Bau
Prävention auf Dächern
Für die Arbeitssicherheit bei Arbeiten auf Dächern sind gesicherte Verkehrswege schon bei der Einrichtung von Dachbaustellen besonders wichtig. Dachbaustellen bergen ein hohes Unfallrisiko, die notwendigen Präventionsmaßnahmen werden aber oft nicht korrekt umgesetzt. Zum Teil tödliche Arbeitsunfälle sind die Folge.
Viele Arbeitsunfälle auf Dachbaustellen ereignen sich noch vor Beginn der eigentlichen Dacharbeiten. Die Wahl eines geeigneten Zugangs zur Dachbaustelle hat wesentlichen Einfluss auf das Unfallrisiko und somit auf die Sicherheit der mit den Dacharbeiten beauftragten Personen. Der erstmalige Zugang stellt deshalb eine besondere Herausforderung bezüglich Absturzsicherheit dar, weil entsprechende Sicherungs- bzw. Anschlagpunkte bauseits entweder nicht vorhanden oder noch nicht hergestellt sind.
Risiken bei Dachbaustellen
Dacharbeiten gehören nach wie vor zu den Bauarbeiten mit dem höchsten Unfallrisiko. Dieses Risiko ergibt sich aus der Wahrscheinlichkeit, einen Absturzunfall zu erleiden, und aus der Schwere der möglichen Verletzungen. Gerade in diesem Zusammenhang spielt die Schwerkraft eine gefährliche Rolle.
In der Gesetzgebung sind zahlreiche Regelungen für sichere Dacharbeiten vorgesehen (siehe 11. Abschnitt BauV – Arbeiten auf Dächern). Um sicher auf Dächern arbeiten zu können, müssen die Arbeiten allerdings vorab geplant und Maßnahmen zur Einrichtung der anstehenden Dachbaustelle festgelegt werden. Bereits bei der ersten Besichtigung im Rahmen der Angebotserstellung für die Dachbaustelle kann abgeschätzt werden, welche Sicherheitsmaßnahmen erforderlich sind. Dies ist die Voraussetzung, um schlussendlich sichere Dacharbeiten durchführen zu können.
In der Praxis werden Maßnahmen zur Absturzsicherung in der Regel schnell festgelegt. In Betracht kommen beispielsweise Gerüste sowie Seilsicherungssysteme oder Einzelanschlagpunkte auf den Dachflächen. Leider scheitern diese Maßnahmen oftmals an der korrekten Umsetzung auf der Baustelle – oder es kommt erst gar nicht dazu, dass die Maßnahmen tatsächlich ausgeführt werden. Die Folge sind schwere bis tödliche Absturzunfälle durch ungesicherte Arbeitsabläufe.
Dieser Artikel soll sich weniger auf die Absturzsicherungen im engeren Sinne beziehen, sondern den Fokus auf den Zugang zur Dachbaustelle legen.
Welche Überlegungen können im Rahmen der Baustellenevaluierung nun angestellt werden, um mit geringem Absturzrisiko auf das Dach zu gelangen und dort gesichert die Vorbereitungen für Montage- oder Reparaturarbeiten zu treffen?
Verwendung von Gerüsten
Ein Dachfanggerüst stellt die sicherste technische Absturzsicherung bei Dacharbeiten dar. Wenn der Zugang zum Dach nicht durch das Gebäudeinnere möglich ist, kann er über ein Fassadengerüst erfolgen. Der integrierte Aufstieg bietet die passende Möglichkeit dazu. Am besten erledigen professionelle Gerüstbaufirmen den Aufbau und übergeben das fertig aufgestellte Gerüst inklusive Prüfprotokoll (Überprüfung durch die aufstellende Firma).
Verwendung eines Treppenturms
Treppentürme dienen insbesondere bei Flachdachkonstruktionen als sicherer Zugang. Über diese Zugangsvariante ist nicht nur der Personenverkehr, sondern auch ein gewichtsbegrenzter Materialtransport möglich. Die erforderlichen Ankerpunkte an der Fassade sind in der Aufbauanleitung des herstellenden Unternehmens angegeben. Fachkundige Personen müssen den Treppenturm nach Fertigstellung mittels einer Überprüfung durch die aufstellende Firma „abnehmen“.
Nutzung von Dachöffnungen
Wenn ein Dachausstieg in Form von Dachluken oder Dachfenstern vorhanden ist, stellt dieser einen vergleichsweise sicheren Zugang zum Dach dar. Dadurch erspart man sich gefährliche Zugangsvarianten über die Fassade des Gebäudes. Über diesen Dachausstieg können Verbindungsmittel zwischen der „PSA gegen Absturz“ und geeigneten Anschlagpunkten im Dachinneren (z. B. Dachfensterlaibung oder Türrahmen) geführt werden. Dabei muss Wert auf die Auswahl geeigneter Anschlagpunkte im Dachinneren gelegt werden (siehe Abbildung 1: „Anschlagpunkt für Gebäudeöffnungen, Türanker“).
