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Internationales

Pakistanische Provinz setzt auf Vision Zero-Präventionsstrategie

Für die pakistanische Provinz Punjab wurde mit deutscher Hilfe eine Präventionsstrategie 
für Beschäftigte entwickelt. Die Strategie basiert auf dem Vision Zero-Ansatz der Inter­nationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS) und fördert die Etablierung einer Präventions­kultur. Die Strategie ist ein Meilenstein, da sie für alle Wirtschaftszweige angewendet und später auch auf ganz Pakistan erweitert werden soll.

Blick von oben auf eine Stadt
© Adobe Stock / Abdul

Die Provinz Punjab umfasst den pakistanischen Teil der Großlandschaft Punjab, hat eine Fläche von 205.000 km² und 110 Millionen Einwohner:innen. Punjab ist als bevölkerungsreichste und auch reichste Provinz Pakistans für einen großen Teil der Industrieproduktion des Landes verantwortlich. Wichtige Sektoren sind die Textilverarbeitung, Bauwirtschaft und die Landwirtschaft. Am 3. Mai 2023 wurde die neu entwickelte Präventionsstrategie für Sicherheit, Gesundheit und Wohlbefinden bei der Arbeit für Punjab von der Abteilung für Arbeit und Humanressourcen (L & HRD) der Regierung von Punjab im Rahmen einer Zeremonie vorgestellt.

Die nationale Strategie wurde mit Unterstützung des deutschen Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit und der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) entwickelt. Deutschland unterstützt schon seit vielen Jahren die nachhaltige Entwicklung der pakistanischen Textilindustrie mit einer Vielzahl innovativer Projekte. Die jetzt entwickelte Strategie stellt aber einen Meilenstein dar, weil sie in allen Wirtschaftszweigen angewendet werden wird und später auch auf ganz Pakistan erweitert werden soll. Dieser neu entwickelte strategische Rahmen basiert auf der Vision Zero-Strategie der IVSS und fördert die Etablierung einer Präventionskultur zur Gewährleistung von Sicherheit, Gesundheit und Wohlbefinden der Beschäftigten.

Der Entwicklungsprozess der nationalen Strategie war der zentrale Baustein eines Gesamtprojektes, in dessen Rahmen auch Qualifizierungskonzepte für Arbeitsinspektoren:-inspektorinnen und betriebliche Präventionsexperten:-expertinnen (Safety & Health Officers) entwickelt und erprobt wurden. Die Entwicklung der Strategie wurde durch zwei DGUV- / IVSS-Experten unterstützt.

eine Reihe von Menschen stehen applaudierend vor einer Tafel, die soeben enthüllt wurde. Auf der Tafel steht We endorse and support.
Im Mai 2023 wurde die neue Präventionsstrategie für Sicherheit, Gesundheit und Wohlbefinden bei der Arbeit für die pakistanische Provinz Punjab von der Provinz-Regierung im Rahmen einer Zeremonie in Lahore (Pakistan) vorgestellt. © GIZ Pakistan

Gemeinsam zum Erfolg

Der jetzige Erfolg wurde unter schwierigen Rahmenbedingungen erreicht: Aufgrund der globalen Pandemie konnten die ersten der insgesamt drei Workshops ausschließlich online stattfinden – der Auftakt erfolgte im Dezember 2021. Trotz der widrigen Bedingungen war es möglich, die Strategie in weniger als eineinhalb Jahren zu entwickeln und das Einvernehmen aller Akteure:Akteurinnen (Stakeholder:innen) herzustellen. Zunächst war die Skepsis gegenüber einem solchen Unterfangen deutlich wahrzunehmen: Warum ist das notwendig? Wir haben doch Gesetze und Verordnungen – warum sollen wir als Inspektoren:Inspektorinnen mit der Sozialpartnerschaft zusammen am Tisch sitzen? Solche und ähnliche Bedenken mussten zunächst ausgeräumt werden. Es zeigte sich, dass der Knoten dann schließlich im zweitägigen Präsenz-Workshop durchschlagen werden konnte, an dem nach umfassenden Konsultationen Vertreter:innen der Industrie, der Gewerkschaften, der Arbeitgeberseite, der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft, des Arbeitnehmer:innenschutzes, von Regierungsstellen und anderen relevanten internationalen Partnerorganisationen teilnahmen. Alle im gleichen Raum am runden Tisch – die konstruktive Atmosphäre war greifbar und die gemeinsame Sache stand im Vordergrund. Als positiv erwiesen hat sich, dass bereits im Vorfeld ein konkreter Fahrplan aufgestellt wurde, der immer wieder Orientierung bot. Diese ist in der abgebildeten Tabelle wiedergegeben.

