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„Ausgezeichneter“ Gesundheitsschutz

Durch gelagerte Alu-Profile spiegelt sich Licht.
R. Gryc

Die AUVA zeichnet gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Österreich Klein- und Mittelbetriebe, die vorbildliche Leistungen im Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz erbringen, mit der Goldenen Securitas aus. In den Kategorien „Sicher und gesund arbeiten“ und „Innovativ für mehr Sicherheit“ werden oft Maßnahmen prämiert, die zur Verhinderung von Muskel-Skelett-Erkrankungen beitragen. Noch Jahre danach lassen sich in den ausgezeichneten Unternehmen positive Auswirkungen wie weniger Krankenstandstage und eine höhere Arbeitszufriedenheit feststellen.

Bei der Informationsveranstaltung „Packen wir’s an! Gestaltung von Arbeitsplätzen zur Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen“ am 30. September 2021 in Wien präsentierte AUVA-Kampagnenmanagerin Dr. Marie Jelenko ausgewählte Betriebe, die für die Goldene Securitas 2016 bzw. 2018 nominiert worden waren. Die Veranstaltung fand im Rahmen der aktuellen Kampagne der EU-OSHA „Gesunde Arbeitsplätze – Entlasten Dich!“ statt, an der sich die AUVA mit ihrem Präventionsschwerpunkt 2021/22 „Packen wir’s an!“ beteiligt. „Ein Fünftel aller Krankenstandstage wird durch MSE verursacht. Jeder zehnte Arbeitsunfall steht in Zusammenhang mit körperlicher Belastung“, betonte Jelenko. Präventionsmaßnahmen seien notwendig, aber in kleinen Betrieben organisatorisch und finanziell oft schwieriger umzusetzen. Andererseits hätten KMU aufgrund ihrer Strukturen ein großes Potenzial für flexible und unkomplizierte, auf den jeweiligen Betrieb zugeschnittene Ideen und Lösungen, so die AUVA-Kampagnenmanagerin.

„Die Firmen berichten unter anderem, dass akute Rückenerkrankungen und körperliche Beschwerden zurückgegangen sind und die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestiegen ist. Nachwuchsprobleme sind gelöst worden, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können vielfältiger eingesetzt werden. Durch Verbesserungen wie die Verkürzung während der Arbeit zurückgelegter Wege hat sich auch der Zeitaufwand in der Produktion reduziert“, fasste Jelenko die positive Wirkung der Maßnahmen in den für die Goldene Securitas nominierten Betrieben zusammen.

Wie sich zu starke Belastungen des Bewegungs- und Stützapparats insbesondere bei der Handhabung von Lasten bemerkbar machen, erklärt Dr. Kurt Leodolter, MSc, Facharzt für Arbeitsmedizin vom Unfallverhütungsdienst der AUVA-Landesstelle Graz: „Erste Symptome sind unspezifische Rückenschmerzen. Bei einer längeren Körperzwangshaltung kommt es zu einer Störung der Durchblutung. Man versucht stärker anzuspannen und ermüdet dadurch schneller. Als Langzeitfolgen können Schäden des Muskel-Skelett-Systems auftreten.“

Wagner Stahl-Technik & Zuschnitt

2016 wurde die Goldene Securitas in der Kategorie „Sicher und gesund arbeiten“ an die Alfred Wagner Stahl-Technik & Zuschnitt GmbH aus Pasching in Oberösterreich vergeben. Der Familienbetrieb ist schwerpunktmäßig im Spezialfahrzeugbau sowie im Maschinen- und Anlagenbau tätig. Im Rahmen von AUVAfit setzte das Unternehmen gesundheitsfördernde Maßnahmen insbesondere im Hinblick auf alternsgerechtes Arbeiten.

