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Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Eigentlich auch ein Präventionsthema

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
Adobe Stock / Photographee.eu

Heute sind junge Frauen schon schockiert, wenn ihnen ein Professor über die Wange streicht“, sagte die Autorin Barbara Frischmuth am 30. 6. 2021 im Interview mit dem Standard und löste damit durchaus einiges an Befremden aus. Die 90-jährige Autorin schloss daran die Aufforderung, dass man als „Mädel“ bitte tougher werden solle, denn sonst nähmen die Frauen wieder Opferrolle ein. Und die sei nicht lustig, man müsse agieren, es helfe nicht, immer nur anzuklagen.

Was sie unter „agieren“ genau versteht, sagte sie leider nicht – und dass es schon auch Mut braucht, öffentlich zu sagen, was einem passiert ist, ebenso wenig. 

Es wird sich nicht normieren lassen, was von wem in welcher Situation als übergriffig empfunden wird und was nicht. Jede und jeder kann und soll die eigenen Grenzen selbst ziehen dürfen – und soll erwarten dürfen, dass diese Grenzen grundsätzlich respektiert werden. So wäre das in einer idealen Welt – aber in der leben wir nicht.

„Jedes Mal, wenn der Wirt bei mir am Zapfhahn vorbeiging, bekam ich einen Klaps auf den Hintern. Das gehörte einfach dazu, seine Frau hat das auch einfach übersehen.“

„Die berühmte Besetzungscouch gibt es wirklich. Auch in Österreich. Mehrmals wurde ich aufgefordert, es mir dort doch gemütlich zu machen. Bis es ungemütlich werden würde. Die Rollen, die mir dafür angeboten wurden, waren klein und die Herren Regisseure unbedeutend.“

„Als es klopfte, dachte ich, eine Schülerin brauche etwas. Es war aber der stellvertretende Schuldirektor und gleichzeitig Schikursleiter, dem ich – ohne jeglichen Argwohn – im Nachthemd öffnete. Die Situation wurde sofort unangenehm, als er mich rückwärts zum Bett drängte. Alle Appelle an seine Vernunft scheiterten kläglich.“ 

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kann verschiedenste Facetten haben

Beate Mayer

„Übergriffe auf Brust und Po und zwischen die Beine musste ich von einem übereifrigen Schauspiellehrer über mich ergehen lassen. Er hat mir und anderen hübschen Frauen eingeredet, wir sollten uns doch nicht so anstellen, es sei ja nichts  dabei. Von unseren Partnern würden wir uns das ja auch gefallen lassen. Wir waren sehr jung damals, unerfahren, schüchtern.“ 

Im Bundesgesetz über die Gleichbehandlung wird recht deutlich ausgeführt, dass sexuelle Belästigung vorliegt, „wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist“. 

Ein Thema mit vielen Facetten

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kann verschiedenste Facetten haben – die Übergriffe können visuell, verbal oder körperlich sein, bzw. die Form sexueller Erpressung annehmen. [1].

Für Dienstgeberinnen und Dienstgeber wichtig ist, dass sie ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen sexuelle Belästigung durch Kolleginnen und Kollegen bzw. Kundinnen und Kunden zu schützen haben.

Vielen ist eventuell gar nicht bewusst, dass auch Poster von Pin-ups und pornografische Bilder am PC unter sexuelle Belästigung fallen, ebenso wie jemandem hinterherzupfeifen oder ihn/sie mit Blicken zu taxieren. Anzügliche Bemerkungen zur Figur oder sexuellem Verhalten im Privatleben sind genauso zu unterlassen wie Telefonate oder E-Mails mit eindeutigen Anspielungen, „zufällige“ körperliche Berührungen und sonstige Aufforderungen zu sexuellen Handlungen. 

Wie erwünschtes Verhalten aussieht, versuchen viele Firmen durch entsprechende Betriebsvereinbarungen darzustellen. Die meisten beschreiben durchaus ganz gut, was zu unterlassen wäre, aber weit weniger ausführlich, was bei Missachtung der Vereinbarung zu tun ist. 

