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AUVAFIT

Gute Reifen, gute Sicht

Bei der Energie AG Oberösterreich Umwelt Service GmbH hat AUVAfit für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Radladerfahrerinnen und -fahrern gesorgt.

Blick auf eine Straße, LKW, Anhänger mit Mulde und Haus, Fokus auf eine Kamera
Mit den Augen der Fahrerin bzw. des Fahrers: An den Standorten Steyr und Wels analysierte man die Arbeitsplätze unter anderem mit Hilfe des Viewpointsystems. Energie AG OÖ

Langes Sitzen belastet den Bewegungs- und Stützapparat, in der Folge kann es zu Muskel-Skelett-Erkrankungen kommen. Das betrifft Personen an Büroarbeitsplätzen genauso wie Lenkerinnen und Lenker von Fahrzeugen bzw. selbstfahrenden Arbeitsmitteln. Beide Tätigkeitsbereiche ließ die Energie AG Oberösterreich Umwelt Service GmbH im Rahmen von AUVAfit analysieren und setzte daraufhin mehrere Verbesserungsmaßnahmen um. Bei der AUVA-Informationsveranstaltung „Packen wir’s an! Gestaltung von Arbeitsplätzen zur Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen“ am 30. September 2021 in Wien wurde das Unternehmen als Good-Practice-Betrieb präsentiert.

Die Energie AG Oberösterreich Umwelt Service GmbH ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Energie AG Oberösterreich und bietet bundesweit Entsorgungsdienstleistungen an, die von der Sammlung über die Sortierung bis zur Wiederverwertung reichen, zusätzlich Wasser- und Kanalservices für Gemeinden, Gewerbe- und Industriekunden. Das Unternehmen lässt sich bereits seit Jahren von der AUVA-Landesstelle Linz beraten. Bei einem Betriebsbesuch im Februar 2018 stellten AUVA-Expertinnen und -Experten AUVAfit, ein Programm zur Verbesserung der Qualität der Arbeitsplätze, vor. Dieses nahm die Energie AG Oberösterreich Umwelt Service GmbH für drei ihrer Standorte in Anspruch.

Analysemethoden

An zwei Standorten – Steyr und Wels – analysierte man die Arbeitsplätze der Radladerfahrerinnen und -fahrer, in Redlham die in der Disposition. Während der Analysephase, die von Mai bis Oktober 2018 dauerte, wurden verschiedene Verfahren und Instrumente eingesetzt. Dazu zählte der AUVA Ergo Check, ein Analysetool zur Erstellung eines ergonomischen Belastungsprofils am Arbeitsplatz. „Beim AUVA Ergo Check beurteilt man verschiedene Dimensionen der Arbeit, z. B. Arbeitsplatzgestaltung, globale körperliche Belastung, Arbeitshaltung und -bewegung, Unfallrisiko und Beleuchtung“, erklärt Martina Lettner, BSc, MPH, fachkundiges Organ Ergonomie von der AUVA-Landesstelle Linz.

Ebenfalls zur Anwendung kam der SUVA Ergo-Test der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt. Bei diesem Test werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei ihrer sitzenden Tätigkeit beobachtet. Man ermittelt die Belastungen für die einzelnen Körperregionen vom Kopf bis zu den Füßen und teilt sie in Belastungsstufen ein. Diese ergeben sich aus der Abweichung von der richtigen Haltung, zusätzlichen Erschwernissen und der Zeitspanne, während der die Person die sitzende Haltung einnimmt.

