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Gesundheitsfördernde Führung

Führungskräfte

Betroffene und Gestaltende psychischer Belastungen am Arbeitsplatz

Ein kollegialer Chef spricht mit einem Mitarbeiter und einer Mitarbeiterin, die vor ihren Laptops sitzen.
Adobe Stock

Unterschiedliche Faktoren haben Einfluss auf die Gesundheit von Beschäftigten: Neben persönlichen Einflüssen wie Alter, Geschlecht und Genetik wirken sich auch das individuelle Gesundheitsverhalten bzw. die Lebensweise sowie wie das soziale Umfeld auf die Gesundheit aus. Arbeitszeit ist Lebenszeit, weshalb es sich bei den Arbeitsbedingungen ebenfalls um wichtige äußere Einflussfaktoren handelt, welche die Gesundheit sowohl fördern als auch schädigen können. Eine solche Arbeitsbedingung stellt unter anderem die Führung dar. Führungskräfte spielen daher bei der Gesunderhaltung der Mitarbeiter:innen eine wichtige Rolle.

Führungskräfte haben es in der Hand

Führungskräfte unterschätzen häufig ihren persönlichen Einfluss auf die Gesundheit ihrer Mitarbeiter:innen oder fühlen sich dafür nicht verantwortlich. Doch sie können sowohl individuelle und soziale als auch arbeitsbezogene Ressourcen (Energiereserven) aktivieren und gestalten. Das heißt, sie können betriebliche Rahmenbedingungen, Organisationsstrukturen sowie das persönliche Miteinander im Betrieb (mit-)bestimmen und somit auf die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter:innen Einfluss nehmen. Es liegt also durchaus in ihrer Hand, Arbeit gesundheitsförderlich zu gestalten. Sie können Gestaltungsspielräume aufzeigen und diese nutzen. Inwiefern einzelne Führungskräfte jedoch tatsächlich Gesundheit als Führungsaufgabe wahrnehmen und aktiv gestalten können, hängt maßgeblich von den betrieblichen Rahmenbedingungen ab, denen sie selbst ausgesetzt sind. Die Grundlage und Voraussetzungen für ein gesundheitsförderliches Führungsverhalten liegen daher im obersten Management bzw. bei der Geschäfts- respektive Unternehmensführung. Eine Führungskraft kann nur so gut „gesundheitsförderlich führen“, wie es die betrieblichen Rahmenbedingungen zulassen.

Gesundheit als Führungsaufgabe wahrzunehmen bedeutet, sowohl für die Gesundheit der Mitarbeiter:innen zu sorgen als auch für die eigene. 

Gesunde Selbstführung notwendig

Die gesunde Selbstführung der Führungskraft ist insofern wichtig, da sie selbst auch Stressoren (Belastungen, die zu Stress führen) am Arbeitsplatz ausgesetzt ist. Dieser Stress der Führungskraft wird oftmals an die Mitarbeiter:innen weitergegeben. Zu den typischen psychischen Belastungen einer Führungskraft zählen u. a. eine hohe Komplexität der Arbeitsaufgabe, Zeitdruck, oftmalige Unterbrechungen sowie eine hohe Arbeitsdichte. Befindet sie sich zudem auf einer mittleren oder unteren Führungsebene, ist sie zusätzlich ähnlichen organisationalen und sozialen Belastungen ausgesetzt wie alle anderen Mitarbeiter:innen auch. Zu den Top 5 der psychischen Belastungen, denen Beschäftigte am Arbeitsplatz ausgesetzt sind, zählen:

  • hohes Arbeitstempo
  • häufige Störungen und Unterbrechungen
  • weder selbstständiges Problemlösen, noch Neues in der Arbeit dazuzulernen 
  • wenig Unterstützung 
  • mangelnde Karrierechancen 

Die Führungskraft verfügt zwar in der Regel über einen größeren Handlungsspielraum, welcher als Ressource dient, nutzt jedoch seltener die Möglichkeit der sozialen Unterstützung. Ein Grund für dieses Verhalten kann beispielsweise in der Befürchtung liegen, dass eine Annahme von Unterstützung von anderen als Schwäche oder Inkompetenz angesehen würde. Führungskräfte mit gutem Stressmanagement haben genug Ressourcen zur Verfügung und sind damit eher in der Lage, auf die Belange und Bedürfnisse ihre Mitarbeiter:innen einzugehen und somit mitarbeiter:innenorientiert und gesundheitsförderlich zu führen, als überbeanspruchte Führungskräfte. Das heißt, ist die Führungskraft selbst mit einer zu hohen Arbeitsbelastung konfrontiert, können von ihr potenzielle Ressourcen weniger wahrgenommen werden. Überforderung und Überlastung gefährden daher nicht nur die eigene Gesundheit der Führungskraft, sondern auch jene ihrer Mitarbeiter:innen. Führungskräfte, die sich um ihre eigene Gesundheit kümmern, führen auch ihre Mitarbeiter:innen gesundheitsförderlicher.

