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Innerbetrieblicher Verkehr

Unfallfrei am Werksgelände

Eine Schwerpunktaktion des Arbeitsinspektorats zeigt Mängel und Lösungen im innerbetrieblichen Verkehr auf.

ein Mann mit Helm und Schutzweste sitzt in einem Gabelstapler
© Adobe Stock

Wenn von innerbetrieblichem Verkehr die Rede ist, denkt man meist an selbstfahrende Arbeitsmittel. Auf Personen, die zu Fuß unterwegs sind, wird leicht vergessen. „Um Unfälle zu vermeiden, ist es wichtig, ein Bewusstsein für die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Verkehrsteilnehmer:innen zu schaffen“, betont Peter Schwaighofer, BSc, Experte für Verkehrssicherheit in der Präventionsabteilung der AUVA-Hauptstelle.

Die größte Herausforderung bei der Erstellung eines innerbetrieblichen Verkehrskonzepts besteht laut Schwaighofer darin, alle Fortbewegungsarten innerhalb einer Arbeitsstätte zu berücksichtigen: „Neben dem klassischen Staplerverkehr gehören dazu unter anderem Pkw, Lkw, E-Bikes, Fahrräder, E-Scooter und das Zufußgehen.“ Bei der Arbeitsplatzevaluierung muss geklärt werden, wer sich wie auf welchen Wegen und zu welchen Zeiten bewegt und wie groß bei der gemeinsamen Nutzung von Verkehrsflächen die Geschwindigkeitsdifferenzen sind.

Ein Vorteil für den:die Arbeitgeber:in besteht darin, dass er:sie für das Betriebsgelände selbst Regeln erlassen kann, die auf die individuellen Anforderungen des Unternehmens abgestimmt sind. Den gesetzlichen Rahmen bietet vor allem die Arbeitsstättenverordnung, die vorschreibt, wie innerbetriebliche Verkehrswege ausgestaltet sein müssen, etwa in Bezug auf Mindestbreite, Kennzeichnung, Beleuchtung oder Abstellen von Gegenständen.

Eyetracking zeigt Verbesserungspotenziale auf

Die Basis für ein maßgeschneidertes Verkehrskonzept bildet eine genaue Bestandsaufnahme des Ist-Zustands. Eine bewährte Methode stellt die Blickanalyse dar, die von der AUVA als kostenlose Spezialberatung angeboten wird. Beim sogenannten Eyetracking trägt ein:e Verkehrsteilnehmer:in eine mit winzigen Kameras versehene Brille, die sowohl die Bewegungen der Pupillen als auch nach vorne gerichtet die im Blickfeld des:der Trägers:Trägerin liegende Umgebung aufzeichnen.

Portraitbild Peter Schwaighofer, BSc
Peter Schwaighofer, BSc Experte für Verkehrssicherheit in der Präventionsabteilung der AUVA-Hauptstelle © Gregor Nesvadba
Portraitbild Ing. Tony Griebler
Ing. Tony Griebler Fachexperte und Ombudsmann im Zentral-Arbeitsinspektorat © Arbeitsinspektorat

Die Bilder der Kameras werden mittels einer Software übereinandergelegt, was ermöglicht, die Blicke zu verfolgen und zu analysieren. So können die menschliche Wahrnehmung und die Aufmerksamkeit visualisiert werden. „Es lässt sich z. B. feststellen, ob ein:e Staplerfahrer:in die Umgebung im Auge behält oder die Aufmerksamkeit auf das Bediendisplay des Staplers richtet, ob das Blickfeld durch Hindernisse eingeschränkt oder ein Verkehrsspiegel ungünstig montiert ist“, erklärt Schwaighofer, der selbst Eytracking-Analysen durchführt. Die Analyse bietet zudem einen Einblick in die bestehende Sicherheitskultur, da die Kameras auch die Interaktionen mit anderen Verkehrsteilnehmern:-teilnehmerinnen in der Arbeitsstätte aufzeichnen.

