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Virtuelle Beratung von Beschäftigten im Homeoffice

Wunsch und Realität von Online-Veranstaltungen
Abb. 1: Wunsch und Realität: Nur selten konzentrieren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Online-Veranstaltungen ausschließlich auf die gebotenen Inhalte. V. Jakl

Seminare, Besprechungen und Workshops sind während der Pandemie häufig in den digitalen Raum verlegt worden. Zoom, Skype & Co. haben Pinnwand, Flipchart & Co. abgelöst. Auch für die kommenden Jahre sollten sich Beraterinnen und Berater darauf einstellen, dass sie viele Dienstleistungen auch virtuell durchführen können. Doch nicht jede/r mag das gerne. Viele Beraterinnen und Berater fühlen sich nicht wohl vor der Kamera und haben den Eindruck, dass Online-Angebote nicht so aktivierend wirken wie Vor-Ort-Gespräche. Und damit liegen sie nicht unbedingt falsch! Bei langweiligen Webinaren ist die Aufmerksamkeit der Zuhörenden definitiv schneller weg als bei faden Präsentationen in einem Besprechungsraum. Denn online sind die Arbeitsaufgaben, E-Mails und Nachrichten nur einen Mausklick entfernt. Und im Gegensatz zum Besprechungsraum bekommen es die anderen Personen eigentlich nicht mit, wenn man sich „nebenbei still beschäftigt“. Die Toleranz für schlecht aufbereitete Dienstleistungen ist also viel geringer! 

Brainstorming
Abb. 2: Gemeinsames Brainstorming mit Mindmeister: Die Teilnehmenden werden zur aktiven Mitarbeit motiviert. V. Jakl
Gemeinsame Dokumentation
Abb. 3: Gemeinsames Dokumentieren: Dokumente oder Tabellen können beispielsweise mit Google Docs auch parallel beschrieben werden. V. Jakl
Abfragen, Quizze und Fragebögen
Abb. 4: Abfragen, Quizze und Fragebögen erhöhen die Aufmerksamkeitsspanne. V. Jakl

Digitale Dienstleistungen

Workshops, Meetings, Seminare & Co. können im digitalen Raum manchmal sogar noch besser gestaltet werden als in Besprechungszimmern. Ein Frontalvortrag bietet natürlich die Basis. Hier Anregungen für verschiedene Formate, die auch miteinander kombiniert werden können:

