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Rechtliches

Schutzbestimmungen für Jugendliche

Für Jugendliche ist das Risiko auf, einen Arbeitsunfall zu erleiden, besonders hoch. Schutzbestimmungen für Kinder und Jugendliche sind daher in der Prävention von großer Bedeutung und in den Betrieben äußerst praxisrelevant.

ein grauhariger Mann zeigt einem Jugendlichen eine Elektroinstallation
© Adobe Stock / highwaystarz

Ein Lehrling wird zu Beginn seiner Lehrzeit an einer gefährlichen Bandschleifmaschine ohne Not-aus-Schalter unterwiesen. Obwohl es sich um rotierende Arbeitsteile handelt, wird fatalerweise die Verwendung von Handschuhen empfohlen. In der Folge muss der Lehrling – am zweiten Arbeitstag – ohne Aufsicht an diesem gefährlichen Arbeitsmittel arbeiten und ein Werkstück schleifen. Dabei verfängt sich der Handschuh und wird zusammen mit dem dabei abgerissenen Daumen in die Bandschleifmaschine eingezogen. Die Maschine bleibt erst stehen, nachdem das Schleifband reißt und ebenfalls eingezogen wird. Der Daumen ist durch diesen Unfall unwiederbringlich verloren.

Hohe Schutzbedürftigkeit

Dieses Fallbeispiel steht stellvertretend für unzählige Arbeitsunfälle von Lehrlingen, die leider viel zu oft ei Leben lang an den Folgen leiden. Es zeigt anschaulich, wie wichtig Schutzbestimmungen und auch deren Einhaltung sind. Gründe für diese hohen Arbeitsunfallzahlen sind insbesondere

  • mangelnde Berufserfahrung
  • jugendlicher Leichtsinn
  • fehlendes Bewusstsein für Gefahren im Betrieb
  • körperliche und geistige Entwicklung, die meist noch nicht abgeschlossen ist 
  • mangelnde Aufsicht und mangelhafte oder falsche Unterweisung

Zahlen und Fakten

Insgesamt wurden im Jahr 2022 ca. 108.000 Lehrlinge beschäftigt, die in 210 Lehrberufen ausgebildet werden. Bei der AUVA als größtem Unfallversicherungsträger wurden im Jahr 2022 insgesamt 7.100 Arbeitsunfälle von Lehrlingen anerkannt. Obwohl die Schutzbestimmungen viele Arbeitsunfälle verhindern, ist die Wahrscheinlichkeit, einen Arbeitsunfall zu erleiden, für Lehrlinge leider immer noch besonders hoch. 

Die Rechtsgrundlagen 

In Österreich sind vor allem zwei Rechtsgrundlagen zu nennen: KJBG (Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz) und KJBG-VO (Verordnung über Beschäftigungsverbote und -beschränkungen für Jugendliche).

Das KJBG definiert unter anderem die Begriffe „Kinder“ und „Jugendliche“ und enthält zahlreiche Einschränkungen bei der Arbeitszeit, spezielle Unterweisungspflichten und Strafbestimmungen. Die KJBG-VO definiert besonders praxisrelevante Begriffe wie die Aufsicht, die Gefahrenunterweisung an der Berufsschule und regelt das Arbeiten mit gefährlichen Arbeitsstoffen (§ 3), Arbeiten unter physikalischen Einwirkungen (§ 4), Arbeiten unter psychischen und physischen Belastungen (§ 5) und Arbeiten mit gefährlichen Arbeitsmitteln (§ 6) – beispielsweise Kreissägen, Winkelschleifer etc.

Was sind die Unterschiede?

Kinder sind Minderjährige bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres oder bis zur späteren Beendigung der Schulpflicht. Für sie gilt – bis auf wenige Ausnahmen – ein strenges Beschäftigungsverbot. Jugendliche sind Personen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, sofern sie nicht als Kinder gelten. Unter „Schnupperlehrlingen“ werden meistens Schüler:innen verstanden, die z. B. im Rahmen der berufspraktischen Tage Betriebe besuchen, um sich für die weitere Berufsorientierung ein Bild zu machen. Da viele dieser Schüler:innen noch Kinder sind, ist die Aufsichtspflicht hier besonders streng. Darüber hinaus dürfen sie keinesfalls mit gefährlichen Tätigkeiten beschäftigt werden.

