haben stark zugenommen. Neben den damit verbundenen Chancen gilt es aber auch die dabei auftretenden Risiken und Gefahren – insbesondere Sicherheits- und Gesundheitsrisiken für die Beschäftigten – näher zu betrachten.

Symbolbild Nanomaterial
©Mopic - stock.adobe.com

Die Herstellung und Verwendung von Nanomaterialien bzw. Nanoobjekten hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Nanomaterialien werden heute bereits in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt, da die enorme Verkleinerung der Nanoobjekte im Vergleich zu den Ursprungsmaterialien zu völlig neuen, verbesserten Produkteigenschaften führt [1, 2, 3]. Diese extrem geringe Größe der Nanoobjekte kann aber auch beträchtliche neue Risiken und Gefahren für Umwelt und Gesundheit mit sich bringen. So können die – im Vergleich zu „normal-skaligen“ Substanzen – höhere Reaktivität und Mobilität der Nanoobjekte in Kombination mit ihrer Fähigkeit, leichter in den menschlichen Körper einzudringen und sich im gesamten Organismus zu verteilen, zu einer erhöhten Toxizität führen [3]. Nanoobjekte können dabei potenziell zelltoxisch, entzündlich, erbgutschädigend, reproduktionstoxisch und krebserzeugend wirken [3].

Aufgrund der großen Anzahl sowie der heterogenen toxikologischen Eigenschaften von Nanoobjekten ist eine Risikoeinschätzung für alle derzeit vorhandenen Nanoobjekte jedoch nicht möglich [3]. Um die Chancen und Risiken von Nanomaterialien und Nanotechnologien näher zu beleuchten und ein politisch-strategisches Gesamtkonzept zu entwickeln, haben Regierungen im deutschsprachigen Raum vor ca. zehn Jahren Nano-Aktionspläne in Auftrag gegeben. Der 2010 veröffentlichte österreichische Aktionsplan Nanotechnologie basiert dabei auf den Grundsätzen des Vorsorge- und Verursacherprinzips sowie auf Transparenz und enthält einige wesentliche Aktionsfelder zum Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Eines der wichtigsten Aktionsfelder ist dabei jenes der Information. Daher wurde – quasi als Folge des Nano-Aktionsplans – die vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreute Nano-Informationsplattform ins Leben gerufen. Sie hat zum Ziel, ein qualifiziertes, ausgewogenes und für interessierte Gruppen der Zivilgesellschaft verständliches sowie transparentes Informationsangebot zu Nanomaterialien und Nanotechnologien zu etablieren und dabei die relevanten Akteure bestmöglich zu vernetzen.

Breites Einsatzspektrum

Synthetische Nanomaterialien bzw. Nanoobjekte haben ein breites Einsatzspektrum. Sie werden gezielt hergestellt, um bestimmte Effekte hervorzurufen und Produkte mit verbesserten Eigenschaften herstellen zu können. Der Begriff „Nanomaterial“ umfasst dabei „Nanoobjekte und ihre Agglomerate und Aggregate“ (NOAA), wobei ein Nanoobjekt gemäß ISO/TS 80004-2: 2015 als ein Material mit einer, zwei oder drei Dimensionen im Nanomaßstab (das ist der Größenbereich von 1 bis 100 Nanometer) definiert ist. Nanoobjekte mit einer Dimension im Nanomaßstab werden dabei als Nanoplättchen bezeichnet, solche mit zwei Dimensionen im Nanomaßstab als Nanofasern und Nanoobjekte, deren Ausdehnung in allen 3 Dimensionen im Nanomaßstab liegt, als Nanopartikel. Das weite Spektrum der Einsatzmöglichkeiten von synthetischen Nanoobjekten umfasst beispielsweise die Energieversorgung (z. B. in der Solarzellentechnik zur Erhöhung der Energieausbeute), Landwirtschaft (z. B. zur Reduktion des Einsatzes von Agrochemikalien), Umwelttechnik (z. B. Einsatz von nanoskaligen Edelmetallen wie Platin, Palladium und Rhodium in Autoabgaskatalysatoren, um den Ausstoß von Kohlenwasserstoffen, Kohlenmonoxid und Stickoxiden stärker als bisher zu senken), Medizin (z. B. Zerstörung von Tumorzellen mit magnetischen Nanoobjekten), Informations- und Sicherheitstechnik (z. B. Einsatz von Quantenpunkten (nanoskalige Halbleitermaterialien für Bildschirme, die schärfer und energieeffizienter sind als herkömmliche LCD-Bildschirme), Kunststofftechnik (z. B. zur Gewichtsreduktion und Versteifung von Sportartikeln), Kosmetika (z. B. in Sonnenschutzcremes) sowie die Lackindustrie (z. B. für kratzfeste Autolacke und Metallic-Lackierungen) [2, 3, 4].

