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Zuunftsperspektiven

Auf dem Weg in die Zukunft

Welche Zukunftsziele und -sorgen, welche Perspektiven und Zukunftsvorstellungen haben junge Menschen und gibt es diesbezüglich Veränderungen mit zunehmendem Alter? Welche Rolle spielt die Gesundheit dabei? In einer Langzeitstudie des Instituts für Soziologie der Universität Wien wurden diese Fragestellungen näher betrachtet und junge Erwachsene aus Wien über fünf Jahre begleitet.

Illustration von verschiedenen arbeitenden Personen: Reinigungsfrau, Arbeiter mit Helm, Botendienst uvm.
© Adobe Stock / Good Studio

Die Übergänge im Jugendalter – etwa die Bildungs- und Ausbildungswahl oder der Eintritt ins Erwerbsleben – sind häufig entscheidend für den weiteren Lebensweg. Dementsprechend stellen sie junge Menschen vor große Herausforderungen. Es gilt Vorstellungen und Ziele für die eigene Zukunft mit Blick auf Bildung und Beruf zu entwickeln. Gerade die zunehmende Unabhängigkeit macht eigene Pläne und Entscheidungen nötig. Somit präzisieren junge Menschen ab dem Alter von etwa 15 Jahren zunehmend ihre Vorstellungen und Ziele für die Zukunft. Aber auch im Hinblick auf Partnerschaft, Gesundheit und zukünftige Wohnorte werden Vorstellungen konkretisiert und Ziele gebildet. In diesem Artikel werden die Zukunftsperspektiven einer spezifischen Gruppe junger Menschen dargestellt, nämlich der früheren Schüler:innen der Neuen Mittelschulen (NMS) in Wien.

Auf der Grundlage des Datenmaterials aus dem Projekt „Wege in die Zukunft“ des Instituts für Soziologie der Universität Wien können wir diese Fragestellung näher betrachten. In dieser Längsschnittstudie wurden junge Erwachsene aus Wien über fünf Jahre begleitet. Zum Zeitpunkt der Erstbefragung (2018) standen sie unmittelbar vor dem Abschluss der NMS. Die Grundgesamtheit für die Erhebung bilden alle Jugendlichen im Abschlussjahrgang 2017 / 18 an NMS in Wien. Das waren über 7.500 Schüler:innen an 117 Schulen mit insgesamt 351 Abschlussklassen. Die Daten der quantitativen Längsschnittstudie wurden mittels Online-Fragebögen in jährlichen Befragungen von 2018 bis 2022 erhoben. 

Zukunftssorgen junger Menschen

Über welche Aspekte der Zukunft machen sich junge Erwachsene besonders häufig Sorgen und gibt es diesbezüglich Veränderungen mit zunehmendem Alter? In der ersten Erhebungswelle (im Jahr 2018) und in der fünften Erhebungswelle wurden junge Erwachsene über Zukunftssorgen befragt. Am häufigsten machten sich junge Erwachsene darüber Sorgen, keine gute Arbeit finden zu können und zu wenig Geld zu haben, wobei junge Frauen solche Sorgen häufiger angegeben haben als junge Männer. Junge Frauen (37 %) haben zudem deutlich öfter Sorge, schwer krank zu werden, als junge Männer (23 %), siehe Abbildung 1.

Abbildung 2 zeigt, wie sich die Zukunftssorgen von jungen Erwachsenen von der ersten zur fünften Erhebungswelle, also zwischen 2018 und 2022, verändert haben. So hat beispielsweise die Sorge, schwer krank zu werden, bei jungen Frauen um 2 Prozentpunkte ab- und bei jungen Männern um 3 Prozentpunkte zugenommen.

In der fünften Erhebungswelle (im Jahr 2022) wurden die jungen Erwachsenen gefragt: „Hat sich deine Zukunftseinschätzung aufgrund der COVID-19-Pandemie verbessert, verschlechtert oder ist diese gleichgeblieben?“ 14 % der jungen Frauen geben an, dass sich ihre Zukunftseinschätzung verbessert, 34 %, dass sie sich verschlechtert hat. Im Vergleich dazu geben 18 % der jungen Männer an, dass sich die Zukunftseinschätzung verbessert, und 29 %, dass sie sich verschlechtert hat. Bei geringen Unterschieden zwischen den Angaben von jungen Frauen und jungen Männern blicken also zunehmend mehr junge Erwachsene pessimistisch in die Zukunft – und sie führen die Veränderung auch auf die COVID-19-Pandemie zurück. 

