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Das hybride Arbeitsmodell hat Zukunft

Ein Mann sitzt telefonierend vor seinem Notebook im Wohnzimmer und notiert sich etwas, dahinter steht eine Frau in der Küche.
Das hybride Arbeitsmodell hat Zukunft © Adobe Stock

Die COVID-19-Pandemie hat in den letzten zweieinhalb Jahren in unserem Leben einige Veränderungen gebracht. Insbesondere in der Arbeitswelt sind so manche festgefahrenen Überzeugungen über Bord geworfen worden. Zwar war in bestimmten Branchen schon vor der Pandemie das Arbeiten von zuhause aus möglich und verbreitet. Nunmehr scheint es sich jedoch flächendeckend etabliert zu haben und gehört für viele Beschäftigte zum Alltag. Laut den Ergebnissen einer Homeoffice-Studie des Arbeitsministeriums waren im Jahr 2020 1,5 Mio. Beschäftigte im Homeoffice tätig, der Großteil davon zum ersten Mal. Darüber hinaus wurde in 7 von 10 Betrieben zumindest bei einem Teil der Belegschaft Homeoffice angewendet.1 Ein hybrides Arbeitsmodell gilt als eines jener Angebote, die ein Unternehmen in Zukunft bieten sollte, um für Arbeitnehmer:innen attraktiv zu sein.

Der Arbeitsplatz Büro unterzieht sich somit einer grundlegenden Wandlung. Fixe Schreibtische dekoriert mit Blumen, Familienfotos und Schokolade werden zunehmend verschwinden. Das „Shared Desk“-Konzept wird den personalisierten Arbeitsplatz ersetzen. Aufgrund dieser Entwicklung haben Unternehmen bereits begonnen ihre Büroflächen zu verkleinern. So hat beispielsweise die österreichische National-Airline „Austrian Airlines“ ihren Hauptsitz am Flughafen Wien-Schwechat von insgesamt acht Stockwerken auf nunmehr vier Stockwerke reduziert.2 Dieses Konzept kann jedoch nur gelingen, wenn die klassischen Büroarbeitsplätze vermehrt in die eigenen, privaten Räumlichkeiten verlegt werden. 

Arbeitnehmer:innenschutz im Homeoffice

Da die Arbeit im Homeoffice im privaten Lebensbereich erfolgt, ist dem:der Arbeitgeber:in auch die gestalterische bzw. kontrollierende Einflussnahme verwehrt. § 4 Abs. 10 ArbIG bestimmt überdies, dass Organe des Arbeitsinspektorates ohne Zustimmung des:der Besitzers:Besitzerin keine Berechtigung haben, Wohnungen, die dem Homeoffice dienen, zu betreten. 

Eine Klarstellung des Gesetzgebers erfolgte insofern, als die Homeoffice-Privatwohnung als auswärtige Arbeitsstelle gemäß § 2 Abs. 3 letzter Satz ASchG anzusehen ist. Somit sind sämtliche arbeitsstättenbezogenen Regelungen nicht anwendbar. Den Materialien ist jedoch zu entnehmen, dass auf Themen wie Belichtung oder Temperatur Rücksicht zu nehmen ist. Freilich stellt dies keine Verpflichtung für Arbeitgeber:innen dar, sondern kann bestenfalls als Empfehlung angesehen werden. Diesbezüglich hat sich gegenüber der Gesetzeslage vor dem Maßnahmenpaket nichts geändert. Es verbleibt aber die Verpflichtung zur Arbeitsplatzevaluierung, zur Information und Unterweisung sowie zur Gewährleistung einer Präventivbetreuung nach dem 7. Abschnitt des ASchG. 

Die §§ 67, 68 ASchG sowie die Bildschirmarbeitsverordnung sind nur eingeschränkt anwendbar. Von § 67 ASchG gelten lediglich der Absatz 1, Absatz 2 mit Ausnahme des letzten Satzes und Absatz 4. Dabei gilt es aber zu bedenken, dass die Haftung des:der Arbeitgebers:Arbeitgeberin für die verwendeten Arbeitsmittel nur dann greift, wenn er:sie diese auch zur Verfügung gestellt hat. Verwenden Arbeitnehmer:innen ihre eigenen Arbeitsmittel, so besteht für Arbeitgeber:innen keine Verpflichtung für eine entsprechende Ausgestaltung.