Synthetische Nanoobjekte bzw. Nanomaterialien können anhand ihrer chemischen Zusammensetzung eingeteilt werden in Metalle und Metall-Oxide, Quantenpunkte (Quantum dots), bio-inspirierte Nanomaterialien sowie Nanomaterialien, die auf elementarem Kohlenstoff, organischen Polymeren und Zellulose basieren [5].

Abbildung 1 zeigt elektronenmikroskopische Aufnahmen sowie Modelle einiger Nanoobjekte [6]. Diese Abbildung wurde dem AUVA-Merkblatt M 310 „Nanotechnologien – Arbeits- und Gesundheitsschutz“ entnommen. Dieses bietet einen guten Überblick über Eigenschaften und potenzielle gesundheitliche Auswirkungen von Nanomaterialien und enthält Empfehlungen zum sicheren Umgang mit bzw. zur Messung von Nanomaterialien.

Sicherheits- und Gesundheitsrisiken durch synthetische Nanoobjekte

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können zusätzlich zur allgemeinen Hintergrundbelastung durch Nanoobjekte aus natürlichen und anthropogenen Quellen an ihren Arbeitsplätzen auch synthetischen sowie sogenannten „industriellen“ – Nanoobjekten ausgesetzt sein, die bei industriellen Prozessen als unerwünschte Nebenprodukte entstehen. Während jedoch industrielle Nanoobjekte (v. a. Schweißrauch sowie Verbrennungsprodukte wie Dieselruße) seit vielen Jahren eine relevante Exposition am Arbeitsplatz darstellen, die eine Vielzahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern betreffen, stehen Herstellung und Anwendung vieler synthetischer Nanoobjekte teilweise noch am Anfang [3]. Zudem können sich die Strukturen, Eigenschaften aber auch toxikologischen Wirkungen verschiedenartiger Nanoobjekte erheblich voneinander unterscheiden [3]. Daher sind die für eine Risikobewertung benötigten toxikologischen Daten zu synthetischen Nanoobjekten oftmals nur beschränkt verfügbar [3].

Die potenziellen Gesundheitsrisiken von Nanoobjekten hängen vor allem von ihrer Reaktivität, der Fähigkeit, die Körper- und Zellmembranen zu durchdringen, und ihrer z. T. relativ langen Verweilzeit im menschlichen Körper ab [3]. Gemäß den „WHO Guidelines on protecting workers from potential risks of manufactured nanomaterials“ können synthetische Nanomaterialien damit in drei Gruppen unterteilt werden [7]:

  • Nanomaterialien mit spezifischer Toxizität: Dies können Nanomaterialien mit hoher Löslichkeit sein, aber auch schwer lösliche Nanomaterialien mit hoher spezifischer Toxizität der chemischen Komponenten, aus denen sie bestehen.
  • einatembare, steife und biopersistente Nanofasern
  • granuläre biopersistente Nanopartikel, die zwar einatembar sind, jedoch nur eine geringe Löslichkeit und Toxizität aufweisen
Abbildung: Elektronenmikroskopische Aufnahmen sowie Modelle einiger Nanoobjekte
Abbildung 1: Elektronenmikroskopische Aufnahmen sowie Modelle einiger Nanoobjekte [6].

