Zum Hauptinhalt wechseln

Gefährliche Arbeitsstoffe

Sichere Zusammenlagerung von Chemikalien

Welche Konsequenzen die Nichtbeachtung einzelner Rechtsvorschriften zur Zusammenlagerung nach sich ziehen kann, wurde bei der Explosion eines Gefahrgutlagers in Tianjin in China im Jahr 2015 sowie bei der Explosion eines Ammoniumnitratlagers in Beirut im Libanon im Jahr 2020 einer breiten Öffentlichkeit bewusst. Dieser Artikel fasst die geltenden Regelungen für die Zusammenlagerung von Stoffen in Österreich – darunter die neue Verordnung brennbarer Flüssigkeiten 2023 – zusammen.

rotes Etikett mit Flamme auf Metallkübeln
© Adobe Stock / kittisak

In den österreichischen gesetzlichen Regelungen finden sich allgemeine Schutzziele über die Zusammenlagerung von Arbeitsstoffen, wobei der Begriff „Zusammenlagerung“ meist nicht genauer definiert wird. Es ist daher stets eine genaue Analyse des jeweiligen Einzelfalls notwendig. Drei grundlegende Kriterien sind bei der Zusammenlagerung zu beachten:

  1. Feste und flüssige Stoffe sind getrennt voneinander zu lagern (Flüssigkeiten in Bodennähe).
  2. Eine stabile Lagerart (d. h. bruchfeste Gebinde oder Schutzsysteme) sowie ein Einlagerungsplan und eine Einlagerungskontrolle sind vorzusehen.
  3. Brandschutztechnische Voraussetzung für die prinzipielle Zulässigkeit der Zusammenlagerung ist, dass für die betreffenden Stoffe / Materialien dieselben Löschmittel verwendet werden können.

Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV)

Im § 65 der AAV werden grundlegende Forderungen bezüglich der Lagerung folgender Stoffgruppen getroffen:

  • gesundheitsgefährdende Arbeitsstoffe: toxisch, chronisch wirkend, endokrin wirkend, biologisch (zutreffende Rechtsvorschriften: Giftverordnung 2000; VbA)
  • brandgefährliche Arbeitsstoffe: brennbare Flüssigkeiten, Gase, Feststoffe, Flüssiggas (zutreffende Rechtsvorschriften für brennbare Flüssigkeiten: VbF 2023; für Gase: ÖNORM M 7379; für Flüssiggas: FGV 2002)
  • explosionsgefährliche Arbeitsstoffe: Sprengstoffe und pyrotechnische Artikel (zutreffende Rechtsvorschriften: Schieß- und Sprengmittelgesetz; Pyr-LV 2023)

Die Eigenschaften der Stoffe bedingen besondere Schutzmaßnahmen. Dies beinhaltet auch die Trenngebote und gilt ebenso bei der Lagerung von Abfällen. Bei der Lagerung von leicht entzündlichen oder selbstentzündlichen Abfällen, Rückständen, Putzmaterialien und leeren Behältern, die Reste von leicht entzündlichen oder entzündlichen Arbeitsstoffen enthalten, müssen nicht nur der Brand- und Explosionsschutz, sondern auch mögliche Reaktionen in der Zusammenlagerung beurteilt werden.

Giftige, gesundheitsschädliche, ätzende, brandgefährliche oder explosionsgefährliche Arbeitsstoffe dürfen nicht über Arbeitsplätzen und Verkehrswegen, in Ausfahrten, Durchgängen, Durchfahrten, Schleusen und Pufferräumen sowie auf oder unter Stiegen, Laufstegen, Podesten, Plattformen, Rampen und ähnlichen Verkehrswegen gelagert werden. Behälter, die solche Arbeitsstoffe enthalten, dürfen nicht aufeinandergestellt werden, wenn die Gefahr besteht, dass die Behälter dadurch beschädigt oder undicht werden. Lagerräume für Behälter (Stückgut und Tankbehälter) von 

  • giftigen oder ätzenden Arbeitsstoffen und
  • verdichteten, verflüssigten oder unter Druck gelösten Gasen oder nicht atembaren Gasen

müssen eine wirksame, erforderlichenfalls mechanische Lüftung besitzen. Auch Pufferräume können notwendig sein. In der Evaluierung ist die Wirksamkeit der Lüftung zu beurteilen. Wenn die Gase oder Dämpfe dieser Arbeitsstoffe schwerer als Luft sind, darf der Fußboden solcher Lagerräume nicht tiefer als das angrenzende Gelände liegen. Daraus resultiert de facto ein Lagerungsverbot in Kellerbereichen, egal, ob mit oder ohne Abluft. Dies gilt auch für besonders gefährliche brennbare Flüssigkeiten, insbesondere dann, wenn deren Haupteigenschaft die Giftigkeit oder die Ätzwirkung ist. Beispiele hierfür wären Essigsäure (ätzend, Gefahrgutklasse 8) oder Allylalkohol (giftig, Gefahrgutklasse 6.1).

