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Dacharbeiten

Sichere Montagevon Photovoltaikanlagen

Unfälle bei Arbeiten auf dem Dach haben oft schwerwiegende Folgen. Schutzmaßnahmen helfen, das Risiko eines Absturzes oder Durchsturzes zu verringern.

Sichere Montage von Photovoltaikanlagen
© Adobe Stock

Mit dem Strompreis ist auch die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen gestiegen. Um den Bedarf abzudecken, übernehmen zunehmend Arbeitnehmer:innen ohne spezifische Dachausbildung, z. B. Elektriker:innen, die Montage der Anlagen. Dabei werden die Risiken der Arbeit auf dem Dach oft unterschätzt. In vielen Fällen fehlt das Risikobewusstsein, welche Dächer und Dachelemente nicht durchbruchsicher sind. „Absturz und Durchsturz, z. B. durch Lichtkuppeln oder -platten, sind die häufigsten Unfallursachen bei Dacharbeiten, aber auch klassische Wellasbestzementdächer sind ohne Unterbau nicht durchbruchsicher“, so DI Ernest Stühlinger, Fachkundiges Organ Bau, von der Abteilung für Unfallverhütung und Berufskrankheitenbekämpfung der AUVA.

Die AUVA hat sich zum Ziel gesetzt, mit einem Schwerpunkt zu Photovoltaik auf die Gefahren hinzuweisen. Im Rahmen des Blogs „Sicheres Wissen. Der Info-Blog für Prävention am Arbeitsplatz“ widmet sich die Seite „Sichere Montage von Photovoltaikanlagen“ (https://sichereswissen.info/photovoltaik) diesem Thema. Auf der Seite, die laufend aktualisiert wird, stehen Links zu Informationsquellen und die Ankündigung von Webinaren. Ein AUVA-Merkblatt zur Montage und Instandhaltung von Photovoltaikanlagen befindet sich derzeit in Ausarbeitung.

Ing. Stephan Hösch vom Fachbereich Bau und Baunebengewerbe der AUVA-Landesstelle Wien ist an der Erstellung des Merkblatts beteiligt und hält Webinare und Vorträge zum Thema Montage von Photovoltaikanlagen. Er weist darauf hin, dass die Beschaffenheit und das Alter der Dachhaut Einfluss auf die Sicherheit bei Dacharbeiten haben. Vorbereitungsarbeiten wie das Erneuern des Dachs bzw. die Verstärkung der Dachunterkonstruktion können daher Gefahren reduzieren. Auch die Umgebung muss berücksichtigt werden, da es sich in der Praxis gezeigt hat, dass Mitarbeiter:innen durch benachbarte Dächer gebrochen sind.

Rechtliche Grundlagen

Arbeitsplätze und Verkehrswege auf Dächern sind so einzurichten, dass eine Gefährdung durch Absturz so weit wie möglich reduziert wird. Die Grundlage dafür liefert die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV). Sie besagt, dass man auf Baustellen ab einer Absturzhöhe von 2 m an allen Arbeitsplätzen und Verkehrswegen Absturzsicherungen benötigt. Diese können bei einer Dachneigung unter 45 Grad und einer Absturzhöhe bis zu 3 m entfallen, wenn die Arbeiten nicht am Dachrand, bei günstigen Witterungsverhältnissen und von unterwiesenen, erfahrenen sowie körperlich geeigneten Personen durchgeführt werden. Bei Arbeiten auf Dächern, die länger als einen Tag dauern, ist im Fall von Absturzgefahr ein kollektiver Schutz, z. B. ein Gerüst, erforderlich. Bei kürzeren Arbeiten ist die Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) zulässig. Es sind geeignete Anschlagpunkte erforderlich, die Mitarbeiter:innen müssen jährlich unterwiesen werden und praktische Übungen durchführen.

Auch Stromschläge und Unfälle durch einen Lichtbogen, der Verbrennungen verursachen kann, sind möglich. Das Anschließen von Elementen unter Spannung erfordert daher eine spezielle Ausbildung.