Als besonders besorgniserregend gelten dabei biopersistente (d. h. im Körper verbleibende) Nanofasern (z. B. multi-walled carbon nanotubes), da sie in Analogie zu Asbestfasern gesehen werden [2, 3].

Synthetische Nanoobjekte können auch nach dem physischen Zustand, in dem sie vorliegen, eingeteilt werden. Die drei wichtigsten physischen Zustände sind trockene Pulver, in einer Flüssigkeit suspendierte sowie physikalisch an einen Feststoff gebundene Nanoobjekte [2]. Viele synthetische Nanoobjekte (z. B. Metalle und Metall-Legierungen sowie Kohlenstoff-Nanoröhrchen) werden als trockene Pulver hergestellt. Während die Herstellung der Pulver in geschlossenen Reaktoren erfolgen kann und die entsprechenden Arbeitsplätze mit Absauganlagen ausgestattet werden können, kann es beim Hantieren und Weiterverarbeiten der Pulver zu den gewünschten Endprodukten zu einer signifikanten Freisetzung in die Umgebungsluft kommen [2]. Neben der Gefahr der Inhalation der so freigesetzten Nanoobjekte kann es damit auch zur Kontamination von Arbeitsflächen sowie der Kleidung und ggf. auch der Haut der arbeitenden Personen kommen [2].

Auch beim Hantieren mit synthetischen Nanoobjekten, die in einer Flüssigkeit suspendiert sind, bestimmt die Art der Verarbeitung das Expositionsrisiko: Speziell beim Versprühen der Suspension (z. B. zum Beschichten einer Oberfläche) ist eine Exposition von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern möglich – und zwar sowohl gegenüber dem flüssigen Aerosol, das die synthetischen Nanoobjekte enthält, aber auch gegenüber den bereits trockenen Nanoobjekten (wenn die Flüssigkeit verdampft ist) sowie gegenüber dem Dampf der Flüssigkeit [2]. Dagegen ist das Expositionsrisiko bei anderen Bearbeitungsformen – wie z. B. simplem Rühren – deutlich geringer, da dabei zumeist in geschlossenen Gefäßen gearbeitet werden kann [2].

Synthetische Nanoobjekte, die physikalisch an einen Feststoff gebunden sind – d. h. entweder in das Bulk-Material gemixt werden, wie z. B. bei Composite-Materialien, oder als gehärtete Oberflächenbeschichtung aufgetragen werden – stellen ebenfalls ein eher geringes Expositionsrisiko dar, solange die Nanoobjekte nicht durch physikalische Bearbeitung bzw. Beanspruchung des Feststoffes (z. B. durch Schleifen, Bohren, Schneiden oder aber auch durch Bewitterung) freigesetzt werden [2]

Informationen zum sicheren Umgang am Arbeitsplatz

Um einen sicheren Umgang von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit synthetischen Nanomaterialien zu gewährleisten, sollten präventiv geeignete Schutz-Maßnahmen getroffen und nano-spezifische Arbeitsplatzgrenzwerte definiert werden. Dieser präventive Ansatz ist ein wesentliches Element bei der Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. In Österreich berät die AUVA – als größter Unfallversicherungsträger – Arbeitgeber sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Fragen rund um die Sicherheit in Betrieben. Im Sinne eines qualifizierten, ausgewogenen und verständlichen Informationsangebots erstellen seit 2011 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung Unfallverhütung und Berufskrankheitenbekämpfung der AUVA gemeinsam mit externen Expertinnen und Experten Beiträge zu Nanotechnologien und Arbeitssicherheit, die im Bereich „Arbeitswelt“ der Nano-Informationsplattform (NIP, www.nanoinformation.at) veröffentlicht werden. So konnte die NIP-Arbeitsgruppe „Arbeitswelt“ letztes Jahr nicht nur einen Artikel über den aktuellen Stand zum Thema Arbeitsplatzgrenzwerte von Nanomaterialien erstellen, sondern sich auch dem Thema Nanofasern und Faserstäube widmen.