§ 68 sieht eine Anwendung für Homeoffice nur für Absatz 2 vor, womit die in Absatz 3 vorgesehenen Rechte und Ansprüche, wie Pausen und Bildschirmbrille, nicht zur Anwendung kommen. Diesbezüglich verbleibt nur die Fürsorgepflicht, wie schon bisher, als Grundlage für derartige Ansprüche.

Eine Frau tippt in ihr Smartphone, es wirkt sehr spät oder früh, dunkel, ein Teil eines Notebooks ist zu sehen.
Überschreitungen und Verletzungen der Mindestruhezeit unterliegen der Verwaltungsstrafbarkeit. © Adobe Stock

Arbeitszeitschutz im Homeoffice

Im Homeoffice ist die Versuchung groß, die durch die Gesetzgebung geforderte klare Trennung der selbstbestimmten Freizeit und der fremdbestimmten Arbeitszeit verschwimmen zu lassen. Dies resultiert in erster Linie daraus, dass die Büroräumlichkeit sich nunmehr im eigenen, privaten Lebensbereich befindet und dadurch die Möglichkeit eröffnet wird, sich jederzeit – sprich zu jeder Tages- oder Nachtzeit – der Arbeit widmen zu können. 

Dieser vielfach von Arbeitnehmer:innen- wie auch von Arbeitgeber:innenseite gewünschten Zeitflexibilität setzt die europäische wie auch die österreichische Gesetzgebung zahlreiche Grenzen. Denn grundsätzlich kennt das österreichische Arbeitszeitrecht generell keine Arbeitszeitautonomie, die dazu führen kann, Höchstzeitgrenzen zu überschreiten oder Mindestruhezeiten zu unterschreiten. Lediglich in ganz spezifischen Zusammenhängen wird eine gewisse Flexibilität ermöglicht, als diesbezüglich wohl bekanntestes Beispiel sei hier die Gleitzeit erwähnt. 

Selbst bei diesem vor allem im Homeoffice sehr beliebten und verbreiteten Arbeitszeitmodell gelten die vereinbarten Rahmenbedingungen, die die Mitarbeiter:innen strikt einhalten müssen. Denn das Arbeitszeitrecht geht im Kern noch von Lebensmodellen mit freiem Sonntag und regelmäßigen Anwesenheiten im Betrieb von 9:00 bis 17:00 Uhr mit fallweisen Überstunden aus. Dies spiegeln auch die Regelungen in den einzelnen Kollektivverträgen wider. Auch wenn sich die Realität deutlich von diesen Vorstellungen wegentwickelt hat, hat die Gesetzgebung eine diesbezügliche Anpassung bis jetzt verabsäumt. 

Drohende Verwaltungsstrafen

Deshalb muss sich die Gestaltung der Normalarbeitszeit zwingend in den taxativ aufgezählten Verteilungsmodellen und unter deren Voraussetzungen bewegen. Missachtungen (z. B. Arbeiten spät abends) und Überschreitungen können Normalstunden plötzlich in zuschlagpflichtige Überstunden verwandeln. Eine dadurch nicht korrekt durchgeführte Lohnverrechnung kann daher unbeabsichtigt ein verwaltungsstrafrechtlich relevantes Lohndumping bewirken. Darüber hinaus unterliegen sämtliche Überschreitungen wie auch Verletzungen der Mindestruhezeit der Verwaltungsstrafbarkeit, wobei die Anzeigen über die jeweiligen Arbeitsinspektorate erfolgen. Rechtfertigungsversuche der Arbeitgeber:innen, dass das Zeitverhalten ihrer Mitarbeiter:innen eigenmächtig bzw. freiwillig erfolgt, stellen mangels effizienten betrieblichen Kontrollsystems weder einen Strafmilderungsgrund noch einen Strafausschließungsgrund dar. 

Es ist daher unerlässlich, Arbeitszeitregelungen klar zu kommunizieren und deren Einhaltung zu kontrollieren. In der Praxis stellt dies für Arbeitgeber:innen freilich eine große Herausforderung dar. Ein Dulden oder Hinwegsehen ist aufgrund der sehr restriktiven Rechtsprechung des VwGH keineswegs zu empfehlen. Man hätte sich diesbezüglich von der Gesetzgebung sicherlich mehr Gestaltungsfreude, abgesehen von der Möglichkeit Saldoaufzeichnungen zu führen, gewünscht, weshalb Arbeitgebern:Arbeitgeberinnen nur geraten werden kann, sich an den Grenzen des rechtlich Erlaubten und praktisch Möglichen zu orientieren, um gegebenenfalls das Freibeweisen von einem Verschulden erreichen zu können. Als taugliche Mittel dafür könnten beispielsweise folgende Vorkehrungen angesehen werden:

  • die Richtigkeit der Arbeitszeitaufzeichnungen durch die Mitarbeiter:innen bestätigen lassen
  • ausdrückliche Unterweisung sowie Untersagung des Arbeitens außerhalb der definierten Rahmenzeiten
  • Erfordernis einer Vorabgenehmigung, um außerhalb der Rahmenzeit arbeiten zu dürfen
  • die Möglichkeit des Einloggens außerhalb des Normalarbeitszeitrahmens sperren
  • stichprobenartige Überprüfung des dienstlichen E-Mail-Verkehrs oder des Speicherns von Dokumenten in Bezug auf die Zeit usw.

Inwieweit die Judikatur sich mit diesem Vorbringen begnügen wird, bleibt noch abzuwarten. In diesem Zusammenhang wäre es wünschenswert, wenn sich die Rechtsprechung in ihrer Beurteilung der Schwierigkeiten bewusst würde, die eine Kontrolle in den eigenen vier Wänden mit sich bringt. 

Abgesehen von dem höheren Risiko einer verwaltungsstrafrechtlichen Haftung stellen in der Praxis oftmals der Umgang mit Überstundenarbeit und Wegzeiten sowie die Abgrenzung von Rufbereitschaft und Arbeitsbereitschaft zur ständigen Erreichbarkeit per Smartphone ein Problem dar. Grundsätzlich gilt, dass die arbeitszeitrechtlichen Regelungen keiner Ortsgebundenheit unterliegen, weshalb die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes, gemeinsam mit etwaigen Regelungen in den Kollektivverträgen, für sämtliche dienstlichen Arbeitsverrichtungen, gleich, wo sie erbracht werden, gelten. Daraus ergibt sich in logischer Konsequenz, dass auch Mehr- und Überstunden im Homeoffice geleistet werden dürfen. Wegen der eingeschränkten Kontrollmöglichkeit für Arbeitgeber:innen empfiehlt es sich aber, konkrete Regelungen für deren Zulässigkeit aufzustellen und diese deutlich zu kommunizieren.

eine Frau sitzt im Licht ihres Notebooks und stützt ihren Kopf auf ihren Händen ab.
Die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes gelten für alle dienstlichen Arbeitsverrichtungen, egal, wo sie erbracht werden. © Adobe Stock

Wegzeiten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gelten grundsätzlich nicht als Arbeitszeit. Anders kann dies beurteilt werden, wenn an einem Tag sowohl zuhause als auch in der Arbeitsstätte gearbeitet wird. Diesbezüglich ist zu unterscheiden, ob die Homeofficetätigkeit auf Anweisung des:der Arbeitgebers:Arbeitgeberin unterbrochen wurde, weil beispielsweise eine unverzügliche Anwesenheit im Betrieb notwendig wurde, oder ob dies im Interesse des:der Mitarbeiters:Mitarbeiterin lag. Um jeglichen Interpretationsschwierigkeiten entgehen zu können, empfiehlt es sich auch hier, eindeutige Regelungen zu diesem Thema in die Betriebs- oder Einzelvereinbarung aufzunehmen.

Unkontrollierte Grauzone „Bereitschaftszeit“

Vor allem aber die von Mitarbeitern:Mitarbeiterinnen oft sehr frei interpretierte Arbeitszeitflexibilität entwickelt sich bei den Themen Ruf-/Arbeitsbereitschaft im Zusammenhang mit einer ständigen Erreichbarkeit zu einer unkontrollierten Grauzone im Arbeitszeitrecht. 

Die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes betont in dieser Beziehung mehrfach, wie wichtig das in der EU-Charta festgeschriebene Grundrecht der Arbeitnehmer:innen auf Beschränkung der Höchstarbeitszeit sowie die Einhaltung der Ruhezeiten sei. Die Mitgliedstaaten müssen hierbei dafür sorgen, dass die Rechte der Arbeitnehmer:innen eingehalten werden. Dabei ist ausschließlich zwischen Arbeitszeit und Ruhezeit zu unterscheiden, ein Dazwischen gibt es laut Rechtsprechung nicht. Um auch in diesem Bereich einer verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung entgehen zu können, ist die Abgrenzung zwischen Ruhezeiten und Bereitschaftszeiten umso wichtiger.