„Da in unserem Betrieb Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Altersgruppen beschäftigt sind, haben wir 2015 ‚Mitarbeitergesundheit und alternsgerechtes Arbeiten‘ zum Jahresthema gemacht. Unser Ziel war, sowohl in der Produktion als auch im Bürobereich ergonomische Verbesserungen zu erreichen“, erklärt Geschäftsführerin Christina Wagner. Acht Arbeitsplätze in den Tätigkeitsbereichen Schleifen, Abräumen und Bedienung von Maschinen sowie in der Kommissionierung, in der Logistik und im Büro wurden im Zuge von AUVAfit evaluiert.

„Für das Abräumen hat Wagner Stahl-Technik & Zuschnitt höhenverstellbare fahrbare Paletten angeschafft, auf denen die Teile geschlichtet werden. Die richtige Höhe ist zentral, man muss die Arbeitsbedingungen an den Menschen anpassen und nicht umgekehrt“, kommentiert Leodolter diese Maßnahme. Ist die Arbeitshöhe zu hoch, treten häufig Verspannungen im Bereich von Schultern und Nacken auf. Bei einer zu niedrigen Arbeitshöhe muss der Rücken übermäßig gebeugt werden, was zu Rückenbeschwerden führt.

Mann mit Helm und Gehörschutz hebt schwere Platten an.
Höhenverstellbare fahrbare Paletten erleichtern bei Wagner das Schlichten der Teile. Rainer Gryc

Auch im Büro lag der Fokus darauf, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die passende Arbeitshöhe zu schaffen. Beschäftigte, die hauptsächlich mit Dateneingaben befasst sind, erhielten zur Entlastung der Schultern Dokumentenablagen in ergonomisch optimaler Höhe. Sämtliche Büroarbeitsplätze wurden mit neuen Bürosesseln ausgestattet, eine kleinere Mitarbeiterin bekam zusätzlich eine Fußstütze. Der AUVAfit-Experte Dr. Paul Scheibenpflug, Sport- und Kommunikationswissenschafter, zeigte Übungen zur Mobilisierung der Nacken- und Rückenmuskulatur vor, die in der Folge als tägliche Bewegungseinheiten durchgeführt wurden.

Auch nach Beendigung des AUVAfit-Projekts setzte Wagner Stahl-Technik & Zuschnitt ergonomische Verbesserungen um. „2018 haben wir den gesamten Kommissionierungsplatz umgestaltet. Elektrische Hubwagen bringen die Paletten beim Palettieren auf die richtige Höhe. Der Großteil der Kommissionierpaletten befindet sich jetzt in einem Regal, das eine Arbeitshöhe von 60 bis 80 Zentimetern hat“, beschreibt Betriebsleiter Christian Aufreiter die jüngste Neuerung. Sie wird nicht die letzte sein; im Oktober 2021 fanden Gespräche mit der AUVA zu weiteren möglichen Maßnahmen statt.

Glas Metall Salzgeber

Die Goldene Securitas 2016 in der Kategorie „Innovativ für mehr Sicherheit“ ging an die GMS Glas Metall Salzgeber GmbH aus Dornbirn. Der auch im benachbarten Ausland tätige Kleinbetrieb war im Zuge eines Großauftrags mit einer besonderen Herausforderung konfrontiert: In einem baufertigen Spital im deutschen Heilbronn sollten 160 schadhafte Glasfenster ausgetauscht werden. Das Spital war bereits vollständig ausgestattet, weshalb im Inneren wenig Platz für die Manipulation zur Verfügung stand. Ein Austausch der Glasscheiben von außen mit Hilfe eines Mobilkrans kam aufgrund der baulichen Gegebenheiten nicht in Frage.

Die Möglichkeit, die Arbeit händisch zu erledigen, verwarf GMS, da dies mit einer zu großen körperlichen Belastung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und einem erhöhten Unfallrisiko verbunden gewesen wäre. „Bei einem manuellen Einbau müssen die schweren Glasscheiben in Schrägposition von innen oder von außen vom Gerüst aus gehoben werden. Das hohe Gewicht und die Einseitigkeit der Bewegung belasten das Muskel-Skelett-System stark“, erklärt Leodolter.

