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Digitalisierung

Arbeiten in einer digitalisierten Welt – Herausforderungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)

Welche Auswirkungen hat die vierte industrielle Revolution auf kleine und mittlere Betriebe? An ausgewählten Beispielen wird hier aufgezeigt, dass auch für KMU die Zukunft längst begonnen hat. Dieser Beitrag basiert auf einem Statement beim Internationalen Workshop KMU der IVSS im Rahmen des Forum Prävention der AUVA in Wien.

Kölner Dom mit einem Hängegerüst
Abb. 1: Kölner Dom mit einem Hängegerüst (aufgenommen im März 2017 von der Domplatte) Heinz Schmid

In der Fabrik der Zukunft, so eine Anekdote, gibt es nur noch zwei Beschäftigte: einen Menschen und einen Hund. Der Mensch hat die Aufgabe, den Hund zu füttern. Und der Hund hat aufzupassen, dass der Mensch keine Maschinen berührt. Ob das ein reales Zukunftsszenario ist? Mit Sicherheit und Seriosität kann das heute niemand sagen. Fest steht aber, dass die Digitalisierung – von Fachleuten als „vierte industrielle Revolution“ bezeichnet (die drei früheren industriellen Revolutionen begannen mit der Mechanisierung, der Elektrifizierung und der Automatisierung) – schon heute unser aller Leben privat wie beruflich gravierend verändert hat und weiterhin verändern wird. Die Einschätzung, welche Folgen diese Veränderungen für die Arbeitswelt haben werden, reichen von „nicht mehr als frühere industrielle Revolutionen“ bis hin zu der These, dass die meisten Menschen in der künftigen Arbeitswelt keiner klassischen Arbeit mehr nachgehen werden, wie wir sie heute kennen. Viele werden womöglich überhaupt nicht mehr arbeiten (müssen).

Beispiele

An einigen Beispielen soll gezeigt werden, welche Auswirkungen die mit der Digitalisierung einhergehenden technologischen Entwicklungen auf die Arbeitswelt, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU), haben könnten, wenn sie über ihre innovative Nische hinaus Verbreitung finden.

Beispiel 1: Einsatz von Flugdrohnen in verschiedenen Branchen
Die Restaurierung des Kölner Doms ist ein nie endendes Unterfangen. Wer, wie der Verfasser dieses Beitrags, in der Nähe des Kölner Doms lebt, kann beobachten, dass immer mindestens ein Gerüst an einem der beiden Türme in schwindelerregender Höhe und immer wieder an einer anderen Stelle montiert ist (siehe Abb.).

Gerüstbauer dürften in der Regel zu den KMU zählen, von denen es in Deutschland etwa drei Millionen gibt. Und Gerüstbauer, die solche Montagen an filigranen Bauten wie dem Kölner Dom befestigen, zählen sicherlich zu den Experten ihres Fachs. Im Zuge der Digitalisierung ist die Frage erlaubt, ob es künftig Roboter sein werden, die solche Gerüste aufbauen. Eine seriöse Antwort darauf kann derzeit niemand geben.

Franz Kafka, der wohl berühmteste Arbeitsschützer der Welt, hat einmal gesagt: „Verbringe die Zeit nicht mit der Suche nach einem Hindernis. Vielleicht ist keines da.“

Sind die vielen Szenarien, in denen die positiven wie die negativen Folgen der Digitalisierung dargelegt werden, womöglich nur künstlich aufgebauschte Nachrichten – ein „Medienhype“, wie man auf Neudeutsch sagt? Oder stecken wir schon so tief in der Thematik, dass sie uns wie selbstverständlich erscheinen? Oder spüren wir die Veränderungen möglicherweise deshalb nicht, weil sie größtenteils im Hintergrund ablaufen? Um diese Fragen versuchsweise zu klären, bleiben wir beim Gerüstbau. Von dieser Berufsgruppe werden heute schon vereinzelt sogenannte Flugdrohnen mit Kamera eingesetzt, um das Terrain auf Dächern oder Kirchtürmen zu sondieren, bevor dort Leitern, Gerüste oder andere Bauten errichtet werden. Auch Dachdecker können so gezielter ihre Entscheidungen treffen, Zeit und Geld sparen und in vielen Fällen die Unfallgefahr für ihre Beschäftigten senken, die ansonsten riskanter mit Leitern oder Fahrgerüsten hätten arbeiten müssen.

