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Sicher unterwegs mit dem Fahrrad

ein männlicher Fahrradkurier mit dicker Jacke und Helm
© Adobe Stock

Fahrradbotendienste haben insbesondere durch die COVID-19-Pandemie immens an Bedeutung gewonnen. Dies lässt sich nicht nur an den Beschäftigtenzahlen ablesen, sondern wird auch in den Unfallstatistiken der AUVA sichtbar. Lag die Zahl der Arbeitsunfälle mit dem Fahrrad (ohne Wegunfälle) in Österreich 2018 noch bei 409 Unfällen, so waren es 2021 mit 869 bereits mehr als doppelt so viele.

Betrachtet man die größten Anbieter von Essenslieferdiensten – und somit jene Branche, die durch die Einschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie ein immenses Wachstum erfahren hat – so wird diese Entwicklung in den Unfallstatistiken ebenfalls klar sichtbar: Es kam von 2019 auf 2020 zu einer Vervierfachung der Arbeitsunfälle und 2021 nochmals zu einer Verdoppelung im Vergleich zum Vorjahr.

Gefahren und Belastungen 

Aus der Unfallstatistik werden Gefahren für Radfahrende ersichtlich: die eigene Fahrtechnik, andere Verkehrsteilnehmer:innen sowie Witterungs- und Straßenverhältnisse. Dies gilt sowohl für Personen auf dem Weg zur oder von der Arbeitsstelle als auch für jene, die das Fahrrad im Rahmen ihrer Tätigkeit nutzen. 

Laut einer österreichischen Studie des European Centre for Social Welfare Policy and Research berichten über 84 % der befragten Fahrradboten:-botinnen von gefährlichen Situationen im Straßenverkehr. Auf den Plätzen zwei und drei der Nennungen liegen psychische Belastungen: Beinahe 50 % erwähnen erniedrigendes Verhalten, knapp 45 % sind Beleidigungen ausgesetzt. Ing. Franz Strobl vom Arbeitsinspektorat Wien Zentrum weist auf einen weiteren Faktor hin: „Die Tätigkeit bietet wenig Struktur für soziales Miteinander im Arbeitsalltag – dies liegt einerseits an der Aufgabe selbst, andererseits ist selten entsprechende Infrastruktur vorhanden.“ Dies wird verstärkt durch die größtenteils digitale Kommunikation und Auftragsvergabe. 

Drei weitere, entscheidende Faktoren sind technisch mangelhafte Fahrräder, unzureichende Ergonomie in Bezug auf Fahrrad oder Transportlösungen sowie ungenügende Ladegutsicherung. Diese beeinflussen sowohl die Sicherheit als auch die Gesundheit der Beschäftigten maßgeblich.

Belastungsreduktion durch E-Bikes

Hinter dem gängigen Begriff „E-Bike“ verstecken sich drei verschiedene Fahrradtypen. Während E-Bikes über einen elektrischen Antrieb verfügen, der auch ohne Tretbewegung das Fahrrad antreibt, wirkt die elektrische Tretunterstützung von Pedelecs nur, wenn auch eine Tretbewegung ausgeführt wird. Beide gelten mit einer maximalen Antriebsleistung von 600 Watt und Unterstützung durch den elektrischen Antrieb bis maximal 25 km/h rechtlich als Fahrräder. Dies ist beim dritten Typus, den S-Pedelecs, anders: Mit einer Bauartgeschwindigkeit bis 45 km/h und einer Maximalleistung von über 600 Watt werden diese rechtlich als Moped, also als ein Kfz, eingestuft und die entsprechenden Regelungen der StVO sind zu erfüllen.

Die elektrische Unterstützung von E-Bikes und Pedelecs bietet Chancen – insbesondere in Bezug auf die Reduktion der körperlichen Belastung. Die muskuläre Arbeit beim Treten und Fortbewegen des Rads wird bis zu einem gewissen Grad vom elektrischen Antrieb unterstützt – bis zur maximalen Geschwindigkeit oder Leistung. Dies wirkt sich speziell in Bergauf-Passagen, bei der Lastenbeförderung oder bei langen Einsatzzeiten auf dem Fahrrad aus. 