Dieses Thema weist von den klassischen Nanomaterialien auch schon in die Zukunft – nämlich in Richtung der sogenannten „Advanced Materials“, die das Thema der nächsten Sitzung der NIP-AG „Arbeitswelt“ sind. Bei der Gruppe der „Advanced Materials“ handelt es sich um Materialien mit neuen oder verbesserten Eigenschaften und einer – im Vergleich zu herkömmlichen Materialien – überlegenen Funktionalität [8]. Diese Gruppe von Materialien umfasst sowohl synthetische Nanomaterialien als auch durch Nanomaterialien verbesserte Produkte (wie z. B. mit Nanoobjekten verstärkte Composite-Materialien), aber auch Materialien außerhalb des Nanomaßstabs, deren neue bzw. verbesserte Eigenschaften auf nicht größenbasierten Merkmalen beruhen [8].

Durch die große Vielfalt an Materialien, die unter dem Begriff „Advanced Materials“ zusammengefasst sind, ergibt sich auch für die Arbeitssicherheit eine Fülle an neuen Themengebieten, die es zukünftig zu bearbeiten gilt.

Literaturverzeichnis

  • [ 1 ] Jakl T, Hanslik S, Mühlegger S, Pogany A, Pürgy R, Sušnik M, Zilberszac A, Österreichischer Aktionsplan Nanotechnologie, Wien, 2009.
  • [ 2 ] Ellenbecker MJ, Tsai CS-J, Exposure Assessment and Safety Considerations for Working with Engineered Nanoparticles, John Wiley & Sons Inc., Hoboken (New Jersey), 2015.
  • [ 3 ] Valic E, Nanopartikel. In: Vavken P, Schenk Ch, Chocholous J (Hrsg.), Ausbildung zur Sicherheitsfachkraft (6. Auflage), Band 3, 647–661, Bohmann Druck und Verlag Ges.m.b.H. & Co. KG., Wien, 2014.
  • [ 4 ] Eickhoff U, Nanotechnologie – die Themenbroschüre von GLOBAL 2000, GLOBAL 2000, Wien, 2014.
  • [ 5 ] ISO/TR 12885: 2018, Nanotechnologies – Health and safety practices in occupational settings.
  • [ 6 ] Valic E, Pürgy R, Graff A, Piringer R, AUVA-Merkblatt M 310: Nanotechnologien – Arbeits- und Gesundheitsschutz, Wien, 2012.
  • [ 7 ] WHO Guidelines on protecting workers from potential risks of manufactured nanomaterials, World Health Organization, Genf, 2017.
  • [ 8 ] Kennedy A, Brame J, Rycroft T, Wood M, Zemba V, Weiss C Jr., Hull M, Hill C, Geraci C, Linkov I, Risk Analysis, 39 (2019) No. 8, 1783–1795.

Zusammenfassung

Die Herstellung und Verwendung von synthetischen Nanomaterialien haben stark zugenommen, da diese aufgrund neuer bzw. verbesserter Eigenschaften eine Vielzahl von Hightech-Anwendungen ermöglichen. Neben den dadurch entstehenden Chancen gilt es aber auch die dabei auftretenden Gefahren näher zu betrachten. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind dabei besonders hohen Sicherheits- und Gesundheitsrisiken ausgesetzt, da sie mit freien – also nicht an eine Matrix gebundenen – Nanoobjekten in Kontakt kommen können, die leicht in den menschlichen Körper gelangen können. Um einen sicheren Umgang mit synthetischen Nanomaterialien am Arbeitsplatz zu gewährleisten, sollten präventiv geeignete Schutz-Maßnahmen getroffen, nano-spezifische Arbeitsplatzgrenzwerte definiert sowie ein qualifiziertes und verständliches Informationsangebot – wie es z. B. die Nano-Informationsplattform bietet – zur Verfügung gestellt werden.


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