Nicht zuletzt verwenden inzwischen auch viele Feuerwehren Flugdrohnen, um Personen in brennenden Gebäuden zu orten, unbekannte Gefahrstoffe in Rauchen festzustellen oder einfach die Gefahrenlage zu sondieren. Damit können in erster Linie Menschenleben gerettet sowie die Sicherheit und der Gesundheitsschutz der Feuerwehrleute verbessert werden. Und es spart Zeit und Geld – von Folgekosten für die Gesellschaft ganz zu schweigen.

Es gibt sicherlich noch weitere Berufsgruppen, die sich ihre Arbeit mit Flugdrohnen nicht nur erleichtern, sondern auch sicherer und gesünder machen.

Beispiel 2: 3-D-Druck von Häusern
In China baut eine Firma mit sogenannten 3-D-Druckern Häuser. Dabei handelt es sich um keine einfach strukturierten, einstöckigen Rechteckhäuser, sondern um komplexe Villen. Auch das weltweit erste fünfstöckige Hochhaus wurde mittels dieser Technik errichtet. Wenn sich der 3-D-Druck beim Hausbau durchsetzt – und es spricht derzeit nichts dagegen –, dürften auch bei dieser neuen Technologie neben Zeit- und Kostenersparnis die Unfallzahlen sinken, da mehr Arbeiten in der Höhe nicht mehr von Menschen, sondern von einer Maschine erledigt werden.

Ob und welche Arbeitsplätze dabei möglicherweise verloren gehen, lässt sich – wie oben bereits ausgeführt – derzeit nicht abschätzen.

Beispiel 3: Exoskelette zur kraftschonenden Arbeit
Muskel- und Skeletterkrankungen sind in vielen Berufen (Bau, Pflege) seit Jahren ein Dauerthema. Seit einiger Zeit gibt es Bestrebungen, Menschen im Pflegedienst mit sogenannten Exoskeletten auszustatten, damit sie kraftschonender arbeiten können und bei steigenden Lebensarbeitszeiten bis zum Eintritt in die Rente gesund bleiben. Ein Exoskelett ist eine äußere Ummantelung ähnlich einer Rüstung, die den Nutzer, je nachdem, welche Körperpartien (Arme, Rücken, Schulter) belastet werden, als externe Kraft unterstützt.

Die Blaupause für solche Exoskelette als Präventivmaßnahme lieferten technische Ummantelungen für Menschen in der Rehabilitation, die dort Querschnittsgelähmten die Möglichkeit bieten, wieder aufstehen und gehen zu können. Auch für diese neue Technologie gilt: Wenn sie flächendeckend präventiv im Einsatz ist, dürfte die Zahl der Muskel- und Skeletterkrankungen deutlich zurückgehen – vorausgesetzt, die zu tragenden Lasten werden nicht zur Leistungssteigerung erhöht.

Schlussfolgerung

  1. KMU sind längst in der digitalisierten Arbeitswelt angekommen. Oder anders ausgedrückt: Die Zukunft hat bereits begonnen.
  2. In KMU flächendeckend meist noch nicht vollzogen sind die betriebsinterne Vernetzung der Einzelkomponenten und die Vernetzung mit anderen betroffenen Beteiligten wie verschiedenen Zulieferern, anderen Gewerken etc. Viele Handwerker benutzen heute schon digitalisierte Geräte wie zum Beispiel Laserentfernungsmesser zum Ausmessen. Eine Verbindung zum Büro oder zu anderen Partnern (zum Beispiel Lieferanten) herzustellen, dürfte technisch kein sehr großer Schritt mehr sein. Die Digitalisierung muss sich für KMU aber finanziell lohnen.
  3. Die auf der Digitalisierung basierenden neuen Technologien könnten zur lang ersehnten Humanisierung der Arbeitswelt führen. Die Arbeitsschützer könnten damit der „Vision Zero“ – einer Welt ohne Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten – näher kommen.
  4. Aber: Mit den neuen digitalen Technologien haben sich schon heute Arbeitsabläufe in den Betrieben stark verdichtet, Prozesse enorm beschleunigt, Verantwortungen für Beschäftigte gravierend zugenommen und psychische Belastungen am Arbeitsplatz nachweislich erhöht. Das ist ein ernstzunehmendes Risiko, das bei der Digitalisierung nicht aus den Augen verloren werden darf!

Zusammenfassung

Der Autor zeigt anhand von Beispielen auf, welche Herausforderungen auf kleine und mittlere Unternehmen durch die Digitalisierung zukommen werden.


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