Ein Roboter hilft beim Anheben einer großen Glasplatte
Ein umgebauter Glasroboter ermöglicht die körperschonende Fenstermontage. Rainer Gryc

Eine Lösung des Problems konnte schließlich in mehreren Besprechungen und einem Brainstorming zum Sammeln von Ideen sowie anhand von praktischen Versuchen gefunden werden – durch Umbau eines Glasroboters. Zur Montage von Glasscheiben eingesetzte Roboter verfügen über hydraulische Vakuum-Saugköpfe, mit denen die Glasplatten gehoben, transportiert und installiert werden. Im Fall des Heilbronner Spitals waren die ausfahrbaren Roboterarme mit den Saugköpfen zu kurz, um das Glas durch die Fensteröffnung nach draußen zu heben, zu drehen und einzubauen. Außerdem ließen sich die Saugköpfe nicht weit genug drehen.

„Wir haben einen längeren Roboterarm konstruiert, der eine nach oben gezogene Nase hat, damit er einen autonomen 2-Kreis-Vakuumsauger mit einem Kranhaken aufnehmen kann. Durch den längeren Arm des Roboters haben sich die Gläser genügend weit durch die Fensteröffnung fahren lassen, um sie um 90 Grad drehen zu können“, beschreibt Geschäftsführer Willy Salzgeber.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mussten die Glasscheiben weder vom Gerüst aus noch von innen heben, sondern zum Einbau nur leicht andrücken. Damit konnte die Arbeit nicht nur rückenschonend und unfallfrei erledigt werden, sondern auch wesentlich effizienter und kostengünstiger: Statt vier bis fünf Glasfenstern pro Tag wurden durchschnittlich 16 ausgetauscht.

Bremetall Sonnenschutz

Nominiert für die Goldene Securitas 2016 in der Kategorie „Innovativ für mehr Sicherheit“ wurde die Bremetall Sonnenschutz GmbH aus Thaur bei Innsbruck, die textilen Sonnenschutz wie Rollos und Markisen für den Außenbereich herstellt. Mit AUVAfit wollte das Unternehmen eine ergonomisch günstigere Lösung für die Manipulation großer, schwerer Produkte finden.

KMU haben aufgrund ihrer Strukturen ein großes Potenzial für flexible und unkomplizierte, auf den jeweiligen Betrieb zugeschnittene Ideen und Lösungen.

Marie Jelenko

„Bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Bremetall sind vermehrt Rückenbeschwerden aufgetreten. Man hat Großpakete mit Sonnenschutz, bis zu sieben Meter lang und durchschnittlich 50 bis 70 kg schwer, auf die Waage heben müssen. Das haben zwar mehrere Personen gemeinsam gemacht, allerdings hat es dabei Probleme durch die unterschiedliche Größe und Stärke der Beteiligten gegeben“, schildert Leodolter die Situation. Die Lasten, die händisch manipuliert werden mussten, summierten sich auf rund 1.500 kg pro Tag.

2015 wurde eine automatisch betriebene Hubwaage in die Verpackungsstraße integriert. Christoph Klingler, Leiter der Produktion der Firma Bremetall, der die Waage mitentwickelt hat, beschreibt deren Funktionsweise: „Das fertige Produkt, z. B. eine Markise oder ein Außenrollo, wird auf der Verpackungsstraße in Karton verpackt, über eine Rollbahn auf die Waage geschoben, samt der Waage pneumatisch gehoben, abgewogen und dann wieder pneumatisch gesenkt.“ Die Idee für diese Neuerung entstand im Gespräch mit Expertinnen und Experten der AUVA. Die größte Herausforderung bestand in der Frage, was man tun könne, nicht wie. Der Aufwand für die in Eigenbau hergestellte Verpackungsstraße habe sich in Grenzen gehalten, zeigt sich Klingler begeistert.