Lehrlinge sind gemäß § 1 BAG Personen, die auf Grund eines Lehrvertrages zum Erlernen eines in der Lehrberufsliste angeführten Lehrberufes bei einem:einer Lehrberechtigten fachlich ausgebildet und im Rahmen dieser Ausbildung tätig sind. In der Regel sind Lehrlinge gleichzeitig auch Jugendliche, sodass die Schutzbestimmungen des KJBG und der KJBG-VO anzuwenden sind. Im Vordergrund des Lehrvertrages steht das Erlernen des Lehrberufes, aber nicht die Leistung als Arbeitskraft. Vielmehr dient die duale Ausbildung im Betrieb und in der Berufsschule der langfristigen Schaffung von qualifizierten Fachkräften. 

Haftung nach Arbeitsunfällen

Bei Verstößen gegen das KJBG bzw. die KJBG-VO drohen Verwaltungsstrafen sowie im Schadensfall zivil- und strafrechtliche Sanktionen. Die Verwaltungsstrafen in § 30 KJBG sind, verglichen mit anderen Rechtsbereichen, auffallend niedrig und sogar wesentlich niedriger als jene in Bezug auf erwachsene Arbeitnehmer:innen in § 130 ASchG. Dies ist nicht nachvollziehbar, wenn man den Schutzzweck und das geschützte Rechtsgut (Leben und Gesundheit von Kindern und Jugendlichen) betrachtet.

Im Falle eines Arbeitsunfalles wird die Unfallversicherung leistungspflichtig und übernimmt de facto den Großteil des Schadenersatzes für die Unternehmen – eine wichtige Tatsache, die leider kaum bekannt ist. Aktuelle Bestrebungen, die Unfallversicherung durch mehrfache Beitragssenkungen finanziell zu schwächen, sind bei Kenntnis des Haftungsrechts sicher nicht im Interesse der Unternehmen (und naturgemäß auch nicht der Versicherten). Nur im Falle grober Fahrlässigkeit ist die Unfallversicherung zum Regress berechtigt – ein unschätzbarer Vorteil für Dienstgeber:innen durch das „Dienstgeberhaftungsprivileg“.

Der § 6 KJBG-VO sieht häufig ein Verbot von Arbeitsmitteln „mit einer Nennleistung von mehr als 1.200 Watt“ vor. Der Sinn dahinter war bzw. ist, Arbeitsmittel mit zu hoher Leistung (z. B. den großen Winkelschleifer, der schwerer und größer ist und mehr Kraft zur Kontrolle benötigt) für Jugendliche zu verbieten. Dieser Sinn sollte auch weiterhin angewandt werden; beispielsweise bei akkubetriebenen Arbeitsmitteln, die seit Inkrafttreten der KJBG-VO 1998 ihr Leistungspotenzial vervielfacht haben.

Jugendliche Sicherheit am Arbeitsplatz und -weg

Im Jahr 2022 verzeichnete die AUVA 89.946 anerkannte Arbeits- und Wegunfälle von Erwerbstätigen zwischen 15 und 75 Jahren. Davon entfielen allein rund 8 % (6.888) auf 15- bis 18-jährige Erwerbstätige. Und das, obwohl diese Altersgruppe nur rund 3 % der bei der AUVA versicherten erwerbstätigen Personen zwischen 15 und 75 Jahren ausmacht. Die meisten Arbeitsunfälle (ohne Wegunfälle) bei den 15- bis 18-jährigen Erwerbstätigen wurden unter Verkaufskräften im Handel verzeichnet, gefolgt von Kraftfahrzeugmechaniker:innen und -schlosser:innen und Maurern bzw. verwandten Berufen.

Die Erhebung zeigte zudem, dass von den insgesamt 900 Wegunfällen der 15- bis 18-jährigen Erwerbstätigen im Jahr 2022 die meisten Unfälle (481) auf den Verlust der Kontrolle über ein Transport- oder Fördermittel durch das Opfer zurückzuführen sind.

Zusammenfassung

Mit der Gefahrenunterweisung im Rahmen des Berufsschulunterrichts verkürzt sich die Schutzfrist für Arbeiten mit gefährlichen Arbeitsmitteln um 6 Monate. Es wäre im Interesse der Betriebe, dass diese Gefahrenunterweisung möglichst immer durchgeführt wird und auch ein entsprechender Nachweis ausgestellt wird.


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