Bei den Radladerfahrerinnen und -fahrern führte die AUVA zusätzlich eine Blickanalyse mit dem Eyetracking-System des Wiener Technologieunternehmens „Viewpointsystem“ durch. Eine Brille mit fünf Kameras zeichnet sowohl die Bewegungen der Pupillen als auch nach vorne gerichtet die im Blickfeld der Trägerin bzw. des Trägers liegende Umgebung auf. Die Bilder der Kameras werden mittels einer Software übereinandergelegt. Das ermöglicht, die Blicke zu verfolgen und anschließend zu analysieren. „Auf dem Video sieht man genau, wo die Fahrerin bzw. der Fahrer hinschaut. Wir waren erstaunt, mit welcher Menge an Informationen man beim Fahren konfrontiert ist“, so DI Laszlo Harasztos, Sicherheitsfachkraft und Leiter der Stabsstelle Sicherheit und Gesundheitsschutz der Energie AG Oberösterreich Umwelt Service GmbH.

Halle mit sandigem Boden
Bereiche mit besonders hoher Staubentwicklung in der Halle sind in Wels nun mit Planen abgetrennt. Energie AG OÖ

Schwerpunkt Radlader

Eine derartige Informationsüberflutung kann Stress erzeugen, der sich in Form von Verspannungen auf den Körper auswirkt. Eine weitaus größere Rolle spielte bei den Radladerfahrerinnen und -fahrern jedoch, dass sie stundenlang im Fahrzeug sitzen. „Bei der andauernden Lenktätigkeit sind vor allem die Arbeitshaltung und der Bewegungsmangel ein Problem“, stellt Lettner fest. Abhilfe schaffen lässt sich durch Pausen, die man für Bewegungsübungen nutzt.

Beschwerden beim Lenken von Fahrzeugen oder selbstfahrenden Arbeitsmitteln werden häufig durch ergonomisch ungünstige Sitze verursacht. Diesbezüglich gab die AUVA sowohl in Steyr als auch in Wels Entwarnung. Allerdings bietet selbst der beste Sitz nur dann eine optimale Unterstützung, wenn er individuell angepasst ist. Hier ortete Harasztos Verbesserungspotenzial: „Die Lenkerinnen und Lenker haben die Einstellungsmöglichkeit ihres Sitzes oft nicht genutzt. Die AUVA hat sie darüber informiert, wie der Sitz richtig eingestellt wird.“

Standort Steyr

Bei den Radladern am Standort Steyr stellte die AUVA fest, dass die Reifen für den Einsatz in der Halle nicht optimal waren. Neue Reifen, die weniger Vibrationen verursachen, wurden angeschafft. Eine weitere Belastung identifizierte man laut Harasztos anhand der vom Eyetracking-System aufgenommenen Videos: „Bei der Beladetätigkeit entsteht Staub, der sich auf der Windschutzscheibe absetzt. Die schlechte Sicht erzeugt Stress und beeinträchtigt die Sicherheit. Erkannt haben wir das erst durch den Einsatz des Viewpointsystems. Davor hat niemand bemerkt, wie stark die Windschutzscheiben verschmutzt waren.“

DI Laszlo Harasztos
DI Laszlo Harasztos, Sicherheitsfachkraft und Leiter der Stabsstelle Sicherheit und Gesundheitsschutz der Energie AG Oberösterreich Umwelt Service GmbH Energie AG OÖ
Martina Lettner
Martina Lettner, BSc, MPH, Fachkundiges Organ Ergonomie von der AUVA-Landesstelle Linz privat

Zur Reduktion der Staubbelastung wurden mehrere Maßnahmen getroffen. Kunden, die Pulverlacke in die Anlage in Steyr zur Absackung liefern, erhielten die Information, dass nur mehr in Big Bags abgefüllte Pulverlacke übernommen werden. Die Radlader werden nun häufiger gereinigt, um eine Behinderung der Sicht durch Staub auf der Windschutzscheibe zu vermeiden.

Die Reinigung der Radlader erfolgt in einer neuen Waschbox, die mit zusätzlichen Reinigungsgeräten und -mitteln ausgestattet ist. Zur Beleuchtung der Waschbox dienen blendfreie LED-Strahler. Die Errichtung der neuen Waschbox war notwendig, weil die alte einer geplanten Zufahrtsstraße durch das Firmengelände im Weg stand und abgerissen wurde.