Die Diagramme zeigen die Ergebnisse zur oben gestellten Frage: Wie oft machst du dir Sorgen, dass du in der Zukunft eines der folgenden Probleme haben wirst? Details dazu im Text
Abbildungen 1 und 2: Wie oft machst du dir Sorgen, dass du in der Zukunft eines der folgenden Probleme haben wirst?
Die Diagramme zeigen die Ergebnisse zur oben gestellten Frage: "Wie stimmen die folgenden Aussagen für dich?"  Details dazu im Text
Abbildung 3: Wie stimmen die folgenden Aussagen für dich?

Veränderungen von Vorstellungen und Zielen für die Zukunft

Ziele für die Zukunft werden in einem komplexen Zusammenspiel von kognitiven und motivationalen Prozessen entwickelt. Die kognitive Dimension umfasst die Fähigkeit, zukünftige Ereignisse vorwegzunehmen, langfristige Planungshorizonte zu entwickeln und die Kontrolle über das eigene Leben zu übernehmen. Motivationale Aspekte umfassen Interessen und Werte in unterschiedlichen Lebensbereichen. Um Ziele in unterschiedlichen Lebensbereichen zu entwickeln und anzupassen, orientieren sich Jugendliche an ihren Wertvorstellungen, die im Zuge der Sozialisation und Identitätsbildung erworben werden. 

In der ersten und in der fünften Erhebungswelle wurden die jungen Erwachsenen zu verschiedenen Vorstellungen über die Zukunft befragt. Abbildung 3 zeigt die Angaben von jungen Erwachsenen in der ersten Erhebungswelle zu verschiedenen Vorstellungen über die Zukunft nach Geschlecht. Die meisten jungen Erwachsenen sind optimistisch, ihren Wunschberuf zu erreichen. Die Mehrheit der jungen Erwachsenen möchte bald Geld verdienen, die jungen Männer (81 %) aber häufiger als die jungen Frauen (67 %). Die überwiegende Mehrheit will auch später in Österreich leben. Das möchten junge Männer (84 %) etwas häufiger als junge Frauen (77 %). Der Wunsch, die Kinderbetreuung und den Haushalt mit dem:der Partner:in gleich aufzuteilen, wird von jungen Frauen (83 %) häufiger geäußert als von jungen Männern (72 %). 

Junge Menschen verschiedenster Herkunft sitzen in fröhlicher Stimmung auf einer Stiege beisammen
© Adobe Stock / vizualni

Die Übergänge im Jugendalter stellen junge Menschen vor große Herausforderungen: die zunehmende Unabhängigkeit macht eigene Pläne und Entscheidungen im Hinblick auf Partnerschaft, Gesundheit und zukünftige Wohnorte nötig.

Studienautoren Jörg Flecker und Paul Malschinger

Vier Jahre später ist die Erwartung, den Wunschberuf zu erreichen, sowohl bei jungen Frauen als auch bei jungen Männern geringer geworden. Junge Frauen wünschen sich nach fünf Jahren wesentlich häufiger, so bald wie möglich Geld zu verdienen. Dieser Wunsch hat bei jungen Männern dagegen etwas abgenommen. Bei beiden Geschlechtern hat sich über die Zeit die Bereitschaft bzw. der Wunsch, die Kinderbetreuung und den Haushalt gleich aufzuteilen, deutlich erhöht. 