Neue Präventionsstrategie für Punjab

In dem jetzt offiziell von der Provinzregierung freigegebenen 34-seitigen Strategiedokument findet sich nach einem politischen Vorwort zur Bedeutung des Dokuments eine Einführung in die Thematik einer nationalen Strategie und in Vision Zero. Die drei Handlungsfelder Sicherheit, Gesundheit und Wohlbefinden und die „7 Goldenen Regeln“ der Vision Zero werden erläutert und als Fundament definiert. In den weiteren Abschnitten werden die Verantwortlichkeiten und die Strukturen zur nachhaltigen Implementierung der Strategie benannt.

Die wichtigsten Abschnitte folgen: Nach den generellen Zielen und dem Zweck des neuen Ansatzes werden zehn ganz konkrete und auch sehr ambitionierte Ziele genannt, die in einem ersten Zeithorizont von zehn Jahren erreicht werden sollen. Beispielsweise soll die Anzahl der tödlichen Arbeitsunfälle bis 2032 um 75 Prozent gesenkt werden. Die weiteren Ziele können in Kürze auf der Website der Provinzregierung von Punjab nachgelesen werden. Nach der Auflistung der Ziele folgen in 13 Clustern die Maßnahmen, die zur Zielerreichung als geeignet angesehen werden und jetzt sukzessive angegangen werden sollen. Beispielhaft soll hier das Maßnahmenpaket Nr. 5 genannt werden, mit dem durch maßgeschneiderte Aktivitäten den besonderen Bedürfnissen der kleinen und mittleren Unternehmen Rechnung getragen wird.

Interessant ist auch, dass daran anschließend eine Vielzahl von den Zielen zugeordneten Aktivitäten genannt werden, die bereits in die Kategorien „kurzfristig erreichbar“, „mittelfristig umsetzbar“ und „langfristig anzugehen“ eingeordnet sind. So werden bereits mit der Veröffentlichung der Strategie konkrete Umsetzungsaktivitäten begonnen – die Strategie ist nicht nur ein schönes Dokument, sondern sie lebt von Anfang an.

Meilenstein für Sicherheit am Arbeitsplatz

Toseef Dilshad Khatana, stellvertretender Minister für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, hob in seiner Rede anlässlich der Auftaktveranstaltung die Bedeutung dieser historischen Errungenschaft hervor: „Die ‚Punjab-Präventionsstrategie für Sicherheit, Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz‘ ist ein neuer Fahrplan, der darauf abzielt, in der pakistanischen Provinz Punjab eine Präventionskultur im Lichte der Vision Zero einzuführen und zu verwirklichen“.

verschiedene Kreise zeigen einzelne Schritte zu einem Ziel

„Sicherheit am Arbeitsplatz ist ein Grundrecht und keine Wahl“, betonte Rao Zahid, stellvertretender Entwicklungsminister des Labour- and Human Resource Department des Ministeriums (L & HRD). Er teilte mit, dass „der Fahrplan durch einen Konsultationsprozess entwickelt wurde und es nun an der Zeit ist, sich auf die Umsetzung von Maßnahmen zur Entwicklung und Verbesserung einer Kultur für Sicherheit, Gesundheit und Wohlbefinden in allen Betrieben zu konzentrieren.“ Er wies auch auf die Bedeutung dieser Initiative im Zusammenhang mit den IAO-Übereinkommen C155 und C187 hin, die inzwischen zu den grundlegenden Übereinkommen geworden sind.

Helmut Ehnes, internationaler Präventionsexperte der DGUV und der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS), Deutschland, führte aus: „Vision Zero geht über die Einhaltung von Vorschriften hinaus. Sie erfordert einen Wandel im Denken, Verhalten und in der Mentalität aller Führungskräfte, Manager:innen und Mitarbeiter:innen. Der Schlüssel zur Etablierung einer Vision Zero-Kultur sind die ‚Sieben Goldenen Regeln‘, die als Grundlage für die Punjab-Präventionsstrategie dienen.“