Arbeitsstoffe wie Chemikalien oder leicht brennbare, leicht entzündliche oder selbstentzündliche Abfälle, Rückstände, Putzmaterialien, Holzwolle und ähnliche Materialien, die miteinander unter starker Erwärmung, Flammenbildung oder unter Entwicklung von gefährlichen Gasen oder Dämpfen reagieren können, müssen sicher getrennt oder genügend weit voneinander entfernt gelagert werden. Dies gilt auch für Lithiumbatterien.

Lagerungen von ekelerregenden oder infektiösen Arbeitsstoffen dürfen nur in ausschließlich diesen Zwecken dienenden, von anderen Betriebsräumen abgetrennten Lagerräumen vorgenommen werden. Diese Lagerräume müssen bei den Zugängen als solche deutlich und dauerhaft gekennzeichnet und gegen den Zutritt Unbefugter gesichert sein.

Verordnung brennbare Flüssigkeiten 2023 (VbF)

Eine Zusammenlagerung im Sinne der VbF 2023 liegt vor, wenn brennbare Flüssigkeiten verschiedener Gefahrenklassen nicht brandbeständig voneinander getrennt gelagert werden. Folgende Paragraphen dieser Verordnung sind für die Zusammenlagerung relevant: § 30 beschreibt, welche Stoffe grundsätzlich nicht zusammen gelagert werden dürfen, § 31 listet auf, wo brennbare Flüssigkeiten nicht gelagert werden dürfen (Lagerverbote) und in § 32 sind konkrete Vorgaben über die Zusammenlagerung brennbarer Flüssigkeiten als Erlaubnis formuliert. Details zur VbF 2023 können Sie in der Ausgabe 2 / 2023 von SICHERE ARBEIT unter sicherearbeit.at nachlesen.

Jede unkoordinierte Zusammenlagerung von Chemikalien ist früher oder später ein Pulverfass, das großen Schaden verursachen kann.

Josef Drobits

Säuren und Laugen

Gefährliche Arbeitsstoffe mit ätzenden Eigenschaften können z. B. Holz, Metall oder Kunststoffe angreifen oder auflösen. Sie müssen besonders gelagert werden, da sie bei Leckagen andere Verpackungen beschädigen und gefährlich miteinander reagieren können. Konzentrierte Säuren dürfen mit konzentrierten Laugen nur dann in einem Raum gelagert werden, wenn separate Auffangwannen vorhanden sind. Die Türen der Lagerräume sind mit den höchstzulässigen Lagermengen für gelagerte Säuren und Laugen zu kennzeichnen.

Feuerwehrleute in einem Löschschaum vor Flammen.
© Adobe Stock / burnstuff2003

Giftige Stoffe

Der Umgang mit und die Lagerung von Giften sind in Österreich in chemikalienrechtlichen Vorschriften geregelt. Giftige Stoffe und Gemische, die gemäß Art 4 der CLP-V einzu­stufen und zu kennzeichnen sind (siehe auch Gifte gem. § 35 ChemG 1996), müssen wie folgt nach Giftverordnung 2000 gelagert werden. Die österreichischen Vorschriften gelten auch für Kleinmengen („ab Menge 0“). Anders ist das z. B. in Deutschland: Nach der dort gültigen TRGS 510 können Kleinmengen ohne besondere Spezialauflagen gelagert werden. Für Gifte, die Zusatzeigenschaften (zumeist Ätzwirkung und Brennbarkeit) besitzen, gelten die jeweiligen Lagerbestimmungen für ätzende, brennbare Stoffe etc. mit.

Gase und Flüssiggase

Beim Umgang mit Gasen ist es wichtig zu wissen, ob sie leichter oder schwerer als Luft sind. Die meisten technischen Gase sind schwerer als Luft. Druckgasbehälter, z. B. für Gase, Flüssiggas, tiefkalte Gase, können in Räumen und im Freien gelagert werden. Transportwege im Gase­lager müssen eine Mindestbreite von 1,2 Metern aufweisen (ÖNORM M 7379: 2017-03). Druckgasflaschen mit verschiedenen Gasen dürfen nur unter gewissen Bedingungen gemeinsam in einem Lagerraum gelagert werden:

  • Gase, die weder entzündbar noch brandfördernd oder giftig sind, dürfen ohne Einschränkung zusammen gelagert werden.
  • Giftige Gase dürfen mit keinen anderen Gasen zusammengelagert werden. Entzündbare Gase dürfen mit brandfördernden Gasen bis zu maximal 500 Stück (maximal 12.500 L) gelagert werden.