DI Ernest Stühlinger, Fachbereich Bau- und Baunebengewerbe, AUVA-Hauptstelle

Arbeitgeber:innen müssen im Rahmen der Arbeitsplatzevaluierung Gefährdungen und Belastungen ermitteln und die erforderlichen Schutzmaßnahmen festlegen. Die Arbeitnehmer:innen sind über diese Maßnahmen zu unterweisen. Dies hat sowohl tätigkeitsbezogen als auch baustellenbezogen zu erfolgen. Nach dem Bauarbeitenkoordinationsgesetz (BauKG) ist auch der:die Bauherr:in für die Sicherheit auf der Baustelle zuständig. Nicht fachkundige Bauherren:-herrinnen sind von den fachkundigen Firmen darauf hinzuweisen. Es ist nicht zulässig, eine Firma zu beauftragen, welche die gesetzlichen Auflagen nicht einhält.

Weitere Vorgaben für Arbeiten auf Dächern finden sich in der ÖNORM B 3417:2016 „Planung und Ausführung von Sicherheitsausstattungen auf Dächern“. Die Norm regelt neben der Planung und Ausführung die Nutzung, Wartung und Prüfung der ständigen Sicherheitsausstattung, auch im Hinblick auf spätere Nutzung, Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten. Darüber hinaus enthält sie Festlegungen zur Planung von temporären Maßnahmen.

Planungsphase

In der Planungsphase muss man unter Berücksichtigung der rechtlichen Bestimmungen grundsätzliche Fragen, die über die weitere Vorgehensweise entscheiden, klären. Eine Photovoltaikanlage darf nur dann installiert werden, wenn das Dach dafür geeignet ist. Im Vorfeld können Erneuerungen erforderlich sein. Wesentliche Faktoren, die bei der Planung in Betracht gezogen werden sollten, sind die Wartung und die Lebensdauer der Anlage. Es ist problematisch, neue Photovoltaik-Module auf einer alten Dacheindeckung zu befestigen.

Hösch bringt als Beispiel Dächer mit Wellasbestzementeindeckung, die oft nicht durchbruchsicher ausgeführt oder durch die Abwitterung nicht mehr durchbruchsicher sind. Bei älteren Faserzementplatten muss man davon ausgehen, dass sie Asbest enthalten – die Verwendung von Asbest ist seit 1990 verboten. „Wenn man auf ein Asbestdach eine Photovoltaikanlage montiert und diese 30 Jahre lang hält, ist das Dach am Ende der Lebensdauer der Anlage über 60 Jahre alt, sofern die Dacheindeckung nicht dazwischen erneuert worden ist“, gibt Stühlinger zu bedenken und empfiehlt, vor der Installation einer Photovoltaikanlage die asbesthaltige Dacheindeckung komplett zu erneuern. Würde man die Asbestplatten im Zuge der Montage der Anlage anbohren, könnten krebserzeugende Fasern freigesetzt werden.

Im Zuge der Baustellenevaluierung muss festgelegt werden, wie der Zugang zur Montagestelle am Dach und der spätere Zugang für Wartungsarbeiten erfolgen soll. Dabei ist speziell auf nicht durchbruchsichere Dachflächen im Umfeld zu achten. Können bereits vorhandene durch das Gebäude führende Verkehrswege wie Stiegenhäuser und Dachausstiege genutzt werden, sind diese zu bevorzugen. Besteht diese Möglichkeit nicht, müssen je nach Gefährdungsbeurteilung Zugänge wie Treppentürme oder Gerüstaufstiege errichtet werden.

Bei bis zu 5 m Absturzhöhe sind auch Anlegeleitern zulässig, wobei deren Einsatz so weit wie möglich reduziert werden sollte und ein sicherer Materialtransport gewährleistet sein muss. Das Aussteigen aus Hubarbeitsbühnen ist grundsätzlich nicht erlaubt und darf nur in Ausnahmefällen unter speziellen Voraussetzungen ins Auge gefasst werden. Dafür sind spezielle Fachkunde und eine Betriebsanweisung erforderlich.

Vermessung und Materialtransport

Bevor ein Unternehmen ein Angebot erstellen und mit der Montage der Photovoltaikanlage beginnen kann, müssen Vermessungsarbeiten durchgeführt werden. „Schon beim Vermessen können Unfälle passieren. Meist wird dafür kein Gerüst aufgestellt. Kollektive Schutzmaßnahmen sind bei Einfamilienhäusern und landwirtschaftlichen Hallen oft nicht vorhanden“, so Hösch.

