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Rechtliches

Gefahrenunterweisung im Berufsschulunterricht

Um Lehrlingen in der dualen Ausbildung Risikokompetenz und Wissen zur Vermeidung arbeitsbedingter Unfälle und Erkrankungen zu vermitteln, legt die Verordnung über die Beschäftigungsverbote und -beschränkungen für Jugendliche (KJBG-VO1) die Gefahrenunterweisung im Berufsschulunterricht (kurz: „GU n. KJBG-VO“) fest.

zwei Gruppen älterer Männer stehen in einer großen Halle eines holzverarbeitenden Betriebs besammen und besprechen sich
© Richard Reichhart

Die GU n. KJBG-VO sowie die zugehörigen Richtlinien der AUVA zur Durchführung der Gefahrenunterweisung2 wurden bereits in der Konzipierung mit allen Stakeholdern, d. h. Ministerien, Arbeiterkammer, Berufsschulen, Bundesinnungen etc. abgestimmt. Betriebe können gemäß KJBG3 bei der Gefahrenunterweisung für Arbeiten mit erhöhtem Gefährdungspotenzial (unter Aufsicht) zwei Wege beschreiten (siehe Tabelle 1).

Gefahrenunterweisung im Berufsschulunterricht

Die GU n. KJBG-VO ist eine spezielle theoretische und praktische Unterweisung nach Richtlinien der AUVA im Umfang von mindestens 24 Unterrichtseinheiten, die im Unterricht des 1. Berufsschuljahrs fächerübergreifend nachweislich zu absolvieren ist. Die Berufsschule stellt zusätzlich zum Schulzeugnis eine individuelle Mitteilung über die absolvierte GU n. KJBG-VO aus, wenn 3 Bedingungen4 erfüllt sind:

(1) An der Berufsschule sind alle in den Richtlinien der AUVA genannten und für diesen Lehrberuf erforderlichen Arbeitsmittel vorhanden.

(2) In der ersten Schulstufe der betroffenen Berufsschule wurden 24 Stunden GU n. KJBG-VO im Unterricht durchgeführt. 

(3) Alle Unterrichtseinheiten wurden nachweislich absolviert.

Liegt einem Lehrbetrieb die o. a. Mitteilung der Berufsschule für einen Lehrling vor, kann dieser nach einer von 18 auf 12 Monate verkürzten Schutzfrist im Lehrbetrieb unter Aufsicht und Einhaltung aller Schutzvorschriften des KJBG an gefährlichen Maschinen arbeiten, wenn dies für die Ausbildung nach den jeweiligen Ausbildungsvorschriften unbedingt erforderlich ist.

Bedenken zur Durchführung 

Da die KJBG-VO keine schulrechtliche Norm darstellt, besteht für Berufsschulen keine rechtliche Verpflichtung, die GU n. KJBG-VO durchzuführen und / oder den o. a. Nachweis auszustellen. Oft hegen Berufsschulen dreierlei Bedenken:

Haftungsrisiko der Lehrkräfte – dazu äußert sich verkürzt das Bildungsministerium in einer Rechtsdarstellung5 wie folgt: Die Verantwortung des Dienstgebers bzgl. der Schutzvorschriften des KJBG ist keinesfalls reduziert. Die GU n. KJBG-VO ersetzt die betriebliche Unterweisung (KJBG § 24) nicht. Sollten bei einem Arbeitsunfall Lücken in der GU n. KJBG-VO als zumindest mitverantwortlich betrachtet werden, ist eine mangelhafte GU n. KJBG-VO nur denkbar, wenn die 24 Unterrichtseinheiten nicht erbracht und / oder vorgesehene Inhalte übersprungen wurden. Haftungsrechtlich sind Unfälle, die ursächlich mit der GU n. KJBG-VO zusammenhängen, gleich zu beurteilen wie Unfälle im Berufsschulunterricht. Regressforderungen an eine Lehrkraft von Seiten des Bundes sind nur im Fall von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit denkbar. 

Zweitens, Bedenken, dass die Inhalte der GU n. KJBG-VO nicht zu den Lehrplänen passen, kann entgegnet werden, dass Letztere u. a. Sicherheitsvorschriften, Unfallverhütung, Schutzmaßnahmen, Arbeitsrecht etc. als Lehrziele bzw. -inhalte enthalten sind und in der Schulpraxis  diese bereits kompetent und in einer dafür ausgelegten Lernumgebung (z. B. Lehrwerkstätten) vermittelt werden. 

Der dritte Einwand lautet, dass die GU n. KJBG-VO auf spätere Inhalte des Lehrplans vorgreife. Ihr Ziel ist jedoch die Vermittlung von Risikokompetenz und eines fundierten Grundverständnisses für Arbeitssicherheit: „Der Schüler / die Schülerin soll … in die Lage versetzt werden, Gefahren, die durch die Ausübung des Lehrberufes entstehen, zu erkennen und zu vermeiden, die richtige Schutzausrüstung zu verwenden und berufsspezifische Maschinen und Geräte richtig einzusetzen.“ 

Dem Lehrplan soll ausdrücklich nicht vorgegriffen werden: „Die Unterweisung bezieht sich nicht auf qualifizierte Fertigkeiten und Kenntnisse, die nach den Lehrplänen erst im Zuge der weiteren Berufsausbildung vermittelt werden.2“

Benefits der GU n. KJBG-VO

Die GU n. KJBG-VO vermittelt Kompetenz beim Erkennen, Bewerten und Abwehren von berufsbedingten Risiken und wirkt den hohen Unfallraten bei Jugendlichen entgegen. Der Lehrbetrieb baut bei Unterweisungen im Betrieb auf die GU n. KJBG-VO auf und profitiert von der verkürzten Schutzfrist. Die Investition in Form der GU n. KJBG-VO zahlt sich für alle Beteiligten unmittelbar und für die Lehrlinge hoffentlich ein gesundes Berufsleben lang aus.

Quellen:

[1]   RIS - Beschäftigungsverbote und -beschränkungen für Jugendliche - Bundesrecht konsolidiert, Fassung vom 30.05.2023 (bka.gv.at)

[2]   Richtlinien der AUVA - Gefahrenunterweisung im Berufsschulunterricht gem. KJBG-VO

[3]   RIS - Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz 1987 - Bundesrecht konsolidiert, Fassung vom 30.05.2023 (bka.gv.at)

[4]   Erlass des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur, GZ 25.075/14-II/1/01 vom 17. Juli 2001

[5]   Beilage 1 zu Erlass des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur, GZ 25.075/14-II/1/01 vom 17. Juli 2001

Zusammenfassung

Mit der Gefahrenunterweisung im Unterricht des 1. Berufsschuljahrs begegnet die KJBG-VO Defiziten bei Risikokompetenz und Wissen zur Arbeitssicherheit der Lehrlinge. Bestätigt die Berufsschule die absolvierte Unterweisung, darf der Lehrling nach 12 Monaten statt nach 18 Monaten im Lehrbetrieb unter Aufsicht und Einhaltung aller Schutzvorschriften des KJBG an gefährlichen Maschinen arbeiten. 


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