Der Erfolg der pneumatischen Waage wird auch im Vergleich anhand der Leitmerkmalmethode „Manuelles Heben, Halten und Tragen von Lasten“ deutlich: Die Einstufung der Belastung wechselte vom roten in den grünen Bereich. Die Rückenbeschwerden der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ließen deutlich nach. 2016 folgte, motiviert durch den großen Erfolg der Maßnahme, eine zweite Verpackungsstraße gleicher Bauweise.

Planholz Zimmerei

2018 konnte sich die Planholz Zimmerei GmbH aus Neukirchen an der Vöckla über eine Nominierung für die Goldene Securitas in der Kategorie „Innovativ für mehr Sicherheit“ freuen. Das in den Bereichen Zimmerei und Holzbau tätige oberösterreichische Unternehmen war auf der Suche nach einer Möglichkeit, die Belastung durch Heben und Tragen nicht nur am eigenen Standort, sondern auch auf Baustellen zu reduzieren.

Zum Finden einer Lösung bediente man sich einer bei Planholz bereits bewährten Methode – der Einbeziehung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Fragen von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. „Wir machen jeden Montag in der Früh eine Teamrunde, an der alle teilnehmen. Dabei sind schon hunderte Ideen entstanden. Innerhalb von fünf Jahren haben wir 300 davon umgesetzt“, erklärt Betriebsleiter Zmst. Franz Jürgen Reiter-Kofler.

Werkzeugwagen
Seit Einführung der Werkzeugwagen (im Bild der Abbundwagen) sind bei Planholz die körperlichen Beschwerden der Beschäftigten zurückgegangen. Planholz
Hubwagen helfen beim Anheben schwerer Objekte im Bild zu sehen sind zwei Männer die auf Körperhöhe ein großes Paket mit Unterstützung des Hubwagens schieben.
Dank integrierter Hubwaage müssen die bis zu sieben Meter langen Pakete bei Bremetall nicht mehr manuell auf die Waage gehoben werden. Rainer Gryc

Diesmal war es die Idee, Fertigungspläne, Stücklisten, Werkzeug und Verbrauchsmaterial auf einem Werkzeugwagen zu transportieren. Das schont laut Leodolter nicht nur den Rücken: „Man hat immer alles dabei, was man braucht, und erspart sich das Suchen.“ Das Problem, dass man erst am Fertigungsort draufkommt, etwas vergessen zu haben, und noch einmal zurückgehen muss, fällt weg. Unnötige Wege werden vermieden, der zeitliche Aufwand reduziert sich.

Je ein Abbund-, ein Elementbau- und ein Streichwagen wurden bei Planholz selbst entworfen und angefertigt. Beim Bau der Werkzeugwagen achtete man darauf, dass auch die Fertigungspläne und Stücklisten aufgehängt werden können, damit die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter direkt am Fertigungsort die Planvorgaben lesen kann. Am Streichwagen sind für bei Bedarf beigestellte Helfer zusätzlich die Schutzmaßnahmen und Arbeitsrichtlinien angebracht. Verpackt und auf einen Anhänger verladen lassen sich die Wagen auf Baustellen mitnehmen.

Seit Einführung der Werkzeugwagen sind die körperlichen Beschwerden der Beschäftigten zurückgegangen, die Zufriedenheit hat sich erhöht. Neben der geringeren körperlichen Belastung, der Weg- und Zeitersparnis nennt Reiter-Kofler einen weiteren Grund für die hohe Akzeptanz durch die Belegschaft: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben selbst mitgeplant und bei der Umsetzung mitgewirkt.

Zusammenfassung

Mit der Goldenen Securitas werden Klein- und Mittelbetriebe ausgezeichnet, die vorbildliche Leistungen im Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz erbringen. Bei der Informationsveranstaltung zur Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen am 30. September 2021 in Wien wurden für die Goldene Securitas 2016 und 2018 nominierte Unternehmen vorgestellt, die Maßnahmen zur Reduktion der Belastung durch Heben und Tragen gesetzt hatten. 


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