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Psychologische Aspekte

Arbeitnehmer:innenschutz im Wandel

Im Zuge der aktuellen Kampagne der europäischen Arbeitsschutzagentur (EU-OSHA) wappnen sich auch die zuständigen Institutionen in Österreich für die neuen Herausforderungen der digitalisierten Arbeitswelt. Das Ziel: Arbeitsbedingungen konkret zu benennen, um sie greifbar und handhabbar zu machen, sowie geeignete zielgruppenwirksame Maßnahmen zu finden.

Ein unscharfes Bild eines Smartphones, das von einer Hand gehalten wird, mit farbigen Lichtkreisen im Vordergrund. Oben links steht der Text „Psychologische Aspekte“ mit einem Logo.
© unsplash.com/Rodion Kutsaiev

Aufgrund der aktuellen Entwicklung und Veränderung der Arbeitswelt ergeben sich neue Herausforderungen im Bereich des Arbeitnehmer:innenschutzes. Konkrete psychologische Themen sind etwa Unbehagen aufgrund der Überwachung durch digitales Tracking, soziale Isolation, Herausforderungen in der Kommunikation, Mensch-System-Interaktion, neue Anforderungen an die Führung, Change-Management, Entgrenzung, Umgang mit Scheinselbständigkeit, organisationale Gerechtigkeit und der Umgang mit algorithmischen Managementsystemen. Gleichzeitig bieten sich große Potenziale z. B. für Prozessoptimierung, Flexibilisierung, Automatisierung gefährlicher Tätigkeiten, evidenzbasierte Arbeitsschutzorganisation und hybrides Arbeiten an.  

Die aktuelle Kampagne der EU-OSHA liefert unter dem Titel „Sicher und gesund arbeiten in Zeiten der Digitalisierung“ einen Anstoß, den Arbeitnehmer:innenschutz in Österreich zeitgemäß weiterzuentwickeln. Die EU-OSHA-Kampagne gliedert sich in insgesamt fünf Schwerpunktbereiche, welche nach und nach thematisiert und mit hilfreichen Publikationen und Forschungsergebnissen untermauert werden. Welcher der Schwerpunktbereiche gerade aktiv ist, kann auf der Kampagnenwebsite healthy-workplaces.osha.europa.eu nachgelesen werden.

Veränderung aktiv gestalten

Die digitale Transformation ist in vollem Gange und wird, wo ökonomisch vielversprechend, weiter voranschreiten. Daher gilt es genau jetzt, diese Transformation aktiv, prospektiv und menschengerecht zu gestalten. Auch im Sinne einer mittel- bis langfristigen Kosteneffizienz müssen dabei Aspekte des Arbeitnehmer:innenschutzes berücksichtigt werden und zielgruppenwirksame Maßnahmen gesetzt werden. Lösungsansätze liegen z. B. in Change-Management, digitaler Führung und partizipativer Arbeitsgestaltung. 

Man kann davon ausgehen, dass sich gute, zielgenau auf die tatsächlichen Gefahren abgestimmte Arbeitsschutzmaßnahmen nicht nur volkswirtschaftlich, sondern auch betriebswirtschaftlich rechnen: zum einen durch einen verbesserten Gesundheitsstatus und damit einhergehend eine höhere Leistungsfähigkeit der Beschäftigten, zum anderen durch positive Effekte auf arbeitsbezogene Ressourcen wie z. B. intrinsische Motivation, positive soziale Beziehungen am Arbeitsplatz, organisationales Commitment, organisationale Gerechtigkeit und organisationale Resilienz. Abgesehen davon ist der Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer:innen verpflichtend umzusetzen und wird von der Arbeitsinspektion als zuständige Behörde kontrolliert.

Eine Frau mit langen, lockigen Haaren und beigefarbener Jacke betrachtet konzentriert ihr Smartphone. Im Hintergrund unscharf gehalten eine urbane Umgebung. Ein Text beschreibt die potenziellen Auswirkungen mangelnder Transparenz bei digitalen Prozessen auf Unsicherheit, Misstrauen und Überwachungsgefühl.
Fehlende Transparenz bei der Zuweisung von Aufgaben, digitalen Trackingprozessen und der Entscheidungsfindung können zu Unsicherheit, Misstrauen und einem Gefühl von ständiger Überwachung führen. © Adobe Stock / Liubomir

Algorithmische Arbeitsplanung 

Ein Schwerpunktthema der laufenden Kampagne der EU-OSHA ist die digitale Plattformarbeit. Das betrifft jede bezahlte Arbeit, die über Online-Plattformen vermittelt wird, egal ob sie online oder vor Ort erbracht wird . Ein konkreter Belastungsfaktor ist die zum Teil intransparente algorithmische Arbeitsplanung, welche zum Beispiel für Fahrradbotendienste relevant ist . Die Anzahl abgelehnter Aufträge, gemachter Pausen und die Bewertung durch die Kundschaft können Einfluss auf die Arbeitsbedingungen haben – selbst wenn dies nicht selbstverschuldet ist. Das schränkt nicht nur die Autonomie bzw. den Tätigkeitsspielraum ein, sondern kann zur Folge haben, dass weniger attraktive oder überhaupt weniger Arbeitsaufträge an die betreffenden Plattformarbeiter:innen vergeben werden. Auftragsabhängige, volatile Lohnzahlungen können in weiterer Folge zur Unplanbarkeit der monatlichen Einkünfte führen. 

Mögliche Folgen von fehlender Transparenz bei der Zuweisung von Aufgaben, digitalen Trackingprozessen und der Entscheidungsfindung sind Unsicherheit, Misstrauen und ein Gefühl, ständig überwacht zu werden. Gelöst werden kann diese Problematik auf der Basis der Einhaltung von Datenschutz und Persönlichkeitsrechten, indem diskriminierungsfreie Algorithmen unter Berücksichtigung eines sogenannten „Human in command“-Ansatzes transparent entwickelt werden, das Recht auf Abschaltung digitaler Geräte („right to disconnect“) aktiv gelebt wird und regelmäßiges Feedback von Betroffenen eingeholt und berücksichtigt wird. Auch für die aktuelle Schwerpunktaktion der Arbeitsinspektion zu den Paket- und Lieferdiensten sind plattformähnliche Arbeitsstrukturen relevant.

Zusammenfassung

Unsichtbare psychische Arbeitsbedingungen in der digitalisierten Arbeitswelt müssen sichtbar gemacht und konkret benannt werden. Die aktuelle Kampagne der EU-OSHA bietet dafür einen Rahmen. Zielgruppenwirksamer Arbeitsschutz beinhaltet z. B. transparente, diskriminierungsfreie Algorithmen bei digitaler Plattformarbeit.


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