Forst & Wald
Gefährliche Aufräumarbeit im Wald
Bilder entwurzelter Bäume und verdorrter Waldflächen infolge von Borkenkäferbefall begegnen uns in den Medien ebenso oft wie Schlagzeilen von Arbeitsunfällen bei der Schadholzaufarbeitung. Vielerorts müssen Waldbesitzer: innen in Wäldern, Auen und an Verkehrswegen vorbeugend groß angelegte Schlägerungen von geschädigten Bäumen vornehmen. Die Schäden und Folgen sind weitreichend – und während Ursachen und Konsequenzen geklärt werden, müssen in unseren Wäldern oft rasch gefährliche Aufräumarbeiten erfolgen.
Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vermeldete für 2023 einen Anfall von 9 Mio. Festmeter (fm) Kalamitätsholz. Dieses infolge von Schädlingsbefall, Sturm oder trockenheitsbedingten Schäden geerntete Holz belief sich auf 47,4 % der gesamten Holznutzung von 19 Mio. fm. Auch in benachbarten Ländern war der Schadholzanfall sehr hoch und betrug 2023 z. B. in Deutschland 34,6 Mio. fm, davon 9,8 Mio. fm in Bayern. Fast 300 Mio. fm Schadholz fielen zwischen 2018 bis 2023 in Deutschland an und ca. 20 % des gesamten deutschlandweiten Fichtenvorrats wurden dadurch den Wäldern außerplanmäßig entnommen. Gerade aus der österreichischen Perspektive muss neben dem ökologischen und ökonomischen Schaden auch noch die starke Beeinträchtigung der Schutzfunktion der betroffenen Waldflächen genannt werden.
Immerhin profitieren etwa 2 Mio. Österreicher:innen vom Schutz vor Naturgefahren, den hierzulande 1,6 Mio. Hektar als Schutzwald klassifizierte Wälder gewährleisten (42 % der österreichischen Waldfläche!).
Unfallaufkommen bei forstwirtschaftlicher Arbeit
Die Unfallstatistik zu forstwirtschaftlichen Tätigkeiten zeigt das nach wie vor hohe Unfallaufkommen bei der Forstarbeit. Obschon die Gesamtzahl der Unfälle in den letzten Jahren rückläufig war, stieg die Anzahl tödlicher Arbeitsunfälle im Forst 2023 wieder sprunghaft auf 31 an, wobei die Berufsgruppen Forst(fach)- und Hilfsarbeiter:innen sowie Landwirte:Landwirtinnen am stärksten betroffen sind (Tabelle 1).
Und wer räumt auf?
Totholz ist einerseits ein wichtiger Bestandteil des Ökosystems Wald, andererseits bringt es für dort Arbeitende erhebliche zusätzliche Gefahren mit sich, denen präventiv entgegengewirkt werden muss. Daher stand 2024 die Arbeitssicherheit bei der Holzernte in schad- und totholzreichen Beständen im Mittelpunkt der Praxisvorführungen in der sogenannten „Schadholzarena“ der 18. Tagung des deutschen Kuratoriums für Waldarbeit und Forsttechnik (KWF). Diese alle vier Jahre stattfindende weltgrößte Messe für Waldarbeit und Forsttechnik frequentierten im Vorjahr ca. 50.000 Fachbesucher:innen. Neben einer Fachausstellung mit über 500 Ausstellern:Ausstellerinnen aus 30 Ländern, einem Rahmenprogramm mit Fachvorträgen,Diskussionen und Sonderschauen boten 32 Praxisstationen die Gelegenheit, sich im Echtbetrieb zu Arbeitsverfahren sowie über Neuerungen und Entwicklungen zu informieren. In der besagten „Schadholzarena“ wurden Präventionsmaßnahmen live präsentiert:
- Gefährdungsbeurteilung und Ableitung von Maßnahmen
- Einsatz funkferngesteuerter Fällkeile
- seilwindenunterstützte Fällung
- Schutzmöglichkeiten bei Forstbetriebsarbeiten
Nachfolgend wird im Überblick der aktuelle Kenntnisstand zur Arbeitssicherheit in vorrangig durch biotische Schadfaktoren (tierische und pflanzliche Schädlinge) beeinträchtigten Wäldern dargestellt. Die Arbeiten in Beständen nach abiotischen Schadereignissen (Sturmschäden, Schneebruch) mit Problemstellungen wie dem Abstocken entwurzelter Bäume, Schneiden von Holz unter Spannung oder dem Entzerren ineinander verkeilter Stämme wird in anderen einschlägigen Medien gesammelt dargestellt.
