Zum Hauptinhalt wechseln

Alkoholsuchtprävention im Betrieb und betriebliche Gesundheitsförderung

Wie können Synergien genutzt werden?

Bereits ein geringer oder moderater Alkoholkonsum hat einschränkende Wirkungen auf das Verhalten und die Leistungs- und Reaktionsfähigkeit und stellt am Arbeitsplatz ein erhebliches Risiko für die Arbeitssicherheit dar. Alle Bestrebungen müssen daher darauf abzielen, präventiv und vor allem frühzeitig Alkoholkonsum zu verhindern. Betriebliche Alkoholsuchtprävention ist dabei sehr gut mit betrieblicher Gesundheitsförderung kombinierbar.

Mehrere Männer, offensichtlich Geschäftsleute, prosten sich mit gefüllten Biertulpen zu
Alkoholkonsum ist in Österreich in weiten Teilen der Gesellschaft verbreitet und erfährt hohe soziale Akzeptanz.

Alkoholkonsum ist in Österreich in weiten Teilen der Gesellschaft verbreitet und erfährt hohe soziale Akzeptanz. Alkohol wird von den meisten Personen relativ konstant im Lebensverlauf konsumiert. Es gibt nur sehr wenige Personen, die im Laufe ihres Lebens gar keinen Alkohol konsumieren oder damit komplett aufhören. Trotz eines stetigen Rückgangs des durchschnittlichen Alkoholkonsums liegt Österreich heute im europäischen Spitzenfeld: 2018 konsumierte jede Österreicherin und jeder Österreicher ab 15 Jahren durchschnittlich 12 l Reinalkohol pro Jahr bzw. 25 Gramm Reinalkohol pro Tag. Diese Menge entspricht etwas mehr als einem großen Bier oder einem Viertelliter Wein [1]. Die Grenzen zwischen Genuss, Missbrauch und Abhängigkeit sind fließend. Problematischer und übermäßiger Konsum ist dabei in allen gesellschaftlichen Schichten ein großes Tabuthema. In Österreich weisen Daten darauf hin, dass 14 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher (19 % der Männer und 9 % der Frauen) Alkohol in einem Ausmaß konsumieren, das zumindest längerfristig als gesundheitsschädigend betrachtet werden kann. Rund 370.000 Menschen in Österreich gelten als alkoholkrank [2].

Alkohol – wie viel ist zu viel?

Der British Health Education Council (1983) definiert die Grenzmengen hinsichtlich der Gesundheitsrisiken bei Alkoholkonsum wie folgt ([3], siehe auch Tabelle 1): Ein täglicher Durchschnittskonsum bis 16 g Alkohol bei Frauen (das entspricht 0,4 l Bier oder 0,2 l Wein) und bis 24 g Alkohol bei Männern (das entspricht 0,6 l Bier oder 0,3 l Wein) gilt als unbedenklich. Zu beachten ist, dass diese Grenzen ausschließlich für gesunde erwachsene Menschen gelten. Für Kinder und Menschen mit Vorerkrankungen können auch schon deutlich geringere Mengen ein wesentliches Gesundheitsproblem darstellen. Zudem werden international auch niedrigere Grenzen publiziert [4]. Experten und Expertinnen empfehlen, mindestens zwei Tage in der Woche auf Alkohol zu verzichten [5].

Alkoholkonsum in der Arbeitswelt

Vor dem Hintergrund der weiten Verbreitung des riskanten bzw. gesundheitsgefährdenden Alkoholkonsums in der Bevölkerung wie auch des Missbrauchs und der Abhängigkeit gehen Schätzungen davon aus, dass 5 bis 10 % aller Beschäftigten in Unternehmen alkoholkrank sind oder riskant konsumieren [6]. Riskanter oder abhängiger Konsum kommt in allen gesellschaftlichen Schichten und auf allen betrieblichen Ebenen vor.

Bei der Entstehung von Sucht spielen sogenannte Schutz- und Risikofaktoren, die sich unter anderem auch im betrieblichen Umfeld finden, eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang ist ein Suchtmittelgebrauch auch immer in Verbindung mit der Arbeitssituation zu sehen. Arbeit kann den Menschen gesund erhalten und Betroffene dabei unterstützen, Alkohol gar nicht oder maßvoll zu konsumieren.