Vor allem für Fahrradbotendienste kann dadurch die physische Belastung bei Transporten verringert werden. Das Fahrrad als umweltschonendes, wirtschaftliches und flexibles Fortbewegungs- und Lastentransportmittel wird attraktiver. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass Beschäftigten immer längere Strecken in kürzerer Zeit mit immer größeren Lasten abverlangt werden.

Wer mit einem ergonomisch angepassten Fahrrad fährt, ist sicherer unterwegs, weil das Fahrrad besser kontrolliert werden kann

Anne Mück

Technik-Check 

Die beiden wichtigsten Einflussfaktoren auf die Sicherheit eines Fahrrads sind einerseits der technische Zustand und die Mängelfreiheit sowie das Beherrschen des Fahrrads an sich. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um herkömmliche Fahrräder, Pedelecs oder E-Bikes handelt. 

Fahrräder mit elektrischem Antrieb gelten laut Arbeitsmittelverordnung als selbstfahrende Arbeitsmittel und sind daher zumindest einmal jährlich, längstens im Abstand von 15 Monaten zu prüfen. Diese Prüfungen müssen nachweislich erfolgen. Abgesehen davon müssen die von den Herstellern vorgegebenen Wartungsintervalle eingehalten werden. 

Vor jedem Fahrtbeginn soll der:die Arbeitnehmer:in das Fahrrad prüfen. Diese Sicht- und Funktionsprüfung soll die wichtigsten Elemente und Bauteile umfassen: Lenkkopflager, Antrieb, Räder und Reifen, Bremsen, die Elektrik sowie Anbauteile. So kann das Risiko verringert werden, dass es während der Fahrt zu technischen Problemen kommt oder durch einen Mangel ein Sturz ausgelöst wird.

Fahrkompetenz erwerben

Wie wichtig das Beherrschen des Fahrrads für die Sicherheit ist, zeigt die Unfallstatistik der AUVA: Viele Arbeits- und Wegunfälle sind Alleineunfälle – es gibt keinen Unfallgegner. Einflussfaktoren sind beispielsweise Wetter- und Straßenbedingungen oder Niveauunterschiede (Randstein) und Straßenbahnschienen. Dies gilt ebenso für das E-Bike oder Pedelec: „Unserer Erfahrung nach ist die Unfallgefährdung mit dem E-Bike vergleichbar mit herkömmlichen Fahrrädern – vorausgesetzt, man beherrscht das Fahrradfahren“, so Peter Jahn, der seit Jahren als Partner der AUVA Fahrradworkshops anbietet. 

Ein besonderes Angebot in diesem Zusammenhang ist der AUVA-Radworkshop für Dienstnehmer:innen, in welchem besonders auf die individuelle Situation und die Erfahrung der Teilnehmenden eingegangen wird. Der klare Fokus liegt auf der Prävention von Radunfällen – neben Fahrradtechnik und Schutzausrüstung wird die richtige Fahrtechnik im Praxisteil des Workshops trainiert.

Durch richtige Reaktion und die passende Fahr- und Bremstechnik können Stürze und Verletzungen vermieden werden. In Bezug auf E-Bikes oder Pedelecs ist darüber hinaus durchaus von Bedeutung, sich zusätzlich mit den speziellen Eigenschaften des Fortbewegungsmittels auseinanderzusetzen, beispielsweise mit der Anfahrelektronik: Diese beeinflusst, wie die muskuläre Arbeit durch den Antrieb verstärkt wird und wann diese Wirkung eintritt – dies kann je nach Typ und Hersteller variieren.

