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Forst & Wald

Hightech trifft Holz: VR-Training für die Forstwirtschaft

Waldarbeit zählt zu den gefährlichsten beruf­lichen Tätigkeiten, insbesondere die Anzahl schwerer und tödlicher Unfälle ist hoch. Mit guter Arbeitsvorbereitung und gezieltem Training lässt sich die Arbeits­sicherheit deutlich erhöhen. Eine gefahrlose Übungsmöglichkeit bieten simulierte Szenarien und Trainingsmodule, die im Zuge des Projekts FWSafeXR unter der Leitung des Austrian Institute of Technology an forstlichen Ausbildungsstätten entwickelt und erprobt wurden.

Die körperlichen Anforderungen und die Gefahren, die von stürzenden Bäumen oder schwerem Gerät ausgehen, werden häufig unterschätzt. Dazu kommt, dass die Arbeiten oft in abgelegenen Gegenden stattfinden, was bei einem Unfall die Rettung erschwert.
Die meisten Unfälle ereignen sich bei Baumfällarbeiten, so DI Georg Oberdorfer von der AUVA-Hauptstelle, Präventionsberatung Forst und Holz: „Es besteht die Gefahr, von Teilen des gefällten Baums oder eines Nachbarbaums getroffen zu werden.“ Ebenfalls häufig sind Traktorunfälle, meist durch Umkippen des Fahrzeugs, sowie Stürze in unwegsamem oder vereistem Gelände.

Projekt FWSafeXR
Durch genaue Arbeitsvorbereitung und ein routiniertes Vorgehen beim Fällen der Bäume lassen sich Unfälle vermeiden. Eine einfach durchführbare und gefahrlose Übungsmöglichkeit bieten Extended-Reality-(XR-)Szenarien, die das Training unter realen Bedingungen ergänzen können. Im Rahmen des Projekts „FWSafeXR: Sicherheitstraining in der Forstwirtschaft mit Extended-Reality-Methoden“ wurden drei XR-Trainingsmodule entwickelt und an forstlichen Ausbildungsstätten erprobt.
Das Projekt startete am 1. Mai 2022, lief bis 25. Jänner 2024 und wird an der Forstlichen Ausbildungsstätte (FAST) Traunkirchen als FWSafe.Edu-Projekt bis Mai 2025 fortgesetzt. Die Finanzierung erfolgte über DaFNE (Datenbank für Forschung zur Nachhaltigen Entwicklung), eine Forschungsplattform des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft.

Projektpartner
Als wissenschaftlicher Partner fungierte das Center for Technology Experience des Austrian Institute of Tech­nology (AIT), das auch die Projektkoordination übernahm. „Das Training in Extended Reality (XR) bietet viele Vorteile. In einer immersiven simulierten Umgebung kann zeit- und ortsunabhängig trainiert werden“, erklärt Mag.a Dr.in Christine Wahlmueller-Schiller, am AIT Center for Technology Ex­perience für Marketing verantwortlich.
Die XR-Trainingsmodule wurden in Kooperation mit den Forstlichen Ausbildungsstätten Traunkirchen und Ossiach des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) entwickelt und getestet. „Wir haben das forstliche Know-how in das Projekt eingebracht. Die Anwender:innen waren Schüler:innen im Alter von 15 bis 20 Jahren, die unter der Anleitung ihrer Lehrer:innen geübt haben“, erklärt der Leiter der FAST Traunkirchen DI Florian Hader.
Da das richtige Verhalten nach einem Unfall im virtuellen Training ebenfalls geübt werden sollte, wurden der Landesverband OÖ des Österreichischen Roten Kreuzes (OÖRK) und der Arbeiter-Samariter-Bund Österreich in das Projekt FWSafeXR mit einbezogen. Ing. Roman Herndl vom OÖRK betont, dass virtuelle Trainingssimulationen dazu beitragen können, sich besser auf Notfallsituationen vorzubereiten. „Unsere Aufgabe war, den Prozess zu begleiten, wie man Erste-Hilfe-Maßnahmen in virtuelle Anwendungen umsetzt“, so Herndl.
Samariterbund-Geschäftsführer Mag. Andreas Balog zeigt sich zufrieden mit dem Projekt: „FWSafeXR überzeugt nicht nur mit der technischen Umsetzung, sondern auch mit den vermittelten Inhalten. Man erkennt unmittelbar, dass auf die umfassende Expertise erfahrener Einsatzorganisationen zurückgegriffen wurde.“
Als technischer Partner fungierte das visuelle Produktionsstudio Mindconsole. DI Mag. Dr. Sebastian Egger-Lampl, Head of Research bei Mindconsole, beschreibt den Aufbau der Trainingsszenarien: „Die verwendeten Gamification-Prinzipien, das durchgängige Interaktionsprinzip und die durchgängige Designsprache motivieren und erleichtern das wiederholte Training der drei Module und den Transfer der erlernten Fertigkeiten von einem Modul zum nächsten“.