Regeln kommunizieren

Bei der Erstellung des innerbetrieblichen Verkehrskonzepts sollte darauf geachtet werden, Verkehrsregeln möglichst genau zu formulieren. „Je klarer der Verkehr geregelt ist, desto eher hat man sichere Rahmenbedingungen geschaffen. Wenn es in einem Unternehmen keine eigenen Verkehrsregeln gibt, haben sich die Verkehrsteilnehmer:innen an die Straßenverkehrsordnung zu halten. Eigene Regeln muss man entsprechend kommunizieren“, so Schwaighofer. Unklarheiten entstehen beispielsweise, wenn der:die Arbeitgeber:in vorgibt, dass Stapler immer Vorrang haben, ein:e von links kommende Staplerfahrer:in sich darauf verlässt und mit einem Stapler, der von rechts kommt, zusammenstößt.

Im Verkehrskonzept muss berücksichtigt werden, dass sich auf dem Firmengelände unterschiedliche Personengruppen bewegen, die sich auch hinsichtlich ihres Wissensstands unterscheiden. Interne Arbeitnehmer:innen sollten über die im Betrieb geltenden Regeln informiert sein, in der Praxis spielen allerdings die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die bisher absolvierten Aus- und Weiterbildungen sowie die mit der jeweiligen Arbeitsaufgabe in Zusammenhang stehende Fachkenntnis eine Rolle.

Informationspflichten für das Unternehmen bestehen auch gegenüber überlassenen Arbeitnehmern:Arbeitnehmerinnen („Leiharbeiter:innen“) und Beschäftigten von Fremdfirmen, z. B. Zulieferern oder Dienstleistern, die in den Bereichen Service, Wartung oder Reinigung tätig sind. Keine Kenntnisse zum innerbetrieblichen Verkehr können bei Besuchern:Besucherinnen vorausgesetzt werden. Das Gleiche gilt für Unbefugte, die Zugang zum Firmengelände haben – etwa Fußgänger:innen, die eine Abkürzung über das Firmenareal nehmen. In diesem Fall ist eine Umzäunung dringend zu empfehlen.

Verkehrsführungen und Regeln müssen klar kommuniziert werden.

Peter Schwaighofer

Schwerpunkt des Arbeitsinspektorats

Inwieweit die Sicherheit im innerbetrieblichen Verkehr sowohl für eigene als auch für betriebsfremde Arbeitnehmer:innen gewährleistet ist, untersuchte das Arbeitsinspektorat 2021/22 im Rahmen eines Beratungs- und Kontrollschwerpunkts. „Wir haben die Schwerpunktaktion durchgeführt, weil es im innerbetrieblichen Verkehr zahlreiche schwere Unfälle und Beinaheunfälle gegeben hat“, so Ing. Tony Griebler, Fachexperte und Ombudsmann im Zentral-Arbeitsinspektorat.

Da Unfälle nicht nur persönliches Leid für die Betroffenen, sondern auch hohe Kosten für das Unternehmen verursachen, sei bei Arbeitgebern:Arbeitgeberinnen in der Regel der Wille vorhanden, Präventionsmaßnahmen zu setzen, es fehle laut Griebler jedoch oft das Wissen, was man konkret tun könne. Manchmal besteht das Problem auch darin, dass die theoretische Planung der Arbeitsabläufe mit der gelebten Praxis nicht übereinstimmt.

Das Arbeitsinspektorat stattete 1.240 Arbeitsstätten und Großbaustellen einen Beratungs- und Kontrollbesuch ab. Da an den meisten Unfällen im innerbetrieblichen Verkehr selbstfahrende Arbeitsmittel beteiligt sind, wurden nur Unternehmen ausgewählt, bei denen mindestens vier selbstfahrende Arbeitsmittel ausschließlich auf dem Betriebsgelände bzw. gleichzeitig auf dem Baustellengelände eingesetzt werden. In die Schwerpunktaktion einbezogen wurden Unternehmen aus den Branchen Logistik, Zustellung, Großhandel, Getränkeherstellung und Abfallwirtschaft sowie Lagereibetriebe, Sägewerke und Postverteilzentren.

Links und rechts eines Eingangs befinden sich Absperrungen
Bei Zumtobel setzt man auf Barrieren aus flexiblem Spezialkunststoff als Anprallschutz und Abgrenzung. © Zumtobel Lighting GmbH
Fußgängerweg, der durch Abgrenzungen von der Fahrbahn geschützt wird
© Zumtobel Lighting GmbH

Ergebnisse der Schwerpunktaktion

Bei den Betriebsbesuchen wurden mehrere Bereiche, in denen das Arbeitsinspektorat Verbesserungsbedarf vermutete, genauer betrachtet. Im innerbetrieblichen Verkehr stellte man 141 Mängel, die die eigenen Arbeitnehmer:innen betrafen, und 80 Mängel, die betriebsfremde Arbeitnehmer:innen bei Anfahrt mit dem Lkw betrafen, fest. „Wir haben überprüft, ob die laut Arbeitnehmer:innenschutz geltende Verpflichtung zur Koordination in Bezug auf betriebsfremde Arbeitnehmer:innen eingehalten wird. Es ist wichtig, dass auch diese die Fahrordnung kennen und beachten“, erklärt Griebler.