Men workers installing photovoltaic solar moduls on roof of house. Engineers in helmet building solar panel system outdoors. Concept of alternative and renewable energy. Aerial view.
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Als Alternative, durch die sich Abstürze und Durchstürze noch vor Beginn der Montage vermeiden lassen, sieht er den Einsatz von Drohnen. Mit Hilfe von 3D-Drohnenaufnahmen können sehr genaue Messungen durchgeführt werden. Drohnen, die mit einer Infrarotkamera ausgestattet sind, eignen sich auch dazu, Schwachstellen, die eine mögliche Gefahrenquelle darstellen, zu erfassen. Wärmebildaufnahmen leisten im Zuge von Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten ebenfalls gute Dienste. Sind die Vorbereitungen abgeschlossen, müssen die Photovoltaikmodule und Schienen auf das Dach gebracht werden. Dafür darf man nur geeignete Transportmittel wie Kräne, Dachdeckerlifte bzw. spezielle Photovoltaiklifte, Gerüste oder Treppentürme verwenden. „Der Transport des Materials über eine Aufstiegsleiter ist verboten, da man die Bestimmungen über das Verwenden von Leitern nicht einhalten kann“, erklärt Stühlinger. Ob eine Hubarbeitsbühne als Transportmittel für Lasten genutzt werden darf, ist mit der Herstellerfirma der Bühne abzuklären bzw. aus der Dokumentation ersichtlich.

Schutzmaßnahmen

Bei Arbeiten auf dem Dach ist nach dem STOPP-Prinzip vorzugehen: Substitution (S) vor technischen (T) und organisatorischen (O) Maßnahmen und zuletzt persönliche Schutzmaßnahmen (P). Das zweite „P“ steht für das persönliche Verhalten. Im Fall der Montage einer Photovoltaikanlage bedeutet Substitution, Gefahrenquellen, wenn möglich, zu beseitigen – etwa nicht durchbruchsichere Elemente durch tragfähige zu ersetzen. Als nicht durchbruchsicher sind Dächer ohne Unterdachkonstruktion, abgewitterte Wellplatten aus Faserzement sowie dazugehörige Lichtelemente, Kunststoffdächer, Glasdächer, Lichtbänder und Lichtkuppeln zu betrachten.

Die Beschaffenheit und das Alter der Dachhaut haben Einfluss auf die Sicherheit bei Dacharbeiten. Vorbereitungsarbeiten wie das Erneuern des Dachs bzw. die Verstärkung der Dachunterkonstruktion können daher Gefahren reduzieren.

Die Beschaffenheit und das Alter der Dachhaut haben Einfluss auf die Sicherheit bei Dacharbeiten. Vorbereitungsarbeiten wie das Erneuern des Dachs bzw. die Verstärkung der Dachunterkonstruktion können daher Gefahren reduzieren.

„Auch ursprünglich durchbruchsichere Lichtkuppeln verlieren im Lauf der Zeit ihre Tragfähigkeit. Bei Wartungsarbeiten muss man Lichtkuppeln als ungeschützte Öffnungen einstufen“, so Hösch.

Ist ein Dach nicht durchbruchsicher, benötigt man Lauf- und Arbeitsstege zur Lastverteilung. Bei Absturzgefahr ins Innere bei einer Höhe über 5 m sind zusätzlich Maßnahmen wie Unterdachkonstruktion, Fanggerüste oder Auffangnetze erforderlich. Existieren geeignete Anschlagpunkte, ist auch die Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz zulässig.

Unter den technischen Schutzmaßnahmen sind jene kollektiven Maßnahmen, die ein Abstürzen von Personen verhindern, zu bevorzugen. Dazu zählen Geländer, Abdeckungen und Seitenschutz. Bei bis zu 20 Grad Dachneigung und einer Absturzhöhe von maximal 3 m dürfen geeignete Mitarbeiter:innen bei guten Witterungsverhältnissen nur mit einer Abgrenzung arbeiten. Technische Maßnahmen zweiter Wahl sind Einrichtungen, die abstürzende Personen auffangen, wie Dachfanggerüste, Schutzwände und -netze.