Bei der andauernden Lenktätigkeit sind vor allem die Arbeitshaltung und der Bewegungsmangel ein Problem

Martina Lettner

Diese neue Straße bezeichnet Harasztos als die wichtigste der Verbesserungsmaßnahmen, die am Standort Steyr umgesetzt wurden. Ursprünglich verlief der Transportweg der Radlader über die stark befahrene Haager Straße und weiter über den Hof der Anlage. Jetzt erfolgt die Anfahrt durch die verkehrsarme Messererstraße und die neue Zufahrtsstraße. „Die Radlader haben früher eine lange Wegstrecke zurückgelegt. Die Strecke ist durch die Verlegung des Transportwegs kürzer und sicherer geworden“, erklärt Lettner.

Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Hof den Weg der Radlader zwischen Pkw-Parkplatz und Bürogebäude kreuzen mussten, ist damit eine Gefahr weggefallen. Mehr Sicherheit brachte auch eine rote Ampel mit Bewegungsmelder am Annahmeplatz, die anzeigt, wenn sich im Gefahrenbereich Personen oder Fahrzeuge befinden.

Standort Wels

Am Standort Wels war man mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert wie in Steyr. Die geschäumten Reifen der Radlader, die eingesetzt wurden, weil sie weniger anfällig für eine Perforation beim Auffahren auf die angelieferten Abfälle sind als luftgefüllte Reifen, erzeugten zu starke Vibrationen. Sie wurden daher gegen teurere Vollgummireifen getauscht.

Zur Reduktion der Staubbelastung setzte man auch in Wels mehrere Maßnahmen. Der Annahmeplatz wurde aus der Halle hinaus ins Freie verlegt. Bereiche mit besonders hoher Staubentwicklung in der Halle sind nun mit Planen abgetrennt. Die Bedüsung bestimmter Bereiche, z. B. Segmente der Anlieferhalle und einzelne Anlagenteile, wurde verstärkt und erweitert – mit Erfolg, wie Harasztos betont: „Das Messprotokoll der Österreichischen Staub-(Silikose-)Bekämpfungsstelle vom November 2019 hat die Wirksamkeit dieser Maßnahme bestätigt.“

Um die Staubbelastung für die Radladerfahrerinnen und -fahrer weiter zu verringern, wurde eine staubabweisende Nanobeschichtung der Fahrerkabine der Radlader in Erwägung gezogen. Eine genauere Prüfung ergab, dass sich diese Anschaffung wegen zu geringer Effizienz und zu hoher Kosten nicht rentiere. Stattdessen verkürzte man die Intervalle der Kabinenreinigung.

Nicht nur Staub, auch in der Fahrerkabine angebrachte Bildschirme können die Sicht der Radladerfahrerin bzw. des -fahrers beeinträchtigen. Die Aufnahmen des Viewpointsystems zeigten, dass die Bildschirme das Sichtfeld einschränken. Sie sind allerdings für den Radladerbetrieb notwendig und keiner von ihnen darf entfernt werden.

Mit der Erneuerung der Beleuchtung wurde bereits vor AUVAfit begonnen. „Die Beleuchtung hat nicht mehr dem Stand der Technik entsprochen. In der Annahmehalle wird der Abfall angeliefert und mit Radladern zum Schredder gebracht. Durch die schlechte Ausleuchtung und den Staub hat die Radladerfahrerin bzw. der -fahrer nicht genau gesehen, was sie bzw. er in die Ladeschaufel nimmt und ob sich Personen im Gefahrenbereich aufhalten. Das hat zu Stress geführt“, beschreibt Harasztos die Situation, die sich durch das Anbringen blendfreier LED-Lampen und durch Staubreduktion deutlich verbesserte.

Damit sich für die Radladerfahrerinnen bzw. -fahrer die Zeit verkürzt, die sie im Fahrzeug sitzend verbringen, schlug die AUVA vor, während der acht Stunden dauernden Schicht einen Tätigkeitswechsel durchzuführen. Das wird je nach Verfügbarkeit der Arbeitskräfte, die die erforderliche Qualifikation aufweisen, umgesetzt. „Wenn ich in einer Schicht drei Personen habe, die Radlader fahren können, ist ein Wechsel möglich“, so Harasztos.