Arbeit kann aber auch zu einem riskanten Gesundheitsverhalten beitragen und die Entstehung von Suchterkrankungen mit verursachen oder verstärken: Die stetigen Veränderungen in der Arbeitswelt z. B. durch wachsende Verbreitung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, Beschleunigung von Arbeitsprozessen und zunehmend komplexer werdenden Arbeitsaufgaben sind nur einige Beispiele dafür, dass Menschen mit höheren Anforderungen konfrontiert und arbeitsbedingtem Stress ausgesetzt sind [7]. Die Gefahr Alkohol oder andere Substanzen als Entspannungs- oder als leistungsverstärkende Mittel einzusetzen, ist daher groß.

Als Maßnahme der Gesundheitsförderung und Suchtprävention reichen Verbote und Kontrollen nicht aus, vielmehr geht es auch um gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung, wertschätzendes Führungsverhalten und ein unterstützendes Arbeitsklima. Die Problematik beginnt aber nicht erst, wenn bereits eine Abhängigkeitserkrankung oder ein riskanter Konsum vorliegt. Unterschätzt wird oftmals, dass bereits ein geringer oder moderater Alkoholkonsum einschränkende Wirkungen auf das Verhalten und die Leistungs- und Reaktionsfähigkeit hat und am Arbeitsplatz ein erhebliches Risiko für die Arbeitssicherheit darstellt [8], [9].

Tabelle: Grenzmengen Gesundheitsrisiken bei Alkoholkonsum.
Tabelle 1: Grenzmengen Gesundheitsrisiken bei Alkoholkonsum.

Die Folgen

Schon eine geringe Alkoholisierung bewirkt eine Steigerung der Risikobereitschaft und erhöht dadurch die Unfallgefahr. Auch wenn für Österreich keine verlässlichen Statistiken vorliegen, die die Beteiligung von Alkohol bei betrieblichen Unfällen geeignet abbilden, gehen Schätzungen davon aus,

  • dass 8 bis 25 % aller Arbeitsunfälle unter Einfluss von Alkohol passieren.
  • Alkoholkranke im Durchschnitt um 25 % weniger leistungsfähig sind.
  • riskanter Konsum zu mehr Fehlzeiten und häufigeren Krankenständen führt.
  • Alkohol im Unternehmen geschätzte Kosten in der Höhe von 1,25 bis 2,5 % der gesamten Lohnsumme pro Jahr verursacht [10], [11], [12].

Riskanter und übermäßiger Alkoholkonsum verursacht dem Gesundheitssystem und den Betrieben hohe Kosten. Negative Effekte auf Fehlzeiten, Produktivität und Arbeitsunfälle sind beinahe überall in der Literatur nachgewiesen. Auch wenn in Bezug auf die Größenordnungen nur schwer eindeutige Aussagen möglich sind, berechnen europäische Studien die Kosten des Alkoholkonsums in einer Bandbreite von 0,3 % bis 5,5 % des BIP. Eine für Österreich anhand von Daten für das Jahr 2011 durchgeführte Schätzung liegt am unteren Ende dieser Bandbreite (0,3 % der BIP) [12].

Zeichnung, die den Bildtext illustriert
Ein täglicher Durchschnittskonsum bis 16 g Alkohol bei Frauen (das entspricht 0,4 l Bier oder 0,2 l Wein) und bis 24 g Alkohol bei Männern (das entspricht 0,6 l Bier oder 0,3 l Wein) gilt als unbedenklich.
Zeichnung, die den Bildtext illustriert
Experten und Expertinnen empfehlen, mindestens zwei Tage in der Woche auf Alkohol zu verzichten. © IfGP

Gibt es ein gesetzliches Alkoholverbot im Betrieb?

Alkoholkonsum ist in vielen Arbeitsbereichen, ganz besonders wenn es um das Hantieren mit Maschinen, das Steuern von Kfz oder gefährliche Tätigkeiten geht, explizit verboten. Ein generelles Alkoholverbot für alle Betriebe wird jedoch durch das Gesetz nicht festgelegt. Viele Unternehmen verfolgen allerdings die Mehrheitsposition, dass Alkohol am Arbeitsplatz fehl am Platz ist  [14], und legen den Umgang mit Alkohol im Betrieb in einer Betriebsvereinbarung fest. Außerdem verpflichtet das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, im Unternehmen für Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit zu sorgen (sog. Fürsorgepflicht; § 1157, ABGB [15]; §§ 3,6,12 ASchG [16]). Sie müssen bei der Gestaltung der Arbeitsverhältnisse unter anderem die gesundheitlichen und persönlichen Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schützen und dafür sorgen, dass sich diese keinen besonderen arbeitsbedingten Gefahren aussetzen. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verletzen ihre Fürsorgepflicht, wenn sie wissentlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berauscht arbeiten lassen.