  1. Gemeinsames Brainstorming
    Hier tragen alle Teilnehmenden parallel ihre Antworten, Ideen oder Diskussionsergebnisse in eine Mindmap ein. So entsteht parallel & kreativ eine Übersicht über die Meinungen oder das vorhandene Wissen.
    Beispiel-Aufgabe: „Welche psychischen Belastungen kennen Sie im Homeoffice?“
    Software-Tipp: Mindmeister (siehe Abb. 2)
  2. Gemeinsames Dokumentieren
    Dokumente oder Tabellen können auch parallel beschrieben werden. Das bietet den großen Vorteil der Übersichtlichkeit und Zeitersparnis für die spätere Dokumentation im Vergleich zu einer analogen Veranstaltung.
    Beispiel-Aufgabe: „Dokumentieren Sie in Ihrer Kleingruppe, welche Maßnahmen Sie der Geschäftsleitung empfehlen würden.“
    Software-Tipps: Google Docs (siehe Abb. 3).
  3. Abfragen, Quizze und Fragebögen
    Solche Tests oder Einschätzungen sind vielfältig einsetzbar. Hier ein paar Anregungen:
    a) zur Aktivierung („Von wo aus sind Sie heute mit dabei?“)
    b) fachliche Wissensabfrage/Quiz („Bei welchen Arbeiten benötigen Sie keine Handschuhe?“)
    c) persönlicher Erfahrungsaustausch („Wie sehr mögen Sie Ihr Homeoffice auf einer Skala von 1 bis 10?“)
    d) Selbsteinschätzung/Messverfahren („Meine Belastungen am Arbeitsplatz“)
    Software-Tipps: direkt im Chat, Google Forms, AnswerGarden, Kommentieren-Funktion in Zoom (auf vorbereiteter Folie), Abstimmungs-Funktion bei vielen Videokonferenz-Tools (siehe Abb. 4)
  4. Virtuelle Kleingruppenarbeit
    Diese sind oft das Highlight bei Workshops oder auch zwischendurch bei längeren Besprechungen. Sie können diese optimal einsetzen für:
    a) ​Aufwärm-Übungen, um auch Technik zu testen („Nennen Sie 3 Dinge, über die Sie sich diese Woche schon gefreut haben. Sie haben drei Minuten Zeit.“)
    b) Kennenlern-Übungen zum Start einer längeren Zusammenarbeit (z. B. bei Projektgruppen)
    c) Diskussionen über eigene Erfahrungen zwischendurch („Nehmen Sie sich zehn Minuten und besprechen Sie in der Gruppen, ob Sie diese Situation aus dem eigenen Arbeitsalltag kennen.“)
    d) Brainstorming zum Thema („Welche Maßnahmen wären hier hilfreich?“)
    e) konkrete Übungsaufgaben („Probieren Sie paarweise den Leitfaden aus und interviewen Sie sich damit gegenseitig.“)
  5. Pausen
    Diese sind online fast noch wichtiger als in einem physischen Raum, da ansonsten Ablenkung und Monotonie schneller einsetzen. Machen Sie deshalb mindestens alle 90 Minuten eine bewusste Pause. Dabei können folgende Formate abwechselnd verwendet werden, was vor allem bei Ganztags-Formaten spannend ist:
    a) gemeinsame Bewegung
    b) „echte“ Pause, eventuell mit Musik-Untermalung durch Übertragung Ihres Computer-Tons
    c) längere Pause vom Frontalunterricht für Einzelarbeit (z. B.: Unterlagen lesen, Lektionen in einer Online-Bibliothek anschauen, ein Beispiel erarbeiten, längeren Fragebogen ausfüllen …)
    d) Informelles Plaudern ist vor allem bei längeren Unterbrechungen wie der Mittagspause nett. So können sich die Teilnehmenden austauschen und mit unterschiedlichen Personen plaudern, wie sie es auch in einer Kaffeeküche machen würden.
    Software-Tipp: wonder.me
Online-Wissensbibliothek
Abb. 5: Online-Wissensbibliotheken sorgen für eine gezielte, individuelle Vertiefung des Vorwissens V. Jakl

Transfer-Übungen

Der Übergang von der Theorie in den Arbeitsalltag ist oft die größte Herausforderung bei Unterweisungen, Seminaren und anderen Wissensvermittlungen. Hier ein paar Tipps, die online sehr gut funktionieren:

  • bewusste Fragen zu dieser Phase stellen und von den Teilnehmenden im Plenum beantworten lassen („Wie werden Sie das im Alltag anwenden? Welche Hindernisse könnten dabei entstehen? Wie werden Sie damit umgehen?“)
  • Übungen im Webinar zur Anwendung des gelernten Wissens. Das ist paarweise oder in Kleingruppen bis vier Personen oft am hilfreichsten.
  • Download von Unterlagen oder des Protokolls für später (am besten direktes Teilen im Chat mit allen Teilnehmenden. So ersparen Sie sich später ein E-Mail und das Suchen der Kontaktdaten.)
  • Teilnehmende einen „Vertrag mit sich selbst“ schreiben lassen
  • Stellen Sie eine Online-Wissensbibliothek zur Verfügung für eine gezielte, individuelle Vertiefung des Vorwissens. So können sich die Teilnehmenden das Wissen abholen, welches sie brauchen, z. B. um das Lernziel zu erreichen, einen Wissenstest zu schaffen oder um sich für eine Gruppenarbeit vorzubereiten. (Abb. 5)

Teilnehmende in ihrem privaten Umfeld

Wenn Sie mit Beschäftigten im Homeoffice arbeiten, dann sind diese in ihrem privaten Umfeld. Das kann zu folgenden Herausforderungen führen:

1. Teilnehmende wollen Kamera nicht anschalten. 

Ob es üblich ist oder nicht, die Kamera zu aktivieren, ist sehr unterschiedlich in Organisationen bzw. auch zwischen Teams. Aktive Kamera bei den Teilnehmenden hilft Ihnen einzuschätzen, wie das Gesagte ankommt, ob Pausen gebraucht werden und mehr. Bei einer Offline-Veranstaltung würden Sie ja auch ungerne mit verbundenen Augen arbeiten, oder? Um möglichst viele Teilnehmende dazu zu bringen, die Kamera zu aktivieren, hilft Folgendes:

  • aktive Kamera als Standard-Einstellung voreinstellen (möglich z. B. bei Zoom)
  • schon in der Einladung darauf hinweisen, dass es gewünscht wird
  • beim Eintritt der Teilnehmenden in den Raum diese begrüßen und technisch unterstützen („Schön, dass Sie da sind. Testen Sie jetzt schon Ihr Mikrofon und Ihre Kamera. Wir werden dies nachher brauchen für die gemeinsame Arbeit. Sie finden diese Einstellungen unter …“)
  • explizit nachfragen, wenn Personen die Kamera nicht anschalten („Darf ich fragen: Haben Sie gerade keine Kamera? Denn es wäre super, wenn wir uns alle gegenseitig sehen können.“)

2. Teilnehmende sind nicht ungestört.

Wenn Personen von zu Hause aus arbeiten, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie kein eigenes Arbeitszimmer haben, sondern in Küche, Wohnzimmer oder im Schlafzimmer arbeiten. Sollten dann noch andere Personen zu Hause sein, ist dies gerade bei persönlichen Themen oft unangenehm (z. B. psychische Belastungen, Burnout, Teamkonflikte …). Machen Sie deshalb bereits in der Einladung klar, worum es gehen wird und dass ungestörte Gespräche wichtig wären. Ein Headset ist in diesem Fall das absolute Minimum, um ungestört zuhören zu können.

3. Teilnehmende haben eine schlechte Internetverbindung.

Dies kann natürlich auch bei Personen vorkommen, die im Büro sitzen, aber im Homeoffice ist dies tendenziell häufiger der Fall. Wenn Ihnen dies auffällt durch eine schlechte Bild- oder Tonqualität, sprechen Sie es gleich an, denn es kann sein, dass es die Teilnehmenden selbst gerade nicht bemerken, wenn sie im Redefluss sind.

Tipps für einen spannenden Online-Auftritt
Abb. 6: Tipps für einen spannenden Online-Auftritt V. Jakl

Tipps für einen spannenden Online-Auftritt:

  • Halten Sie möglichst häufig Augenkontakt. Virtuell heißt das: In die Kamera schauen, nicht auf den Bildschirm mit den Videos der Teilnehmenden!
  • Bitten Sie die Teilnehmenden dennoch ihr Video einzuschalten, damit Sie sich zwischendurch visuelles Feedback holen können (Lächeln, Kopfschütteln …).
  • Achten Sie auf eine gute Audioqualität und verwenden Sie ein Headset. So erzeugen Sie sicher kein Echo und sind gut verständlich.
  • Arbeiten Sie stehend für mehr Präsenz. Ideal ist dafür ein Sitz-Steh-Schreibtisch.
  • Achten Sie auf gute Sichtbarkeit von sich und Ihren Unterlagen. Schreiben Sie nur auf Flipcharts oder Papier, wenn die Kamera sehr nah dran ist.
Hybride Veranstaltung
Abb. 7: Hybride Veranstaltung: Die Teilnehmenden haben einander im Blick – ob physisch anwesend oder online zugeschaltet. Auch die oder der Vortragende kann alle sehen. V. Jakl

Die Zukunft ist hybrid

Wir müssen uns darauf einstellen, dass in den kommenden Jahren immer wieder Veranstaltungen, Besprechungen und Workshops hybrid stattfinden werden. Das heißt, dass einige Teilnehmende vor Ort und andere virtuell dabei sind. Die größten Herausforderungen sind dabei: 