„Die Zukunft sieht vielversprechend aus mit der Einführung der Vision Zero, dem Punjab-Gesetz für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und der ergänzenden Punjab-Präventionsstrategie. Wir glauben fest an die Vision Zero, die den grundlegenden Baustein für diese Strategie darstellt. Die Bemühungen von L & HRD zur Förderung der Präventionskultur sind für den Erfolg dieser Strategie entscheidend. Das Engagement für die Vision Zero und die Präventionsstrategie in Punjab ist für den sozioökonomischen Aufschwung von großer Bedeutung“, bekräftigt Ansa Rabia, Komponentenmanagerin der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit unterstützt seit Jahren die Initiativen der pakistanischen Regierung. Deutschland arbeitet mit Partnern:Partnerinnen zusammen, um deren sozioökonomische Reformagenda zu unterstützen, die darauf abzielt, Armut zu reduzieren, Wirtschaftswachstum zu fördern und Arbeitsplätze zu schaffen. Dies trägt zur Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele bei und wird im Einklang mit den pakistanisch-deutschen Kooperationsvereinbarungen umgesetzt.

„Die Förderung einer Präventionskultur auf der Grundlage präventiver Strategien (proaktiv) muss anstelle eines reaktiven und kompensatorischen Rahmens gefördert werden. Dies soll durch einen risikobasierten Ansatz zur Identifizierung aller vernünftigerweise vorhersehbaren Gefahren am Arbeitsplatz und der erforderlichen Abhilfemaßnahmen erreicht werden“, so eine der richtungsweisenden Passagen im Strategiedokument.

Rückgrat für Präventionskultur 

Die nationale Strategie für Punjab soll als Rückgrat für eine zukunftsorientierte Präventionskultur dienen. Die grundlegenden Ideen sind:

Um den erforderlichen Veränderungsprozess zu unterstützen, wird ein Rahmen für eine neue Präventionsstrategie geschaffen. Das L & HRD wird hierzu initiativ. Vision Zero geht über die „Einhaltung von Vorschriften“ hinaus und erfordert einen Wandel in Denkweise, Verhalten und Mentalität aller Führungskräfte, Manager:innen und Beschäftigten. Um in jedem Unternehmen eine Zero-Harm-Kultur zu etablieren, sind die „7 Golden Regeln“ umzusetzen.

L & HRD bezieht alle relevanten (internen und externen) Interessengruppen in diesen Entwicklungsprozess aktiv ein, um Eigenverantwortung, Motivation und Akzeptanz für den neuen Ansatz zu schaffen. Insbesondere der soziale Dialog wird gefördert.

Die Leitprinzipien sind die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses über die Grundsätze der Vision Zero-Strategie für Punjab und deren „Seele“. Sicherheit, Gesundheit und Wohlbefinden bzw. die mentale Gesundheit dürfen nicht als bürokratische Last verstanden werden, sie sind unabdingbar für eine gute Zukunft der Gesellschaft in Pakistan.

Die Strategie wird dazu beitragen, die Provinz Punjab und L & HRD so zu positionieren, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und angestrebten Veränderungen als wegweisend für eine erfolgreiche und nachhaltige Zusammenarbeit aller Beteiligten angesehen werden. Dies wird das Bewusstsein bei den Märkten, Kunden:Kundinnen und Investoren:Investorinnen positiv beeinflussen. Dass Europa mit seinem aktuellen Rahmenkonzept einen vergleichbaren Weg geht und gleichfalls auf die Vision Zero baut, kann der zukünftigen wirtschaftlichen Zusammenarbeit nur dienlich sein.

Die Erfahrungen aus der Entwicklung der nationalen Präven­tionsstrategie für die Provinz Punjab können als beispiel­gebend für viele weitere Länder der Welt gesehen werden. Sicherlich ist eine 1 : 1-Übertragung nicht zu erwarten, aber die grundsätzlich erprobte Herangehensweise, die Kernelemente der Strategie und die Entwicklungsschritte sind doch wegweisend. Das Rad muss nicht neu erfunden werden, wenn es bereits rollt – Eigenschaften wie Laufruhe und Abrieb können jedoch im Interesse eines sinnvollen Weiterentwicklungs­prozesses weiter verbessert werden.

Zusammenfassung

Mit Unterstützung des deutschen Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit und der DGUV wurde eine nationale Präventionsstrategie für die Provinz Punjab (Pakistan) entwickelt. Die Strategie basiert auf der Vision Zero-Initiative der IVSS und soll innerhalb von 10 Jahren umgesetzt werden. Die Vorgehensweise kann weiteren Ländern als Inspiration für deren nationale Strategien dienen.


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