Bei den organisatorischen Maßnahmen geht es darum, die Zeit, die im Gefahrenbereich gearbeitet wird, so kurz wie möglich zu halten und nicht mehr Personen als nötig für diese Tätigkeiten einzusetzen. Kann die Sicherheit mit technischen und organisatorischen Maßnahmen nicht ausreichend gewährleistet werden, sind persönliche Schutzmaßnahmen zu treffen. Bei Dacharbeiten kommt zu „herkömmlicher“ PSA, etwa Helm und Dachdeckerschuhe, eine PSA gegen Absturz, die nur nach spezieller Schulung verwendet werden darf und eine entsprechende Konstitution voraussetzt.

Persönlich sicheres Verhalten bedeutet, die in Schulungen und bei Unterweisungen vermittelten Maßnahmen in die Praxis umzusetzen. „Arbeitnehmern:Arbeitnehmerinnen sollte bewusst sein, dass sie es für sich selbst tun, wenn sie sich schützen“, betont Hösch. Eine riskante, aber weniger zeitaufwändige Arbeitsweise zu wählen, um dem Chef „sparen zu helfen“, kann im Endeffekt genau das Gegenteil bewirken, da ein Unfall Verletzungen oder sogar Tod und extrem hohe Folgekosten nach sich ziehen kann.

Unfälle bei Dacharbeiten

Unfälle passieren oft dann, wenn ein:e Mitarbeiter:in „eh nur kurz“ eine Arbeit erledigt, ohne die nötigen Schutzmaßnahmen zu ergreifen, so Hösch. Auch bei temporären Anschlagpunkten müsse man auf die Sicherheit achten. Ein falscher Schritt auf einem nicht tragfähigen Nebendach kann ausreichen, um durchzubrechen. Häufige Gründe dafür, dass auf notwendige Maßnahmen verzichtet wird, sind der Versuch, Zeit zu sparen, Bequemlichkeit und Unachtsamkeit. So wurden bei der Montage einer Photovoltaikanlage auf dem Dach einer landwirtschaftlichen Halle im Burgenland nicht durchbruchsichere Lichtplatten zwar markiert, aber nicht gesichert. Ein Mitarbeiter stieg auf eine dieser markierten Platten und brach durch.

In Oberösterreich führte ein Mitarbeiter auf dem 12 m hohen Flachdach einer Firma Montagearbeiten für eine Photovoltaikanlage durch. Er wollte eine Holzpalette vom Dach werfen, blieb offenbar in einem Palettenband hängen und stürzte samt der Palette auf den Parkplatz vor dem Gebäude. Der Mann wurde mit dem Notarzthubschrauber in das Klinikum Wels gebracht. „Dieser Unfall zeigt die Wichtigkeit des Faktors Mensch, da man sich die Arbeit erleichtern will und daher ein unnötiges Risiko eingeht. Deshalb ist eine Sensibilisierung für die Gefahren unerlässlich“, so Hösch.

Neben Absturz und Durchsturz sind auch Stromschläge und Unfälle durch einen Lichtbogen, der Verbrennungen verursachen kann, möglich. „Früher haben Photovoltaikmodule eine Spannung von 12 Volt erzeugt, jetzt sind es bei Einzelpaneelen 30 bis 50 Volt, in Summe von 200 Volt aufwärts“, so Stühlinger. Bei unsachgemäßem Trennen bzw. Verbinden von Steckern oder Leitungen können daher lebensgefährliche Spannungen auftreten. Das Anschließen von Elementen unter Spannung erfordert eine spezielle Ausbildung. Übernehmen Dachdecker:innen die elektrotechnischen Installationsarbeiten, müssen sie davor die geforderte Ausbildung absolvieren.

Zusammenfassung

Die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen ist gestiegen. Damit der Bedarf abgedeckt werden kann, führen oft auch Arbeitnehmer:innen ohne spezifische Dachausbildung die Montage durch. Um Unfälle durch Absturz, Durchsturz oder elektrischen Strom zu verhindern, müssen Sicherheitsmaßnahmen nach dem STOPP-Prinzip geplant und eingehalten werden. 


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