„Schätzungen gehen davon aus, dass 5 bis 10 % aller Beschäftigten in Unternehmen alkoholkrank sind oder riskant konsumieren.“

Edith Pickl

Andererseits dürfen Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer sich und andere nicht vorsätzlich gefährden (Treuepflicht; § 15 ASchG [16]). In Bezug auf Suchtmittel haben Beschäftigte die Verpflichtung sich nicht durch Alkohol, Arzneimittel oder Suchtgift in einen Zustand zu versetzen, in dem sie sich oder andere gefährden können. In diesem Zusammenhang wird das Verhalten vor Arbeitsantritt, während der Arbeit sowie in den Pausen erfasst. Ein generelles Alkoholverbot, z. B. während einer Betriebsfeier ein Glas Sekt in der Arbeitszeit zu trinken, lässt sich daraus jedoch nicht ableiten [17].

Tabelle: Volkswirtschaftliche Kosten der Alkoholkrankheit
Tabelle 2: Volkswirtschaftliche Kosten der Alkoholkrankheit

Betriebe können einen wichtigen Beitrag zur Prävention leisten!

In allen Betrieben empfiehlt es sich, den Umgang mit Alkohol und anderen Suchtmitteln im Unternehmen in einer Betriebsvereinbarung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einheitlich zu regeln und gleichzeitig auf Aufklärung und Information zu setzen. Weiters können Betriebe einen erheblichen Beitrag leisten, wenn sie gesundheitsförderliche Arbeitsplätze schaffen. Ein gutes Betriebsklima, anerkennendes und wertschätzendes Führungsverhalten sowie eine gute Balance zwischen Unter- und Überforderung sind wesentliche Schutzfaktoren im Arbeitsumfeld und beugen auch der Entstehung von problematischem und übermäßigem Suchtmittelkonsum vor. Betriebliche Alkoholsuchtprävention ist demnach sehr gut mit betrieblicher Gesundheitsförderung kombinierbar. Die Gesundheit und das Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu verbessern steht im Mittelpunkt der betrieblichen Gesundheitsförderung und der betrieblichen Alkoholsuchtprävention.

Die Maßnahmen aus beiden Bereichen zielen darauf ab, die sozialen und persönlichen Kompetenzen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu stärken und das Verhalten, die Verhältnisse sowie die Kultur im Betrieb positiv zu beeinflussen. Gleichzeitig wird ein verantwortungsbewusster und risikoarmer Umgang mit Alkohol gefördert.