Umsetzung in die Praxis
Ziel des Projekts war es, sicherheitsbezogene Inhalte in der Forsttechnik mithilfe von XR-Technologie in Form eines spielerischen Lernansatzes (Gamification) umzusetzen. Zu Projektbeginn führte das AIT eine Bestandsaufnahme und Analyse bereits existierender Lernsimulationen zum Thema Forstarbeit, etwa zur Handhabung einer Motorsäge, durch.
Auf Basis der Analyseergebnisse und in enger Zusammenarbeit mit allen Projektpartnern wurde entschieden, für welche Szenarien Trainingsmodule erarbeitet werden sollten. Die nächsten Schritte umfassten die Erstellung eines Trainingskonzepts für die forsttechnische Ausbildung und die Entwicklung eines XR-Prototyps für den Einsatz im Unterricht an den forstlichen Ausbildungsstätten.
Als technische Ausstattung wurde eine Virtual-Reality-(VR-)Brille samt zwei Controllern gewählt. Bei der Entscheidung für die Geräte spielten auch ökonomische Überlegungen eine Rolle: „Es wurden handelsübliche Headsets angeschafft, die kostengünstig sind und daher eine breite Anwendung ermöglichen.“ Übt ein:e Schüler:in mit einem Headset, kann das in der VR-Brille sichtbare Bild auf einen Bildschirm übertragen werden, damit der:die Trainer:in oder andere Personen das virtuelle Geschehen mitverfolgen können.

Drei Trainingsmodule
Bei FWSafeXR wurden drei Trainingsmodule entwickelt und erprobt. Die Kriterien für die Themenauswahl beschreibt Hader folgendermaßen: „Die Szenarien sollten häufige bzw. wichtige Situationen darstellen und sich für die Umsetzung in einer virtuellen Umgebung eignen.“ Ein virtueller Guide, wahlweise „Alex“ oder „Alexa“, begleitet den:die Anwender:in durch das Szenario und gibt Anweisungen, was zu tun ist. Wie in einem Computerspiel sorgt ein Zufallsgenerator für sich ändernde Bedingungen – etwa, ob sich Personen im Sicherheitsbereich aufhalten. Wird ein Level erfolgreich abgeschlossen, kann man ein schwierigeres in Angriff nehmen.

Modul Arbeitsvorbereitung
Das erste Modul widmet sich den vorbereitenden Maßnahmen vor dem Arbeitseinsatz im Wald, da eine gute Vorbereitung das Unfallrisiko deutlich verringert. Schauplatz ist eine Werkstatt, in der sich unzählige Gegenstände befinden. Der:Die Trainierende hat die Aufgabe, sich die für die Waldarbeit nötige Ausrüstung zusammenzusuchen. „Abgesehen von Schutzhelm, Schnittschutzhose und Motorsäge sollte man z. B. unbedingt auch ein Handy mitnehmen“, erklärt AIT-Projektleiter Dr. ­Michael Oppermann. Ein Erste-Hilfe-Paket darf auch nicht fehlen.
Auch die Wetterlage, insbesondere Sturmwarnungen, ist zu beachten. Ebenfalls wichtig ist es, sich zu überlegen, ob alle Informationen vorliegen, die bei einem Unfall für die Rettungskette benötigt werden. Das virtuelle Training eignet sich gut dafür, die Abläufe bei der Arbeitsvorbereitung einzuüben, damit sie in einer realen Situation jederzeit abrufbar sind.

Modul Baumfällung
Thema des zweiten Moduls sind die sicherheitsrelevanten Aspekte der Baumfällung. Oppermann schildert die zu erledigenden Aufgaben: „In diesem Modul muss die trainierende Person im Wald alle Arbeitsschritte durchführen, die zu einer sicheren und erfolgreichen Baumfällung notwendig sind: von der Absicherung des Geländes, der Abschätzung der Fällrichtung, vom Setzen von Stechschnitt und Splintschnitt bis hin zur Auswahl und dem Einsatz der passenden Fällwerkzeuge wie Motorsäge, Keil und Axt.“
Oberdorfer betont, dass man nur bestimmte Aspekte der Realität in einer virtuellen Trainingsumgebung darstellen kann: „Es handelt sich um ein ergänzendes Tool für einen gefahrlosen Einstieg in das Thema, aber die praktische Erfahrung mit der Vibration der Maschinen, dem Lärm und der jeweils unterschiedlichen Umgebung lässt sich dadurch nicht ersetzen.“