Die innerbetriebliche Fahrerlaubnis für selbstfahrende Arbeitsmittel kontrollierten die Arbeitsinspektoren:-inspektorinnen ebenfalls. Überprüft wurden schriftliche Betriebsanweisung, Fachkenntnisse des:der Fahrers:Fahrerin, Unterweisung und explizites Erteilen der innerbetrieblichen Fahrerlaubnis. Insgesamt waren 85 Mängel zu beanstanden; vor allem die Unterweisung fehlte. Ein weiteres Thema war die Lagerung im Bereich von Verkehrswegen, die 112 Mal z. B.anstandungen führte.

Schwingtüren, die Gehweg von Fahrbahn trennen und schützen
Coca Cola setzt Geländer und selbstschließende Schwingtüren zur Abgrenzung von Fußwegen ein. © Coca-Cola HBC Austria GmbH

Bei den Baustellen kontrollierten die Arbeitsinspektoren:-inspektorinnen auch, ob der Baustellenverkehr im Sicherheits- und Gesundheitsplan berücksichtigt worden war. Dieser muss erstellt werden, wenn Arbeiten mit besonderen Gefahren für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten verbunden sind, z. B. bei Tätigkeiten im Verkehrsbereich. Mängel gab es bei 30 der 181 besuchten Baustellen.

Der Wille, Präventionsmaßnahmen zu setzen, ist da, aber es fehlt oft das Wissen, was man konkret tun kann.

Tony Griebler

Passiert ein Arbeitsunfall, muss der:die Arbeitgeber:in diesen an die AUVA melden und die Gefährdungsbeurteilung sowie die Unterweisung anpassen. Die Ergebnisse zu diesem Punkt waren positiv: Von den 515 Betrieben, in denen Unfälle in Zusammenhang mit innerbetrieblichem Verkehr evident waren, hatten nur 19 keine geeigneten Maßnahmen gesetzt, um ähnliche Unfälle in Zukunft zu verhindern.

Über die Reaktion der Betriebe, in denen die Arbeitsinspektoren:-inspektorinnen Mängel festgestellt hatten, zeigt sich Griebler ebenfalls erfreut: „Bei der zweiten Begehung war in der Regel alles in Ordnung. Wir übernehmen die Erfahrungen aus der Schwerpunktaktion in den Regelbetrieb und schauen bei weiteren Beratungen und Kontrollen, aber auch bei Betriebsanlagengenehmigungen, ob Maßnahmen für den innerbetrieblichen Verkehr getroffen worden sind.“

ein rot und gelb eingerahmter Parkplatz
Klar markierter Abstellplatz für externe Lkw-Fahrer:innen am Gelände der Brauerei Schwechat © Brauerei Schwechat, Brau Union Österreich AG

Good-Practice-Beispiele

Bei den Betriebsbesuchen entdeckten die Arbeitsinspektoren:-inspektorinnen nicht nur Mängel, sondern auch zur Nachahmung empfohlene Maßnahmen zur Vermeidung von Gefahren. Darunter finden sich zahlreiche vorbildlich gekennzeichnete Verkehrswege, bei denen anhand der Bodenmarkierungen klar ersichtlich ist, welche Wege z. B. für Fußgänger:innen und welche für Stapler vorgesehen sind, wo Verkehrswege gequert werden sollen und welche Bereiche zur Lagerung dienen.

„Die Kennzeichnung von Verkehrswegen am Boden hat sich bewährt, weil sie sehr übersichtlich ist. Wenn aber viele selbstfahrende Arbeitsmittel unterwegs sind, können die Bodenmarkierungen abgenutzt werden. In diesem Fall empfiehlt sich eine mechanische Abgrenzung“, erklärt Griebler. Auch diese hatten etliche Firmen installiert.