Vorbildfunktion nicht unterschätzen

Führungskräfte haben in ihrer Rolle und Funktion Vorbildwirkung auf ihre Mitarbeiter:innen. Diese Vorbildfunktion übernehmen sie unter anderem auch in Hinblick auf die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, die sogenannte Life-Domain-Balance, welche sich wiederum auf die Gesundheit auswirkt. Die digitale Omnipräsenz und erwartete ständige Erreichbarkeit stellen sowohl für Führungskräfte als auch deren Mitarbeiter:innen eine hohe psychische Belastung dar. Hier kann die Führungskraft mit gutem Beispiel vorangehen, in dem sie selbst beispielsweise nicht immer und überall erreichbar ist und keine E-Mails außerhalb der regulären Arbeitszeit (z. B. spät abends oder am Wochenende) versendet. 

Das individuelle Führungsverhalten kann für die Mitarbeiter:innen sowohl ein Stressor (Stressfaktor) als auch eine Ressource sein. Fakt ist, Führungsstile und das persönliche Führungsverhalten beeinflussen die psychische Gesundheit der Mitarbeiter:innen sowohl direkt als auch indirekt. 

Das Führungsverhalten hat nachweislich großen Einfluss auf die Anwesenheit, Arbeitsfähigkeit und Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter:innen.

Maria Reiter

Kommunikation als wichtiges Element

Direkten Einfluss üben Führungskräfte auf die Mitarbeiter:innengesundheit insbesondere durch ihr Verhalten und ihre Kommunikation aus. Sie können hierbei den Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen als soziale Ressource zur Verfügung stehen und sie bei der Arbeit unterstützen. Das heißt, ein freundschaftlicher und fürsorglicher Umgang der Führungskraft mit ihren Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen wird als Ressource erlebt, wohingegen ein schlechtes Kommunikationsklima, mangelnde soziale Unterstützung und Intransparenz eine psychische Belastung darstellen, die sich negativ auf die Gesundheit auswirken kann. So werden mittels offenem Kommunikationsklima, gelebter Feedbackkultur, sozialer Unterstützung, Information und Transparenz, Anerkennung, Fairness und Kooperation psychische Belastungen, die sich negativ auf die Gesundheit auswirken können, abgefangen, da die genannten Arbeitsbedingungen positiv gestaltet und gelebt werden und somit eine Ressource darstellen. Durch die individuelle Unterstützung kann die Führungskraft helfen, wesentliche Arbeitsbelastungen ihrer Mitarbeiter:innen, wie etwa Zeitdruck, zu reduzieren. 

Hilfreich für eine Vermeidung oder zumindest Reduzierung von negativen Beanspruchungsfolgen sind:

  • persönliche Beziehungen: Die Beziehung zur Führungskraft wird insbesondere dann als hochwertig erlebt, wenn der:die Mitarbeiter:in weiß, wie er:sie eingeschätzt wird, seine:ihre beruflichen Bedürfnisse und etwaige Probleme verstanden werden, Entwicklungsmöglichkeiten erkannt werden und Entscheidungen nachvollziehbar sind. Geht die Führungskraft auf ihren:ihre Mitarbeiter:in individuell ein und zeigt Interesse an seinen:ihren Bedürfnissen und Emotionen, so vermittelt sie auf diese Art und Weise ein hohes Maß an Wertschätzung. Eine höhere Arbeitszufriedenheit führt zu einer besseren psychischen Gesundheit und weniger Fehlzeiten.
  • Information: Rechtzeitige und ausreichende Informationsbereitstellung und -weitergabe reduziert Ängste und erhöht die Transparenz. Dies wiederum wirkt leistungsfördernd.
  • Kommunikation: Eine offene Gesprächskultur, direkte wechselseitige und empathische Kommunikation sind gesundheitsförderlich. Die Devise hierbei lautet „miteinander reden statt übereinander“.
  • Vertrauen: sowohl „von oben nach unten“ als auch „von unten nach oben“. Vertrauen stellt die Basis für soziales Wohlbefinden dar und hebt die Leistungsmotivation der Mitarbeiter:innen. Misstrauen und Kontrolle hingegen führt zu Dienst nach Vorschrift und demotivierten Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen.
  • Team und Kollegialität: Zusammenhalt im Team und gegenseitige Unterstützung geben Halt und stellen eine enorme Ressource dar.

Die Berücksichtigung bzw. Einhaltung dieser Aspekte führt zu:

  • verringerter Stresswahrnehmung 
  • geringerer Ausprägung von Burnout-Symptomen 
  • gesteigertem psychischen Wohlbefinden 
  • höherer Arbeitszufriedenheit

Umgekehrt begünstigen fehlende oder mangelnde Führungskompetenzen wie beispielsweise geringe Konfliktlösungsfähigkeit, vernachlässigende Führung und ständige Unerreichbarkeit die Entstehung von Stress, gesundheitlichen Beschwerden und Burnout bzw. reduzieren das subjektive Wohlbefinden und die psychische Funktionsfähigkeit der Mitarbeiter:innen.