Gefährdungsbeurteilung und Maßnahmen bei Waldarbeiten im Bereich von Totholz
In totholzbelasteten Beständen besteht für arbeitende und anwesende Personen, d. h. auch für Jäger:innen und Förster:innen etwa beim Anzeichnen von Bäumen etc., eine besondere Gefahr durch herabstürzende Baumteile (Äste, abgebrochene Kronen etc.) und umstürzende Bäume. Die Gefährdung durch unkontrolliert bewegte Baumteile ist bei absterbenden bzw. bereits abgestorbenen Bäumen deutlich erhöht und nimmt stetig mit dem Grad der Destabilisierung zu, bis letztendlich überwiegend liegendes Totholz das Bestandsbild beherrscht. Letzteres wird oft zur Stolpergefahr und erschwert das Vorankommen im Bestand oder auch auf blockierten Wegen.
Die bereits im Arbeitsauftrag dokumentierte Gefährdungssituation wird in der Arbeitsplanung und vor Beginn der Arbeiten durch eine Gefährdungsbeurteilung des Bestandes und der zu fällenden Einzelbäume (inklusive deutlicher Markierung) am besten mit dem ausführenden Team erhoben und dokumentiert. Um den Kronenraum gut bewerten zu können, sollte das Anzeichnen vor Beginn der Vegetationsperiode erfolgen. Bei der Baumbeurteilung (auch „Baumansprache“) sind Merkmale wie Baumhöhe und Stammdurchmesser, Baumkrone, Äste, Stammverlauf, Gesundheitszustand (Stabilität, Zustand des Stammes, aufplatzende oder abblätternde Rinde, Pilzbefall, abgestorbene Kronenpartien, Dürräste etc.), Nachbarbäume und Umfeld aus unterschiedlichen Positionen zu betrachten. Für die Beurteilung sind Fachwissen und Erfahrung der Waldarbeitskraft von großer Bedeutung, denn Prozesse von Schädigung und Absterben können bei verschiedenen Baumarten in Abhängigkeit von den Umgebungsbedingungen unterschiedlich verlaufen. Auf Basis dieser Bewertung kann entschieden werden, ob eine Fällung mit den verfügbaren Ressourcen (Arbeitsmittel, Arbeitskräfte, Kenntnisstand) möglich ist und welche Fällmethode verwendet werden soll. Ungeachtet der Arbeitsmethode sollten Holzerntearbeiten in totholzreichen Beständen nicht im belaubten Zustand durchgeführt werden.
Arbeitsverfahren und Unfallrisiko
Grundsätzlich gilt, dass die Arbeitssicherheit bei Fäll-/Holzerntearbeiten mit dem Grad der Mechanisierung steigt. Vollmechanisierte Verfahren unter Einsatz von z. B. Harvestern sind aus Sicht des Sicherheits- und Gesundheitsschutzes für die Arbeiten in Wäldern mit Tot- und Schadholz natürlich die erste Wahl, oft können diese Maschinen aber z. B. im schroffen und steilen Gelände nur eingeschränkt eingesetzt werden. Folglich müssen Arbeiten zumindest zu einem gewissen Teil mit der Motorsäge, d. h. motormanuell durchgeführt werden, wobei es gilt, Erschütterungen gering zu halten und die Arbeitssicherheit durch teilmechanisierte Verfahren zu erhöhen. Die seilwindenunterstützte Fällung sowie die Fällung mithilfe von funkferngesteuerten Fällkeilen als Ersatz für Schlagkeile finden als alternative und risikoärmere Arbeitsverfahren Verbreitung (Tabelle 2), da sie ein möglichst erschütterungsfreies Arbeiten sowie das Verlassen des Gefahrenbereichs, bevor der zu fällende Baum bewegt wird, gewährleisten.
Jede Arbeitsplatzevaluierung für die motormanuelle Fällung am jeweiligen Arbeitsort muss neben Notfallmaßnahmen (Standort, Kommunikation, Ersthilfe, Ingangsetzen der Rettungskette) auch die Gefahren bei der Fällung, Arbeit mit Motorsägen und bei der maschinellen Holzrückung, Gefährdungen durch herabfallende Baumteile, hängengebliebene Bäume („Hänger“) sowie witterungs- und geländebedingte Gefährdungen umfassen.