  1. Audio- und Videoqualität von denjenigen sicherstellen, die im Besprechungsraum sitzen: Häufig ist maximal eine kleine Kamera im Besprechungsraum vorhanden (vielleicht sogar nur auf einem Laptop). Dann sind die Personen, die vor Ort mit dabei sind, aber häufig nicht alle sichtbar für die Online-Teilnehmenden. Deshalb sind in Besprechungsräumen fix installierte Weitwinkel-Kameras hilfreich, die auch zoomen können, um gegebenenfalls einzelne Personen (wie die sprechende Person) größer darzustellen. Und auch für eine gute Audioqualität braucht es mehr als nur Lautsprecher, die am Laptop angebracht werden. Denn das führt schnell zu einem Echo oder einer unangenehmen Rückkoppelung. In Besprechungszimmern bietet sich deshalb eine Freisprecheinrichtung („Telefonspinne“) an, die man oft noch aus Telefonkonferenz-Zeiten kennt. So sind alle Personen im Raum gut verständlich für die Online-Teilnehmenden.
  2. Interaktion zwischen online und offline Teilnehmenden ermöglichen: Bei hybriden Meetings besteht die Gefahr, dass die offline Teilnehmenden sich nebenbei unterhalten und die online Teilnehmenden sich im Chat nebenbei austauschen. Eine gute Moderation berücksichtigt die unterschiedlichen Zugänge und überlegt sich vorab, wie eine Interaktion entstehen kann. Bei längeren Workshops oder Seminaren empfiehlt sich eine Plattform, die sowohl im Besprechungsraum (am Smartphone) als auch online (im Browser) gut genutzt werden kann. Dort können dann Abstimmungen stattfinden, Unterlagen können gemeinsam angeschaut werden und Texte können geteilt werden. Für Kleingruppenarbeiten, die zwischen online und offline Teilnehmenden stattfinden sollen, werden Laptops für jede Kleingruppe benötigt.
    Software-Tipp für Abstimmungen: Slido, Mentimeter
    Spezial-Software-Tipp: VOXR (für Einblenden von Tagesordnung, Live-Abstimmungen, Versenden von Links … siehe Abb. 8)
  3. Moderation, die alle Teilnehmenden gleichberechtigt miteinbezieht: Neben der technischen Ausstattung ist es auch extrem wichtig, dass die Moderation bei hybriden Veranstaltungen gleichberechtigt auf alle Teilnehmenden eingeht. Nichts ist mühsamer, als wenn die Moderation auch offline im Raum steht und alle Offline-Wortmeldungen oder Fragen zuerst bearbeitet, bevor sie in den Chat oder zu den online Teilnehmenden schaut. Das passiert seltener, wenn auch die Moderation „nur“ online dabei ist. 
Smartphone in Verwendung bei einem Workshop
Abb. 8: Bei längeren Workshops oder Seminaren empfiehlt sich eine Plattform, die sowohl im Besprechungsraum (am Smartphone) als auch online (im Browser) gut genutzt werden kann. V. Jakl

Fazit

Diese neue Beratungswelt mit virtuellen und hybriden Dienstleistungen ist für viele Präventionsexpertinnen und -experten immer noch Neuland. Probieren Sie daher immer nur ein neues Feature pro Veranstaltung aus. Wenn Sie noch nie ein Webinar gehalten haben, dann gewöhnen Sie sich zuerst an das Vortragen vor einer Kamera und richten Sie Ihren Desktop so ein, dass Sie alles Wichtige im Blick haben. Dann können Sie beim nächsten Mal den Chat für Fragen zwischendurch einbinden. Wenn Sie Vortrag & Chat parallel überblicken, dann können Sie weitere Methoden einbauen (Abstimmung, Kleingruppen-Übung oder gemeinsame Dokumentation). Denken Sie daran: Weniger Tools, dafür aber eine selbstbewusste Moderation sind immer besser als viele verschiedene Tools, die Sie jedoch nicht beherrschen.

Podcast-Tipp

„Pioniere der Prävention“ ist ein Podcast für betriebliche Präventionsfachkräfte, die wirklich etwas bewegen wollen. In Episode 6 hören Sie, wie Sie auch online überzeugend wirken können. Verfügbar auf allen Plattformen.

Zusammenfassung

Die Autorin gibt Tipps aus der eigenen praktischen Arbeit, wie Präventionsfachkräfte auch Personen im Homeoffice gut erreichen können bzw. wie hybride Webinare und Unterweisungen gut gestaltet werden können.


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