Arbeit gesundheitsförderlich gestalten

Das Führungsverhalten hat also nachweislich großen Einfluss auf die Anwesenheit, Arbeitsfähigkeit und Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter:innen sowie deren Wohlbefinden und Stresserleben. Zudem ergibt sich ein indirekter Einfluss der Führung aus der Gestaltung der Arbeitsbedingungen, d. h. durch die Beeinflussung von Rahmenbedingungen der Arbeit. Hier kann die Führungskraft als organisationale Ressource dienen, indem sie die Arbeit gesundheitsförderlich gestaltet. Eine gesundheitsförderliche Gestaltung der Arbeitsbedingungen setzt eine gute Balance zwischen Arbeitsanforderungen und persönlichen Ressourcen voraus, sodass es weder zu einer andauernden Über- noch Unterforderung der Mitarbeiter:innen kommt. Die Arbeitsanforderungen sollen lern- und entwicklungsförderlich sein. 

Für die Führungskraft bedeutet das, den Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen Arbeitsaufgaben zu übertragen, bei deren Erledigung bzw. Erfüllung diese ihre unterschiedlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten einsetzen können. Hier spricht man von Aufgabenvielfalt, von angemessenen und abwechslungsreichen Arbeitsaufgaben. Die Mitarbeiter:innen sollen ihre Arbeitsaufgaben möglichst eigenständig planen, ausführen und kontrollieren können, d. h. eine ganzheitliche Aufgabe haben, die zudem als bedeutsam und sinnvoll erlebt wird. Rollenklarheit sowie Entscheidungs- und Handlungsspielräume sind weitere Schlagworte, die bei der Gestaltung von Arbeitsanforderungen mitgedacht werden müssen. Dadurch werden zum einen Stressoren für die Mitarbeiter:innen reduziert, indem die Führungskraft beispielsweise für weniger Zeitdruck, Arbeitsunterbrechungen oder emotionale Belastungen sorgt. Zum anderen werden Ressourcen gefördert und der Umgang mit diversen Anforderungen erleichtert. Beispiele hierfür sind Ausdruck von Lob und Anerkennung, Rückendeckung (z. B. gegenüber überzogenen Kundenwünschen) sowie Unterstützung bei auftretenden Schwierigkeiten im Arbeitsprozess. 

Handschlag zwischen Mitarbeiter und Führungskraft in einer Lagerhalle
Eine offene Gesprächskultur, direkte wechselseitige und empathische Kommunikation sind gesundheitsförderlich. Adobe Stock

Fazit

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Führung eine wesentliche Rolle bei der Erhaltung und Förderung der psychischen Gesundheit von Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen spielt. Durch direkte Interaktion sowie die Schaffung relevanter Rahmenbedingungen kann sie bei der Bewältigung der Arbeitsanforderungen unterstützen. Gesundheitsförderliche Führung zeichnet sich aus durch: 

  1. individuelle Berücksichtigung und Unterstützung der Mitarbeiter:innen
  2. gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung und Arbeitsorganisation
  3. Engagement für betriebliches Gesundheitsmanagement und Motivation der Mitarbeiter:innen zur Nutzung dieser Angebote 
  4. Vorbildfunktion im Umgang mit der Gesundheit

Für die Gesundheit sind nicht alleine die Führungskräfte verantwortlich, sondern auch jeder:jede Mitarbeiter:in selbst. Die Führung kann jedoch einen wichtigen Beitrag dazu leisten und Mitarbeiter:innen aktiv unterstützen.

LITERATURQUELLEN

  • Eurofound (2021). Living and working in Europe 2020. Publications Office of the European Union: Luxenburg.
  • Franke, F., Ducki, A. & Felfe, J. (2015). Gesundheitsförderliche Führung. In: Felfe J. (Hrsg.): Trends der psychologischen Führungsforschung, S. 253–263. 
  • Gregersen, S., Kuhnert, S., Zimber, A. & Nienhaus, A. (2011). Führungsverhalten und Gesundheit – zum Stand der Forschung. In: Gesundheitswesen 73, S. 3–12.
  • Hüttermann, H. (2015). Der Einfluss von Führung auf psychische Gesundheit: Ein Blick in die Forschung. In P. Becker (Hrsg.): Executive Health: Gesundheit als Führungsaufgabe, S. 13–29. 
  • Montano, D., Reeske-Behrens, A. & Franke, F. (2016). Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt. Führung. In: BAuA (Hrsg.): Forschung Projekt F 2353.
  • Turgut, S., Sonntag, K. & Römer, M. (2015). Wovon hängt gesundheitliches Führungsverhalten ab? In: GfA (Hrsg): VerANTWORTung für die Arbeit der Zukunft – Beitrag A.3.17.

Zusammenfassung

Die Autorin zeigt auf, dass Führungskräfte einen wesentlichen Einfluss auf die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter:innen haben, und wie sie diesen Einfluss gesundheitsförderlich einsetzen können. 


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