Allgemeine Abbruchkriterien (Wind, schlechte Sicht, beeinträchtigte Kommunikation, technische Mängel etc.) sollten immer vorab festgelegt werden. Bei Waldarbeit mit Totholz sollte von Arbeitgeber:innenseite einerseits die Anordnung „(Eigene) Sicherheit geht vor“ nachdrücklich erteilt werden und andererseits das ausführende Team mit der Kompetenz ausgestattet werden, letztlich am jeweiligen Baum über ein „Fällen“ oder „Stehenlassen“ frei zu entscheiden. Fragestellungen zur Verkehrssicherheitsbeurteilung von Bäumen z. B. an Straßen, öffentlichen Wegen und Einrichtungen sind fallweise mit Experten:Expertinnen, Waldbesitzern:Waldbesitzerinnen etc. zu klären.
Es ist zu betonen, dass für den Einsatz dieser technischen Hilfsmittel und Arbeitsabläufe geschultes und erfahrenes Personal erforderlich ist und die jeweilige Bedienungsanleitung der herstellenden Firma konsequent beachtet werden muss. Auch die Fällung eines gesunden Baums muss mit Seilunterstützung oder Funkkeil erfolgen, wenn im Kronenbereich Kontakt zu Totholz besteht. Selbstverständlich ist es nicht erlaubt, auf stehendes Totholz zu schlägern, um es zu Fall zu bringen, und generell sollte nicht in den Gefahrenbereich, d. h. in die Richtung von Totholz geschlägert werden.
Für Arbeiten in Beständen mit einer erhöhten Risikostufe sollten auch Maßnahmen bzgl. des Einsatzes von PSA (z. B. Helmpflicht bei Pflanzungen in Beständen mit erhöhter Risikostufe), der Teamzusammenstellung (Dreimannarbeit), der Wahl von Kommunikationsmitteln (ggf. auch Verwendung von Personen-Notsignal-Anlagen, PNA) und der Absicherung von Rettungsmaßnahmen abgeleitet werden. Damit auch beim Rückevorgang kein Totholz destabilisiert oder zum Herabstürzen gebracht wird, dürfen weder die Last noch die Zugmittel stehendes, instabiles Totholz streifen oder umreißen.
Die Unterweisung (Inhalte: Gefahren und Maßnahmen für Tätigkeiten, Arbeitsort und -umfeld etc.; Bedienungsanleitungen der Arbeitsmittel, Betriebsanweisung) muss basierend auf den Ergebnissen der Evaluierung nachweislich erfolgen.
Seilwindenunterstützte Fällung
Mit Unterstützung durch eine Seilwinde kann bei Anwendung der richtigen Technik (Winde, Seil, Anschlagmittel, Sicherheitsfälltechnik mit Stütz-/Halteband) der Baum aus sicherer Entfernung, erschütterungsfrei und zu einem frei wählbaren Zeitpunkt zu Fall gebracht werden. Seilwinde, Seile und Anschlagmittel müssen aufeinander abgestimmt, in technisch einwandfreiem Zustand und wiederkehrend geprüft sein. Die Bedienpersonen müssen im Umgang geschult und unterwiesen sein.
Das Anschlagen des Baumzugseils in der erforderlichen Höhe ist maßgeblich (mind. 5 m; möglichst über dem Schwerpunkt des Baums und unter Umständen unter Beachtung des Rückhangs), damit sich die Zugkraft mittels Hebelwirkung richtig entfalten kann und die Bruchleiste nicht abgeschert wird. Ein Besteigen des Baums mittels Klettertechnik (nur mit entsprechender PSA gegen Absturz! Stehendes, instabiles Totholz nicht besteigen!) oder gar mittels einer Leiter zum Seileinbau ist unfallträchtig und zeitraubend, weshalb alternative Arbeitstechniken entwickelt wurden. Vom Boden aus kann ein Seileinbau mittels Teleskopstange bis zu einer Anschlaghöhe von 5 bis 6 m (Königsbronner Anschlagtechnik) oder bis ca. 15 m mittels Schleuder und Wurfbeutel (sog. Darmstädter Seilzugtechnik) erfolgen.
Das Baumzugseil muss aus sicherer Entfernung gestrafft werden, ohne jedoch den Baum dadurch zu belasten oder vorzuspannen. Das Baumzugseil kann im direkten Zug (Entfernung Seilwinde zum Baum mindestens doppelte Baumlänge) oder im umgelenkten Zug (bevorzugte Variante, aber Achtung: doppelte Seilwindenzugkraft belastet Ankerbaum, Umlenkrolle und Anhängeschlinge!) geführt werden. Wurden die Sägearbeiten gemäß Sicherheitsfälltechnik abgeschlossen und befindet sich keine Person im Gefahrenbereich, erteilt der:die Motorsägenführer:in das Kommando zum Umziehen, wobei Baum, Kronenraum und Fällschneise beobachtet werden sollen, um eventuell entstehende Gefahren zu erkennen. Sollte sich ein Fäulnisbefall im Stammfuß als stark fortgeschritten oder der Baum als instabil herausstellen, kann ein Baum auch durch bloßes Umziehen zu Fall gebracht werden.