Literatur

  • [16] Arbeitnehmerinnenschutzgesetz, §§ 3,6,12,15, https://www.jusline.at/gesetz/aschg/gesamt letzter Zugriff am 23.6.2020.
  • [15] Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, § 1157 https://www.jusline.at/gesetz/abgb/paragraf/1157 letzter Zugriff am 23.6.2020.
  • [2] , [4] Anzenberger, J., Busch, M., Grabenhofer-Eggerth, A.; Hojni, M., Klein, C., Schmutterer, I., Strizek, J.& Tanios, A. (2019). Epidemiologiebericht Sucht 2019. Illegale Drogen, Alkohol und Tabak. Gesundheit Österreich, Wien.
  • [1] , [3] Bachmayer, S., Strizek, J., Hojni, M.& Uhl, A. (2020). Handbuch Alkohol – Österreich. Band 1 – Statistiken und Berechnungsgrundlagen 2019, 7. Aufl. Gesundheit Österreich, Wien.
  • [9] Badura, B., Ducki, A., Schröder, H., Klose, J., Meyer, M. (Hrsg.). Fehlzeiten-Report 2013. Verdammt zum Erfolg – die süchtige Arbeitsgesellschaft? Springer, Heidelberg, Berlin, S. 70.
  • [10] Beiglböck, W. & Fesslmayr, S. (2015). Sucht am Arbeitsplatz: Betriebliche Suchtprävention in Österreich. In Hrsg. G. P. Reissner: Drogen und Alkohol am Arbeitsplatz, Verlag Österreich, Wien, S. 1–20.
  • [13] Czypionka, T., Pock, M., Röhrling, G. & Sigl, C. (2013). Volkswirtschaftliche Effekte der Alkoholkrankheit − Eine ökonomische Analyse für Österreich, Institut für Höhere Studien, Wien. https://www.ihs.ac.at/publications/lib/IHSPR6261112.pdf. Letzter Zugriff am 22.6.2020
  • [12], [14] Leoni, T. & Uhl, A. (2016). Fehlzeitenreport 2016. Krankheits- und unfallbedingte Fehlzeiten in Österreich, Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung, Wien. http://www.wifo.ac.at/wwa/pubid/59178 letzter Zugriff am 22.6.2020.
  • [7] Mayer, M., Tropper, B. & Wallner, E. (2016). Leitfaden psychische Gesundheit. Ansatzpunkte und Gestaltungsmöglichkeiten für BGF-Verantwortliche. Hrsg. Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. Wien.
  • [11] Pietsch, F. (2012). Strategien der betrieblichen Suchtprävention in Österreich. In M. Giesert, C. Danigel, T. Reuter (Hrsg.) Sucht im Betrieb. Von der Suchtprävention zum betrieblichen Wiedereingliederungsmanagement, Verlag Hamburg, Hamburg, S. 175–183.
  • [6] Raiser, P. & Tönsmeise, C. (2019). Alkohol am Arbeitsplatz. Die Auswirkungen von Alkoholkonsum. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, Hamm https://www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/Factsheets/2019_Alkohol-am-Arbeitsplatz.pdf letzter Zugriff am 23.6.2020.
  • [8] Rehwald, R., Reineke, G., Wienemann, E. & Zinke, E. (Hrsg.) (2012). Betriebliche Suchtprävention und Suchthilfe. Ein Ratgeber, Bund Verlag GmbH, Frankfurt am Main.
  • [17] Schneeberger, K. (2015). Arbeitsrechtliche Verbote und Kontrollmöglichkeiten in Bezug auf Drogen- und Alkoholkonsum. In G.P. Reissner (Hrsg.) Drogen und Alkohol am Arbeitsplatz. Verlag Österreich. Wien. S. 21–42.
  • [5] www.dialogwoche-alkohol.at

„Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF)“ …

… geht der Frage nach, was Menschen gesund hält, und stärkt die Schutzfaktoren von Gesundheit. Ziel ist die Erhöhung der Kontrolle über die eigene Gesundheit. Getragen von gesundheitsförderlichen Arbeitsbedingungen muss die Entscheidung für einen gesunden Lebensstil die leichtere Wahl sein! Prozesshafte BGF schafft hier einen maßgeblichen Impact.

„Betriebliche Alkoholsuchtprävention“ …

… richtet sich an alle Mitarbeiter*innen im Unternehmen und beginnt nicht erst dann, wenn es bereits Probleme gibt. Sie ist im Bereich der Prävention angesiedelt und zielt darauf ab, den riskanten Konsum von Alkohol zu vermeiden, Hilfestellungen anzubieten, die das Entstehen einer Alkoholsuchterkrankung verhindern, und dort zu unterstützen, wo bereits manifeste Erkrankungen bestehen. Es geht dabei um gezielte vorbeugende Maßnahmen, die Risiken einer Suchtentwicklung am Arbeitsplatz reduzieren und gleichzeitig ein breites und individuelles Angebot für Betroffene schaffen.

Zusammenfassung

Die Autorin zeigt auf, wie betriebliche Alkoholsuchtprävention mit betrieblicher Gesundheitsförderung kombiniert werden kann: Information und Aufklärung, einheitliche Regelungen zum Umgang mit Alkohol und gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen können das Risiko einer Suchtentstehung reduzieren.


Aktuelle Ausgaben

Ausgabe 2/2024
Ausgabe 2/2024
Magazin Sichere Arbeit
Download (PDF, 5 MB)
Ausgabe 1/2024
Ausgabe 1/2024
Magazin Sichere Arbeit
Download (PDF, 5 MB)
Sonderausgabe 2/2023
Sonderausgabe 2/2023
Magazin Sichere Arbeit
Download (PDF, 8 MB)
Sichere Arbeit 6/2023
Sichere Arbeit 6/2023
Schutz bei verketteten Anlagen
Download (PDF, 5 MB)