Zwischen entzündbaren und brandfördernden Gasen muss ein Mindestabstand von 2 Metern eingehalten werden. Die Lagerung von Flüssiggas ist gemäß Flüssiggasverordnung 2002 (FGV 2022) nur zulässig, wenn die entsprechenden Lagereinrichtungen „keinen anderen Zwecken“ (als der Lagerung von Flüssiggas) dienen, siehe im Wesentlichen § 51, § 58, §§ 69 ff FGV 2002.

Brandfördernde Stoffe

Brandfördernde Stoffe sind aufgrund ihrer hohen Reaktivität vorzugsweise getrennt von anderen Stoffen zu lagern. Da keine konkreten Vorgaben in österreichischen Rechtsvorschriften bestehen, kann nur auf technische Regelwerke zurückgegriffen werden. In der Bundesrepublik Deutschland sind die Lagerbestimmungen für brandfördernde Stoffe in der TRGS 510 „Lagerung von Gefahrstoffen in ortsbeweglichen Behältern“ geregelt. 

Explosionsgefährliche Stoffe

Für Sprengmittel gilt gemäß Anhang zum Schieß- und Sprengmittelgesetz (BGBl Nr. 196/1935 idgF BGBl Nr. 86/2002), dass in Lagerräumen für Schieß- und Sprengmittel keine anderen Gegenstände gelagert werden dürfen.

Ammoniumnitrat: Die TRGS 511 enthält besondere Schutzmaßnahmen für das Lagern, Abfüllen und innerbetriebliche Befördern von Ammoniumnitrat und ammoniumnitrathaltigen Zubereitungen. Es existiert keine österreichische Lagervorschrift, die TRGS 511 gilt als Stand der anzuwendenden Technik. 

Pflanzen­schutz­mittel:  Die Lagerung ist in § 1(8) Pflanzenschutzmittelverordnung 2011, geregelt: Pflanzenschutzmittel sind von Vertreibenden so zu lagern, dass es zu keiner unbeabsichtigten Freisetzung oder Vermischung mit anderen Produkten, insbesondere Lebens- und Futtermitteln, kommen kann. Sie dürfen zum Zweck des Verkaufs oder der sonstigen Abgabe an Dritte nicht unmittelbar neben Lebens- und Futtermitteln gelagert, vorrätig gehalten oder zum Verkauf angeboten werden.

Zusammenlagerung von Abfällen

Bei Abfällen ist eine Einstufung, abhängig vom Gehalt gefährlicher Inhaltsstoffe oder Eigenschaften, erforderlich. Anhang III der Richtlinie 2008/98/EG (Abfallrahmenrichtlinie) definiert 15 Gefährlichkeitskriterien (HP-Kriterien). Für bestimmte Gefähr­lich­keits­kriterien sind dort Grenzkonzentrationen der Ge­fährlich­keits­merkmale angeführt. Die dort angeführten Grenzkonzentrationen stützen sich auf chemikalienrechtliche Regelungen (Verordnung Nr. 1272/2008/EG über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen), auch kurz CLP-Verordnung genannt. Das ÖWAV-Regelblatt 517 gibt in seiner Lagermatrix Zusammenlagerhinweise und ist als Stand der Technik anzusehen. Die Matrix des ÖWAV-Regel­blattes 517 ist im Blogbeitrag abgebildet.

Zusammenfassung

In den österreichischen gesetzlichen Regelungen zur Zusammenlagerung von Chemikalien, die je Stoffgruppe höchst unterschiedlich strukturiert sind, finden sich vor allem allgemeine Schutzziele über die Zusammenlagerung von Arbeitsstoffen. Dieser Artikel fasst zusammen, welche Regelungen gelten. Eine detailliertere Langversion dieses Artikels ist auf dem AUVA-Blog sichereswissen.info nach­zulesen.


Aktuelle Ausgaben

Ausgabe 2/2024
Ausgabe 2/2024
Magazin Sichere Arbeit
Download (PDF, 5 MB)
Ausgabe 1/2024
Ausgabe 1/2024
Magazin Sichere Arbeit
Download (PDF, 5 MB)
Sonderausgabe 2/2023
Sonderausgabe 2/2023
Magazin Sichere Arbeit
Download (PDF, 8 MB)
Sichere Arbeit 6/2023
Sichere Arbeit 6/2023
Schutz bei verketteten Anlagen
Download (PDF, 5 MB)