Modul Hubschrauberrettung
Im dritten Modul, Anforderung und Einweisung eines Rettungshubschraubers nach einem Arbeitsunfall, wird das richtige Verhalten vom Notruf per Handy bis zur Abholung des:der Verletzten durch den Rettungshubschrauber geübt. „Man muss die Rettungskette in Gang setzen, der Leitstelle die Koordinaten und andere wichtige Informationen mitteilen, den Hubschrauber richtig einweisen und die Gefahren am Landeplatz identifizieren, z. B., ob durch den Hubschrauber Material aufgewirbelt werden könnte“, beschreibt Hader die notwendigen Handlungen, die geübt werden müssen.
Laut Oberdorfer eignet sich dieses Szenario besonders gut für ein virtuelles Training, weil sich eine Hubschrauberrettung nur mit großem Aufwand in der Realität nachstellen lässt. Waldarbeiten werden zum Teil an entlegenen Orten durchgeführt, wo Rettungsfahrzeuge nicht zufahren können. Es kann daher entscheidend sein, einen Hubschrauber richtig einzuweisen.

Evaluierung des Projekts
Im Juni 2023 führte das AIT eine Evaluationsstudie durch, an der 70 Personen in der FAST Traunkirchen teilnahmen. Erhoben wurden die Erfahrungen der Nutzer:innen mit dem XR-Prototyp und dessen Akzeptanz. Anhand von objektiven Lerntransferkriterien untersuchten die Forscher:innen des AIT den Mehrwert von virtuellem Training gegenüber traditionellen Lernmethoden.
Die AIT-Studie zeigte, dass die mithilfe von Extended Reality geschulten Teilnehmenden bei einem Praxistest deutlich weniger Fehler machten als jene aus der Kontrollgruppe, die auf herkömmliche Weise unterrichtet worden war. Während der praktischen Anwendung der gelernten Inhalte waren die XR-geschulten Personen zudem mental weniger belastet und berichteten seltener von Frustration.
Für Oppermann liegen weitere Vorteile auf der Hand: Die interaktive virtuelle Lernumgebung fördert die Motivation der Lernenden. Das Training kann jederzeit gestartet, unterbrochen und wiederholt werden – ganz nach individuellem Bedarf. Gleichzeitig ermöglicht es dem:der Trainer:in, das Geschehen in Echtzeit am Bildschirm zu verfolgen, um gezielt Feedback zu geben oder direkt einzugreifen. Wichtig sei jedoch, XR nicht als Ersatz, sondern als sinnvolle Ergänzung zu klassischen Lehrmethoden zu verstehen.
Hader fasst seine Erfahrungen mit dem FWSafeXR-Projekt wie folgt zusammen: „Das Üben hat den Schüler:innen Spaß gemacht, die Merkrate war besser. Mit der VR-Brille ist räumliches Lernen auch im Lehrsaal möglich. Man kann Situationen ohne zusätzliche Kosten beliebig oft wiederholen.“ Eine Verbesserung des Prototyps wurde noch während des Projekts umgesetzt: Nachdem die Schüler:innen die Aufgabenstellungen nicht immer verstanden hatten, wurden die Anweisungen des virtuellen Guides klarer formuliert.

Weitere Szenarien
Da sich das XR-Training gut bewährt hat, wird es in den forstlichen Ausbildungsstätten weiterhin durchgeführt. Zusätzlich zu den ersten Modulen entwickelten die Projektpartner drei weitere Module, die derzeit getestet werden. Im ersten Modul bereitet der:die Trainierende den Einsatz einer Seilwinde samt Auswahl der richtigen Anschlagmittel vor, im zweiten verwendet er:sie die Seilwinde und arbeitet den gefällten Baum anschließend mit der richtigen Schnitttechnik auf. Modul drei hat wieder ein Unfallszenario zum Thema; darin soll eine unter einem Wurzelteller eingeklemmte Person gerettet werden.
In Zukunft ist, auch evtl. in Zusammenarbeit mit der AUVA bzw. anderen Unfallversicherungsträgern, eine Ausweitung des Nutzer:innenkreises geplant, so Wahlmueller-Schiller: „Waldbesitzer:innen und Forstarbeiter:innen, die ein Headset besitzen, sollen selbst mit FWsafeXR trainieren können.“ Der Einsatz in weiteren forstlichen Ausbildungsstätten und in Betrieben ist ebenfalls angedacht. ●

Zusammenfassung

In der Forstwirtschaft ereignen sich besonders viele Arbeitsunfälle. Das Projekt „FWSafeXR: Sicherheitstraining in der Forstwirtschaft mit eXtended Reality Methoden“ unter der Leitung des Austrian Institute of Technology soll zur Steigerung der Arbeitssicherheit beitragen. Die Trainingsmodule wurden an forstlichen Ausbildungsstätten getestet. Sie dienen als Ergänzung herkömmlicher Lehr­methoden. ●


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