„Ich würde mich nicht schämen dafür, sondern dafür sorgen, dass der Typ sich schämt. Ich würde es Kolleginnen erzählen und sie vor solchen Männern warnen.“

„Heute würde ich laut und deutlich artikulieren, dass seine Hände nichts auf meinem Körper zu suchen hätten. Andernfalls würde ich ihn wegen sexueller Belästigung anzeigen.“

„Berufsanfängerinnen würde ich mitteilen, dass sie sich sexuelle Belästigungen nicht nur einbilden, sondern die tatsächlich stattfinden, wenn es sich so anfühlt, wenn der Kollege ‚zufällig‘ die Hand aufs Knie legt oder einen statt auf die hingehaltene Wange auf den Mund küsst. Ich würde ihnen raten, auch bei Kleinigkeiten die Männer darauf anzusprechen und sofort Grenzen zu setzen. Bei sexistischen Witzen nicht mitzulachen, sondern zu sagen: Das ist für mich sexistisch und hat am Arbeitsplatz nichts verloren.“

Wie kann man sich wehren?

Als Opfer sollte man als erstes natürlich „Nein“ sagen, wenn man kann, und den Belästiger auf sein unerwünschtes Verhalten hinweisen. Das sollte man samt der Reaktion dokumentieren. Darüber hinaus sollte man auch auf einer Entschuldigung bestehen und sich versprechen lassen, dass es zu keinen weiteren derartigen Vorkommnissen kommt. 

Wenn die Botschaft nicht ankommt, sollten unbedingt weitere Kolleginnen oder Kollegen, denen man vertraut, Mitglieder der Belegschaftsvertretung oder Gleichbehandlungsbeauftragte, wenn es sie gibt, informiert werden, und sämtliche Vorfälle mit Datum und Uhrzeit dokumentiert werden. Betriebsräte sind auf jeden Fall prinzipiell zur Verschwiegenheit verpflichtet. 

Schwierig für jede betroffene Person wird es insbesondere dann sein, wenn das allgemeine Betriebsklima rau ist, wenn sie in der Hierarchie weit unter den Belästigenden angesiedelt ist oder wenn sie – wie es häufig der Fall ist – in den Chefetagen nur auf Männer trifft. Es wird wohl im Einzelfall zu entscheiden sein, wer als geeignete Anlaufstelle dienen kann – ein Ignorieren oder Nicht-Ansprechen wird niemals zielführend sein. In solchen Fällen muss sich die betroffene Person Unterstützung außerhalb des Unternehmens suchen: bei der Arbeiterkammer, der Gewerkschaft oder direkt bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft unter der Telefonnummer 0800 206 119.

Das Projekt Act4Respect bietet in Kooperation mit der AK österreichweit telefonisch unter der Nummer 0670 600 70 80 Unterstützung, allgemeine Auskünfte, Einzelberatungen im Raum Wien, Sensibilisierungsworkshops für Lehrlingsgruppen an Wiener Berufsschulen sowie Informationsveranstaltungen für Wiener Unternehmen an. Auch das „Chancen-Nutzen-Büro“ des ÖGB und die Beratungsstellen der Gewerkschaft in den Bundesländern helfen bei Fragen und Unsicherheiten zu diesem Thema weiter. 

Arbeitgebende trifft die Fürsorgepflicht

Insbesondere an Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber richtet sich der Leitfaden der Gleichbehandlungsanwaltschaft „Abhilfe gegen sexuelle Belästigung“, der auf der Website der Gleichbehandlungsanwaltschaft [2] heruntergeladen werden kann. Bei sexueller Belästigung im Unternehmen müssen Handlungen gesetzt werden, die weitere Belästigungen verhindern. Diese Abhilfeverpflichtung entspringt der allgemeinen Fürsorgepflicht. 

Arbeitnehmerinnen, die sich gegen sexuelle Belästigung zur Wehr setzen, sowie diejenigen, die sie dabei unterstützen, dürfen auch nicht aus diesem Grund gekündigt oder entlassen werden. Wird das Arbeitsverhältnis dennoch beendet, kann die Kündigung oder Entlassung gerichtlich angefochten werden. 

Sinnvoll ist sicher auch, innerbetriebliche Sanktionen zu setzen – und besonders wichtig ist, gerade als verantwortungsvolles Unternehmen bei diesem Thema eine klare, konsequente Haltung zu beziehen.

Zusammenfassung

Die Autorin beleuchtet die verschiedenen Formen der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz und zeigt auf, wie Betroffene darauf reagieren sollen und welche Maßnahmen Arbeitgebende im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht treffen müssen.


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