Leitern als Dachzugang
Am häufigsten erfolgt der Zugang zum Dach über Anlegeleitern. Grundsätzlich ist dieser Dachzugang praktikabel und zulässig. Allerdings wird bei der Nutzung von Anlegeleitern als Dachzugang oft übersehen, dass diese Zugangsvariante bestimmten Anforderungen entsprechen muss. Diese sind auch in Rechtsnormen festgelegt, die wiederum in Gesetzen verankert sind (vgl. dazu AM-VO). Folgendes ist unbedingt zu beachten:
Die Leiter muss gegen Umfallen, seitliches Wegrutschen und Wegrutschen am Boden gesichert sein. Dazu dienen beispielsweise Standfußverbreiterungen und Befestigungen der Leiterholme an der Ausstiegsstelle. Zudem ist bei einer Ausstiegsstelle in über fünf Meter Höhe eine zusätzliche Absturzsicherung beim Verwenden der Anlegeleiter als Verkehrsweg erforderlich. (siehe Abbildung 3 „Schiebeleiter mit Absturzsicherung“)
Zugang mittels Hubarbeitsbühne
Das Aus- und Übersteigen auf angrenzende Bauteile ist grundsätzlich nicht erlaubt. Unter bestimmten Voraussetzungen, die in den Regelungen der D-A-CH-S-Arbeitsgruppe definiert wurden, stellt dies aber auch eine Möglichkeit dar, den Zugang zu hochgelegenen Arbeitsplätzen herzustellen (siehe dazu absturzrisiko.ch/dachs/).
Verwendung von Hilfsleinen mittels Wurfbeutelschleuder oder Drohneneinsatz
Eine besondere und innovative Variante für den Zugang zum Dach ist die Verwendung eines mitlaufenden Auffangsystems. Das allein wäre noch keine Besonderheit. Die Besonderheit liegt in der Kombination aus persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz und einem Sicherungsseil, das beim Leiteraufstieg und anschließend auch auf der Dachfläche zur Verfügung steht. Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch die Frage: Wie kommt das Sicherungsseil auf das Dach?
Seit einiger Zeit ist es gängige Praxis, das Sicherungsseil über das Dach zu ziehen, nachdem eine leichte Hilfsleine über das Gebäude geworfen wurde. Für größere Höhen werden auch Wurfbeutelschleudern verwendet. Systemisch betrachtet klingt diese Vorgehensweise zunächst nachvollziehbar und praktisch. Betrachtet man jedoch die einzelnen Arbeitsschritte genauer, so ergeben sich zahlreiche Herausforderungen.
Unterweisung: Es bedarf einer Unterweisung und ausreichender Übung, damit die Bedienung der Wurfbeutelschleuder sicher gelingt. Immerhin wird durch das Spannen der Wurfbeutelschleuder und das anschließende Lösen der Spannvorrichtung Energie freigesetzt. Diese kann bei falscher Bedienung zu Verletzungen führen.
Komponenten: Die einzelnen Komponenten für die Herstellung dieses Sicherungssystems sind qualitativ hochwertig und exakt auszuwählen. Das System funktioniert nur mit aufeinander abgestimmten Komponenten (siehe Infokasten auf Seite 19).
Vor- und Nachteile des Sicherungsseils
Der überwiegende Vorteil liegt auf der Hand: Man kann ein Sicherungssystem mit relativ wenig Aufwand für den Auf- und Abstieg über Anlegeleitern sowie für das Setzen von Anschlagpunkten auf der Dachfläche errichten. Der größte Nachteil ist, dass die Verwendung ausreichend unterwiesen und geübt werden muss. Sporadische Einsätze reichen nicht aus, um ausreichende Praxis zu erlangen. Beim Schleudern der Hilfsleine besteht zudem die Gefahr, dass diese sich in der Umgebung des Einsatzortes verfliegt und in Bäumen oder auf Nachbargebäuden landet. Das Bergen der Hilfsleine kann mit Schwierigkeiten verbunden sein. Auch die Auftrefffläche der Wurfleine (mit Wurfgewicht) lässt sich nicht genau eingrenzen. Zudem kommt es oft vor, dass am Objekt (Dach) Schäden verursacht werden. Durch die Zugkräfte, die beim Errichten der Hilfsleinen und Sicherungsseile entstehen, kann es zu Beschädigungen an der Dachdeckung kommen. Ein Beispiel ist der sogenannte Firstbruch, bei dem die Firstkappe durch das Unterlaufen der Seile abgehoben wird.
Das Aufbringen der Hilfsleine kann auch mittels Drohneneinsatz durchgeführt werden. Ein Vorteil dieser Variante ist, dass die Hilfsleine punktgenau verlegt werden kann. Die Handhabung der Drohne kann sich als herausfordernd erweisen. Für die Steuerung einer Drohne ist für diesen Anwendungsfall ein entsprechender Führerschein sowie die Genehmigung der Flugsicherung erforderlich.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Anbringen eines Sicherungsseils durch professionelle Dienstleister:innen erfolgen sollte, da nur so eine fachgerechte Ausführung gewährleistet werden kann (siehe dazu auch www.ohrv.at)[4]. ●
Referenzen:
[1] Griehser GmbH, Quelle online: URL: https://shop.griehser.at/products/windoor-tur-ankerstange-zubehor-fur-dachflachenfenster-und-lichtkuppeln?_pos=1&_sid=abe2936ba&_ss=r [26.05.2025]
[2] BORNACK GmbH & Co. KG, Quelle online: URL: http://test.bornack.de/produktkatalog/180/274/index.php [26.05.2025]
[3] BRANACH GmbH GERMANY, Quelle online: URL: https://www.branach.com/de/eu-euro-fall-control-system [26.05.2025]
[4] ohrv.at
Zusammenfassung:
Bei Dacharbeiten ereignen sich viele Unfälle bereits beim ersten Zugang, da Sicherungen oft fehlen. Planung und gesicherte Verkehrswege sind essenziell. Fehlende bzw. falsche Umsetzung führt zu schweren Unfällen. Optionen sind: Gerüste, Treppentürme, Dachöffnungen oder gesicherte Leitern. Innovative Methoden wie Wurfbeutelschleuder oder Drohnen zum Hochbringen von Sicherungsseilen erfordern Übung. ●