Im nächsten Schritt wurden die jungen Erwachsenen ab der zweiten Erhebungswelle befragt, wie wichtig bzw. unwichtig ihnen verschiedene Ziele für die Zukunft sind. Interessant ist hier, wie vielen jungen Menschen es wichtig ist, in Zukunft gesund zu leben. Abbildung 4 zeigt für die zweite Erhebungswelle, dass jungen Erwachsenen für die Zukunft am häufigsten sehr wichtig ist, einen Beruf zu erlernen bzw. eine Ausbildung abzuschließen, eine berufliche Tätigkeit zu haben, die Spaß bereitet, und gesund zu leben. Überraschend ist, dass junge Männer das Ziel, gesund zu leben, gleich häufig angeben wie junge Frauen (76 %). Andererseits ist jungen Frauen (88 %) eine berufliche Tätigkeit, die Spaß bereitet, häufiger sehr wichtig als jungen Männern (77 %). Weiters ist jungen Frauen (82 %) häufiger sehr wichtig, einen Beruf zu erlernen bzw. eine Ausbildung abzuschließen, als jungen Männern (77 %). 

Abbildung 5 zeigt die Veränderungen von der zweiten zur fünften Erhebungswelle im Hinblick darauf, was jungen Frauen und jungen Männern für die Zukunft sehr wichtig ist. Es wird deutlich, dass es jungen Frauen (– 5 Prozentpunkte) und jungen Männern (– 12 Prozentpunkte) mit der Zeit weniger wichtig geworden ist, eine eigene Familie zu gründen. Während jungen Frauen mit der Zeit wichtiger geworden ist, einen Beruf zu erlernen bzw. eine Ausbildung abzuschließen (3 Prozentpunkte), hat dieses Ziel für junge Männer (– 8 Prozentpunkte) an Bedeutung verloren. Gesund zu leben hat bei jungen Frauen (– 7 Prozentpunkte) und bei jungen Männern (– 10 Prozentpunkte) an Bedeutung verloren. Geld zu haben, sich viel leisten zu können, ist hingegen für junge Frauen (6 Prozentpunkte) und junge Männer (3 Prozentpunkte) im Zeitverlauf wichtiger geworden. 

Die Diagramme zeigen die Ergebnisse zur oben gestellten Frage: Wenn du an deine Zukunft denkst, wie wichtig oder unwichtig sind für dich die folgenden Ziele? Details dazu im Text
Abbildungen 4 und 5: Wenn du an deine Zukunft denkst, wie wichtig oder unwichtig sind für dich die folgenden Ziele?

Die Befunde zeigen, dass sich die Sorgen, Vorstellungen und Ziele für die Zukunft bei jungen Frauen und jungen Männern unterscheiden und mit zunehmendem Alter verändern. Zusammenfassend ist hervorzuheben, dass mit der Zeit mehr jungen Erwachsenen Arbeit und Geld wichtiger geworden sind. Dagegen wurden die Ziele, eine Familie zu gründen und gesund zu leben, im Zeitverlauf seltener genannt. Wir haben im Anschluss im Detail untersucht, wem es wichtig ist, gesund zu leben. Die multivariate Analyse hat ergeben, dass es in dieser Frage überraschenderweise keine Unterschiede zwischen jungen Frauen und jungen Männern gibt. Gesund zu leben ist dagegen Jugendlichen, die im Ausland geboren sind, wichtiger als den anderen. Hat sich die eigene Gesundheit zuletzt verschlechtert oder ist sie gleichgeblieben, ist dieses Ziel interessanterweise weniger wichtig als bei einer Verbesserung der Gesundheit. Wenn genügend Geld im Haushalt vorhanden ist, ist es jungen Menschen wichtiger, gesund zu leben, als wenn es an Geld fehlt. Hier klingt möglicherweise an, dass sich junge Menschen mit schlechter Gesundheit abfinden und dass sie sich ein gesundes Verhalten ökonomisch leisten können müssen. Weitere Informationen zum Projekt „Wege in die Zukunft“ unter www.soz.univie.ac.at/forschung und dem QR-Code rechts.

Zusammenfassung

Die Langzeitstudie des Instituts für Soziologie der Universität Wien zeigte, dass es den meisten jungen Menschen sehr wichtig ist, eine Ausbildung abzuschließen und einen Beruf zu erlernen. Eine interessante Tätigkeit und ein sicherer Job stehen daher bei den Ansprüchen an die zukünftige Erwerbsarbeit im Vordergrund. Dagegen wurden die Ziele, eine Familie zu gründen und gesund zu leben im Zeitverlauf seltener genannt. Die Erhebung zeigte auch einen Rückgang des Wohlbefindens der jungen Menschen in Zeiten der Corona-Pandemie.


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