Ergonomisch richtig unterwegs 

Ergonomie spielt in Bezug auf das Fahrrad eine große Rolle: Arbeitsmittel sind an die Beschäftigten, welche mit oder an ihnen arbeiten, anzupassen und bereits entsprechend zu gestalten. Dieses Prinzip gilt gleichermaßen beim Arbeitsmittel Fahrrad: Dieses muss der Körpergröße entsprechen – es ist daher empfehlenswert, als Arbeitgeber:in unterschiedliche Rahmengrößen anzubieten. 

Die richtige Rahmengröße kann ermittelt werden, indem man über das Fahrrad steigt: In dieser Position sollte zwischen Schambein und einer gedachten, waagrechten Linie auf Höhe der Oberrohrkante eine Handbreit Platz bleiben. Zudem sollen zumindest Sattel und Lenker an die Radfahrenden angepasst werden: Zur Einstellung der optimalen Sattelhöhe wird die Ferse bei durchgestrecktem Bein auf dem Pedal positioniert. Die ergonomisch optimale Position ist erreicht, wenn das Becken stabil am Sattel bleibt und beim Durchtreten der Pedale nicht von Seite zu Seite kippt. Während der Fahrt sollte der Fußballen so auf dem Pedal positioniert werden, dass sich eine leichte Beugung im Knie ergibt.

Diese ergonomischen Anpassungen sind sicherheitsrelevant, denn die richtige Fahrposition und damit die Verbindung zum Fahrrad ist entscheidend, um die Rückmeldungen zum Fahrverhalten des Rads zu spüren und richtig reagieren zu können. „Bessere Ergonomie führt zu höherer Effizienz durch optimale Krafteinleitung. Wer mit einem ergonomisch angepassten Fahrrad fährt, ist sicherer unterwegs, weil das Fahrrad besser kontrolliert werden kann. Durch die gesteigerte Effizienz wird Ermüdung hintangehalten“, betont Anne Mück, Ergonomin der AUVA-Landesstelle Wien einen weiteren wichtigen Zusammenhang.

Lastentransport auf dem Fahrrad

Im Arbeitsalltag mit dem Fahrrad werden oftmals Lasten transportiert. Dies betrifft insbesondere bestimmte Beschäftigtengruppen – allen voran Fahrradbotendienste. In diesem Bereich sind sowohl ergonomische als auch verkehrssicherheitstechnische Gesichtspunkte zu beachten: Die transportierte Last wirkt auf Körper und Fahrzeug ein und hat Einfluss auf das Fahrverhalten. Zudem kann die Wahrnehmung des Umfelds eingeschränkt sein, wenn beispielsweise ein Rucksack oder Transportaufbau den Blick nach hinten behindert.

Ergonomisch richtig unterwegs

Illustration mit Mensch auf Fahrrad
Die richtige Rahmengröße: © Lewin-Strobl
Illustration mit Mensch auf Fahrrad
Die optimale Sattelhöhe © Lewin-Strobl

Grundsätzlich sind Transportlösungen zu bevorzugen, bei denen der Schwerpunkt der Last möglichst tief liegt. Damit verschiebt sich dieser weniger, wenn Fahrmanöver durchgeführt werden – etwa in der Kurve. Mögliche Lösungen sind beispielsweise Lastenräder, Anhänger, seitliche Packtaschen oder sichere Lastaufnahmevorrichtungen am Gepäckträger. In der Grafik auf Seite 17 ist die Wirkung auf den Schwerpunkt der Last bei Nutzung eines Anhängers im Vergleich zum Rucksack dargestellt. 

Der überwiegend eingesetzte, große und tiefe Rucksack ist im Hinblick auf das Fahrverhalten nicht empfehlenswert. Zudem sprechen ergonomische Gründe gegen diese Transportmöglichkeit, erklärt Anne Mück: „Tiefe Rucksäcke lassen Hebelkräfte entstehen, die ungünstig auf den Bewegungsapparat einwirken. Es entsteht nicht nur eine Belastung des Körpers durch die beförderte Last, sondern diese wird durch die Hebelwirkung noch verstärkt.“ Um diese auf den Körper der Radfahrenden wirkenden Kräfte in den Griff zu bekommen, ist ständiges, aktives Gegenhalten nötig – dies kann durch andere Transportmöglichkeiten vermieden werden. Große Transportrucksäcke sollen daher während der Fahrt nicht am Rücken getragen und lediglich für den Transport auf den letzten Metern zu Kunden:Kundinnen angelegt werden.