So geht aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes hervor, dass eine Bereitschaftszeit automatisch als „Arbeitszeit“ einzustufen ist, wenn Arbeitnehmer:innen während dieser Zeit verpflichtet sind, an ihrem Arbeitsplatz, der nicht mit ihrer Wohnung identisch ist, zu bleiben und sich dort ihrem:ihrer Arbeitgeber:in zur Verfügung zu halten hat. Darüber hinaus stellt er klar, dass Bereitschaftszeiten, einschließlich Zeiten in Form von Rufbereitschaft, auch dann in vollem Umfang unter den Begriff „Arbeitszeit“ fallen, wenn die den Arbeitnehmern:Arbeitnehmerinnen während dieser Zeiten auferlegten Einschränkungen ihre Möglichkeiten, die Zeit, in der ihre beruflichen Dienste nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sich ihren eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen. Umgekehrt ist, wenn es keine solchen Einschränkungen gibt, nur jene Zeit als „Arbeitszeit“ anzusehen, die mit der gegebenenfalls tatsächlich während solcher Bereitschaftszeiten erbrachten Arbeitsleistung verbunden ist. Eine Gesamtwürdigung könne aber nur das nationale Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall durchführen.

Da Bereitschaftszeiten Ruhezeiten bei entsprechender Länge und Häufigkeit zumindest beeinträchtigen können, sehen § 20a AZG und § 6 ARG eine Begrenzung der Inanspruchnahme solcher Bereitschaftszeiten vor. Vor dem Hintergrund der ständigen Smartphone-Erreichbarkeit könnte man nunmehr die Frage stellen, ob bzw. wann die Dauererreichbarkeit als Rufbereitschaft oder gar als Arbeitsbereitschaft zu qualifizieren ist.

Dabei ist bei der arbeitszeitrechtlichen Einordnung zwischen der bloßen Erreichbarkeit und der Erbringung von Arbeitsleistungen während dieser Erreichbarkeit zu unterscheiden. Hinsichtlich der Smartphone-Erreichbarkeit wäre daher vorerst zu prüfen, ob diese überhaupt den Regelungen über die Rufbereitschaft unterliegt. Denn man könnte zu dem Schluss kommen, dass die Smartphone-Erreichbarkeit nicht jene Intensität erreicht, von der der Gesetzgeber bei der Rufbereitschaft ausgeht.

Als mögliches Abgrenzungskriterium könnte die Fragestellung dienen, welche Leistungen aufgrund des „Rufes“ überhaupt zu erbringen sind. Aus der bisherigen Judikatur kann abgeleitet werden, dass typischerweise immer auf volle Arbeitsleistungen abgestellt wird. Somit wird jene Leistung erbracht, die auch sonst während der Normalarbeitszeit zu erbringen ist. Einigt man sich auf dieses Verständnis von Rufbereitschaft, so unterscheidet sich erfahrungsgemäß die Erreichbarkeit per Smartphone doch in den meisten Fällen. Zumeist geht es nicht darum, sich in den Betrieb zu begeben und Arbeitsleistungen zu erbringen, sondern vielmehr darum, nur kurze, einige Minuten dauernde, punktuelle Arbeitsleistungen in Form von Telefonaten oder kurzen E-Mails zu leisten. Unter diesen Umständen könnte eine Rechtfertigung, von einigen Regelungen zur Rufbereitschaft abgehen zu können, argumentiert werden. Dies gelingt jedoch nur so lange, als diese Erreichbarkeit nicht die Intensität einer Arbeitsbereitschaft erlangt, denn dann wäre wohl die gesamte Smartphone-Erreichbarkeit als Arbeitszeit zu qualifizieren – mit all den daraus resultierenden Folgen.

Quellen:

[1] Homeoffice: Verbreitung, Gestaltung, Meinungsbild und Zukunft. Bundesministerium für Arbeit, Autoren: Wolfgang Bachmayer und Johannes KlotzWien, 2021. Stand: 12. März 2021

[2] https://www.aerotelegraph.com/austrian-airlines-schrumpft-hauptsitz-auf-die-haelfte

Zusammenfassung

Die fortschreitende Flexibilität hinsichtlich Arbeitsort und Arbeitszeit hat unbestritten viele Vorteile sowohl für Arbeitnehmer:innen als auch für Arbeitgeber:innen. In der österreichischen Gesetzgebung sind die diesbezüglichen Regelungen aber nur wenig ausgeprägt. Dies betrifft vor allem die Arbeit im Homeoffice und eine Reform der Strafbestimmungen zum Arbeitszeitrecht. 


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