Eine Bodenmarkierung, die Lkw-Fahrern:-Fahrerinnen von Fremdfirmen die Einhaltung der internen Verkehrsregeln erleichtert, ist den Arbeitsinspektoren:-inspektorinnen laut Griebler ebenfalls aufgefallen: „Die Unterweisung von betriebsfremden Personen ist oft schwierig. Gibt es jedoch gekennzeichnete Lkw-Stellplätze, dann wissen die externen Fahrer:innen, welche Betriebsanlagenteile sie befahren und wo sie ihr Fahrzeug abstellen sollen.“

Zu erwähnen sind auch von den besuchten Unternehmen gesetzte technische Maßnahmen, die Fahrer:innen von selbstfahrenden Arbeitsmitteln helfen, andere Verkehrsteilnehmer:innen rechtzeitig wahrzunehmen: Eine Dachkamera auf einem Radlader sorgt für mehr Übersicht. Ein durchsichtiges Rolltor ermöglicht das Einschätzen des Umfelds schon vor dem Öffnen. Ein auf einem Stapler montierter Scheinwerfer wirft einen blauen Lichtpunkt auf den Boden davor und warnt so vor dem Herannahen des Staplers.

Unfallursachen

In der Praxis benötigt man immer eine Kombination von Präventionsmaßnahmen, da Unfälle meist das Resultat aus mehreren Mängeln sind, betont Schwaighofer. Er erläutert dieses Multikausalitätsprinzip anhand eines Beispiels: „Ein:e Staplerfahrer:in weicht einer Palette aus, die den Verkehrsweg verstellt, telefoniert dabei und übersieht dadurch einen:eine zu Fuß gehenden:gehende Mitarbeiter:in.“

Um derartige Unfälle zu vermeiden, müssen die Verkehrswege freigehalten werden, ausreichend breit, gut ausgeleuchtet und gekennzeichnet sein. An schlecht einsehbaren Stellen sollten Verkehrsspiegel montiert werden. Unebenheiten, z. B. durch schadhaften Asphalt oder unterschiedliche Bodenbeläge, und Verschmutzungen sind zu beseitigen. Die gemeinsame Nutzung von Verkehrsflächen birgt Gefahren; eine Lösung bietet bauliche Trennung, z. B. durch nach oben versetzte Gehwege. Wenn Wegdistanzen kurz gehalten werden, vermeidet man damit, dass Mitarbeiter:innen riskante Abkürzungen nehmen. Der sicherste Weg, so Schwaighofer, ist allerdings jener, der sich vermeiden lässt.

Häufig ist bei einem Unfall im innerbetrieblichen Verkehr auch Fehlverhalten im Spiel, etwa Verstöße gegen Verkehrsregeln oder Unaufmerksamkeit durch Ablenkung. Mangelndes Wissen kann dazu führen, dass Vorschriften ungewollt missachtet werden. Schwaighofer weist auf die Wichtigkeit von Schulungen und Unterweisungen hin: „Verkehrsführungen und Regeln müssen klar kommuniziert werden. Bei Sprachproblemen sollte sich der:die Unterweisende vergewissern, dass alles verstanden worden ist.“ 

Komm gut an! So unterstützt die AUVA:

  • Spezialberatung mit Eyetracking
  • Folder „Stapler im innerbetrieblichen Einsatz und im öffentlichen Verkehr
  • Checkliste „Verkehrswege
  • Fachseminar „Sichere Verkehrsteilnahmein der Arbeitsstätte
  • Workshop „Sicher am Fahrrad im Betrieb und am Arbeitsweg“ – geplant für Frühjahr 2023
  • Workshop „Sicher am Scooter im Betrieb und am Arbeitsweg“ – geplant für Frühjahr 2023
  • Veranstaltung zur Sicherheit im innerbetrieblichen Verkehr – geplant für Herbst 2023

Zusammenfassung

Um Unfälle im innerbetrieblichen Verkehr zu vermeiden, müssen Risikofaktoren erkannt werden. Unterstützen kann dabei die von der AUVA angebotene Blickanalyse. Das Arbeitsinspektorat hat im Rahmen eines Beratungs- und Kontrollschwerpunkts aufgezeigt, in welchen Bereichen häufig Mängel auftreten und welche Maßnahmen Unternehmen zur Beseitigung von Gefahrenquellen setzen. 


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