Ein weiterer bedeutender Bereich ist die Ladungssicherung, denn instabile Schwerpunkte wie etwa ungesicherte, sich bewegende Güter oder Flüssigkeiten beeinflussen das Fahrverhalten negativ. Lasten müssen auch für den Transport auf dem Fahrrad gesichert werden und gut verteilt sein. Dabei ist auf einen tiefen Schwerpunkt zu achten und auch bei Teilentladungen muss sichergestellt sein, dass die verbleibenden Güter sicher verstaut sind. 

Lastentransport auf dem Fahrrad: Auf niedrigen Schwerpunkt achten

Illustration mit Mensch auf Fahrrad und einer schweren Last
© Lewin-Strobl
Illustration mit Mensch auf Fahrrad und Anhänger
© Lewin-Strobl

Persönliche Schutzausrüstung 

Wie auch in anderen Arbeitsbereichen ist es eine Verpflichtung des:der Arbeitgebers:Arbeitgeberin, die Beschäftigten gegen Gefahren in Zusammenhang mit ihrem Arbeitsplatz zu schützen. Dies gilt auch für das Arbeitsmittel Fahrrad. Zur persönlichen Schutzausrüstung gehören hier jedenfalls ein gut sitzender Fahrradhelm und Schutz gegen Witterungsverhältnisse (Regen, Kälte sowie Hautschutz). 

Weitere Ausrüstung und Arbeitskleidung für eine sichere Fahrt sind Schutzbrillen, Radhandschuhe und feste Bekleidung, die einerseits Schutz bei Stürzen bietet und andererseits zur Sichtbarkeit beiträgt, sowie geeignetes Schuhwerk, das sicheren Halt auf den Pedalen gewährleistet.

Um die vielfältigen Aspekte in Bezug auf Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Fahrradnutzung zu berücksichtigen, ist es angebracht, sich im Zuge der Arbeitsplatzevaluierung und Unterweisung damit genau auseinanderzusetzen.

Sicher unterwegs – das Wichtigste auf einen Blick

  • Fahrtechnik: Gutes Beherrschen des Rads ist die Grundlage für rasche und richtige Reaktionen in Gefahrensituationen. 
  • Technik: Das Fahrrad ist in technisch einwandfreiem Zustand – Wartungs- und Prüfintervalle sind eingehalten und das Rad wird vor jedem Losfahren überprüft. Besondere Vorsicht ist bei schadhaften Akkus von E-Bikes geboten.
  • Ergonomie: Das Fahrrad passt zur eigenen Körpergröße, zumindest Sattel- und Lenkerhöhe sind an den:die Fahrer:in angepasst. 
  • Lastenbeförderung: Lasten werden in geeigneten, ergonomisch adäquaten Vorrichtungen transportiert, der Schwerpunkt ist dabei möglichst niedrig und das Ladegut gesichert.
  • Ausrüstung: Ein gut sitzender Radhelm und Bekleidung, die Schutz vor Witterungsverhältnissen bietet, sind zu tragen. Empfohlen sind außerdem Schutzbrille und Handschuhe.

Zusammenfassung

Fahrräder und E-Bikes kommen auf Wegen zur Arbeit und zurück sowie im innerbetrieblichen Verkehr immer häufiger zum Einsatz. Auch als Arbeitsmittel an sich – etwa für Zustelldienste – gewinnen sie an Bedeutung. Die Autorin geht auf unterschiedliche Aspekte von Sicherheit und Gesundheit bei der Nutzung des Fahrrads ein. 


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