Standort Redlham

In Redlham zeigte eine schon vor AUVAfit durchgeführte Befragung der Disponentinnen und Disponenten, dass psychische Belastungen vorlagen. „In der Disposition ist unser Schwerpunkt auf der arbeits- und organisationspsychologischen Beratung gelegen. Die Angestellten haben in einem Großraumbüro gearbeitet. Die Lärmbelastung war hoch, Telefonate, die Kolleginnen und Kollegen geführt haben, sind als störend empfunden worden. Ein Rückzugsort hat gefehlt. Auch die ergonomische Gestaltung der Arbeitsplätze war nicht optimal“, erinnert sich Lettner.

Blick iin ein Büro
In Redlham konnte durch den Umbau der Disposition die psychische Belastung der Beschäftigten reduziert werden. Energie AG OÖ

Die Expertinnen und Experten der AUVA sprachen mit den Disponentinnen und Disponenten, um auch deren Ideen für eine Lösung des Problems mit einbeziehen zu können. Als besonderer Stressfaktor wurde genannt, dass man im selben Raum telefonierte und gleichzeitig Kontakt zu den Lkw-Fahrerinnen und -fahrern sowie zu den Kundinnen und Kunden hatte. Die Arbeit musste dadurch immer wieder unterbrochen werden.

Diese Situation ließ sich nur durch einen Umbau verbessern. „Der Dispo-Leiter hat vorgeschlagen, einen separaten Raum in der Nähe der Disposition zu schaffen, in dem vertrauliche Gespräche geführt und Arbeiten ohne Störungen erledigt werden können“, führt Harasztos einen konkreten Verbesserungsvorschlag an. Dieser wurde umgesetzt, der gewünschte Raum ist durch eine Glaswand vom Büro der Disponentinnen und Disponenten abgetrennt. Auch zur Reduktion der Arbeitsunterbrechungen fand man eine bauliche Lösung. Für die Lkw-Fahrerinnen und -fahrer wurde ein eigener Vorraum errichtet, in dem die nötigen Unterlagen aufliegen und kopiert werden können. Der Kontakt zu den Disponentinnen und Disponenten wurde dadurch wesentlich reduziert; ist er erforderlich, findet er über ein Fenster zum Disponenten-Raum statt.

Ein neuer Blickwinkel

Im April 2020 wurde das AUVAfit-Projekt abgeschlossen. „Für die Energie AG Oberösterreich Umwelt Service GmbH war es interessant, neue Verfahrensmethoden kennenzulernen und die Firma dadurch aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten“, fasst Lettner das Feedback aus dem Unternehmen zusammen. Auch bei den Angestellten, die als Expertinnen und Experten für ihre eigenen Arbeitsplätze in den Prozess mit eingebunden waren, ortet sie eine große Akzeptanz für die Veränderungen.

Harasztos zieht sowohl bezüglich des Ablaufs als auch im Hinblick auf die Ergebnisse eine positive Bilanz: „Durch das professionelle Auftreten der AUVA-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter hat es keine Betriebsbehinderungen in der täglichen Arbeit gegeben. Die Maßnahmen haben zu mehr Sicherheit und Komfort am Arbeitsplatz geführt und dadurch auch das Arbeitsklima verbessert.“

Zusammenfassung

Die Energie AG Oberösterreich Umwelt Service GmbH nahm AUVAfit zur Prävention körperlicher und psychosozialer Belastungen in Anspruch. An den Standorten Steyr und Wels lag der Schwerpunkt auf der Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Radladerfahrerinnen und -fahrer, in Redlham wurden nach einer arbeits- und organisationspsychologischen Beratung Maßnahmen zur Stressreduktion in der Disposition gesetzt. 


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