Funkferngesteuerte technische Fällkeile
Geschädigte Bäume können unter bestimmten Voraussetzungen auch mit ferngesteuerten Fällkeilen (kurz: Funkfällkeile) sicher gefällt werden. Der große Unterschied zur Seilwinde besteht aber darin, dass man mit Funkfällkeilen nur Bäume fällen darf, die theoretisch auch mit herkömmlichen Schlagkeilen gefällt werden könnten, das heißt: keine stärkeren Rückhänger und keine Bäume mit Stammfäule, da das Holz nicht ausreichend druckbelastbar ist.
Funkfällkeile werden entweder mechanisch über eine von einem Akkuschlagschrauber angetriebene Spindel oder mittels eines Hydraulikzylinders aufgespreizt. Um den Zeitpunkt, ab dem der Baum zu Fall gebracht wird, kontrollieren zu können, verwendet der:die Motorsägenführer:in auch hier die Sicherheitsfälltechnik, jedoch mit seitlich ausgeführtem Halteband. Ein bis zwei herkömmliche Schlagkeile werden zur Absicherung gesetzt, während der Fällschnitt mit einem „Schnabelschnitt“ lokal erweitert wird, damit der technische Fällkeil eingesetzt werden kann. Die Achse des Fällkeils liegt in der gewünschten Fällrichtung, um einerseits eine optimale Krafteinleitung und andererseits eine gleichmäßige Belastung des Fällkeils zu erzielen. Der:die Motorsägenführer:in aktiviert den Fällkeil vom Rückweichplatz aus, der sich in sicherer Entfernung zum Baum und außerhalb des Kronenraums befindet, von dem aus aber Fallbereich und Funkkeil einsehbar sind, und bringt den Baum zu Fall.
Wirksamkeitskontrolle – Aufgabe des:der Arbeitgebenden
Waldarbeit mit Totholz sollte unter ständiger Aufsicht einer fachkundigen Person (z. B. Forstfacharbeiter:in) erfolgen, die die Befolgung und Umsetzung der Schutzmaßnahmen auch während der Abwesenheit des:der Arbeitgebenden kontrolliert. Die Fähigkeit der richtigen Gefahreneinschätzung und die reibungslose Kommunikation – auch über Sprachbarrieren hinweg – sind essenziell.
Um die weiter steigenden Herausforderungen im kaum gestaltbaren Arbeitsort „Wald“ zu bewältigen, die Arbeitssicherheit möglichst zu steigern und um dem hohen Unfallaufkommen entgegenzuwirken, müssen alle Beteiligten bestmöglich zusammenarbeiten und die am besten geeigneten Arbeitsverfahren und Arbeitsmittel eingesetzt werden.
Publikationen/Literatur
Dietz Thomas, Planker Arnold, Braun Werner (2010): Totholz – das Ende der Arbeitssicherheit? AFZ-DerWald, 65. Jahrg., 1, 13–14.
[1] Holzeinschlag 2023 – Totschnig: Schadholzmenge ist nur mit Mitteln aus dem Waldfonds zu bewältigen – Waldverband.
https://www.waldverband.at/holzeinschlag-2023-totschnig-schadholzmenge-ist-nur-mit-mitteln-aus-dem-waldfonds-zu-bewaeltigen/
[2] Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft:
Definition Schutzwald. https://www.schutzwald.at/wissen/was-ist-schutzwald.html
[3] SG-006_B: Schadholzaufarbeitung – Fäll- und Schneidetechnik, SVS und LK NÖ 2025. https://www.svs.at/cdscontent/load?contentid=10008.764214&version=1644998438
Zusammenfassung
Große Mengen an Schad- und Totholz erschweren die unfallträchtige Forstarbeit. Eine Gefährdungsbeurteilung bildet die Basis für die Ableitung von Maßnahmen und die Wahl von Arbeitsverfahren wie der seilwindenunterstützten Fällung oder neuartiger Arbeitsmittel wie funkferngesteuerter Fällkeile. Beide Zugänge ersetzen das gefährliche Arbeiten mit Schlagkeilen und erhöhen die Arbeitssicherheit.